Neue Ärztestatistik

Die Sorge um Ärztemangel wächst

In Deutschland arbeiten so viele Ärzte wie noch nie, offenbart die neue Ärztestatistik. Dennoch schlägt die Bundesärztekammer Alarm – und warnt vor erheblichen Engpässen in der medizinischen Versorgung.

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:
Die Bundesärztekammer fürchtet offenbar einen Ärztemangel. Dass die Zahl der Medizinstudenten sinkt, lässt die Alarmglocken schrillen.

Die Bundesärztekammer fürchtet offenbar einen Ärztemangel. Dass die Zahl der Medizinstudenten sinkt, lässt die Alarmglocken schrillen.

© Coloures-Pic / stock.adobe.com

BERLIN. Der Zuwachs an Ärzten – im Jahr 2018 ein Plus von 1,9 Prozent auf 392.402 – ist nach Auffassung des Präsidenten der Bundesärztekammer, Professor Frank Ulrich Montgomery, zu gering, um damit den künftigen Versorgungsbedarf zu erfüllen.

Eindringlich fordert Montgomery anlässlich der am Freitag veröffentlichten Ärztestatistik 2018 eine Aufstockung der Kapazitäten für das Medizinstudium, damit es vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung nicht zu Engpässen in der Versorgung komme.

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Trotz einer steigenden Zahl von Köpfen nimmt die Arbeitskapazität nicht unbedingt zu. Ursächlich dafür sind zwei Entwicklungen: Mit einem Anteil von 47,2 Prozent haben Ärztinnen in Klinik und Praxis fast die Parität erreicht; sie sind allerdings überdurchschnittlich häufig in Teilzeit tätig. Der Anteil der Ärztinnen wird künftig noch weiter steigen.

Der zweite strukturelle Trend: Die Zahl der angestellten Ärzte in der ambulanten Medizin steigt dynamisch: Der Zuwachs betrug im vergangenen Jahr 10,4 Prozent, sodass nunmehr 39.816 Ärztinnen und Ärzte im Angestelltenverhältnis arbeiten, ein erheblicher Teil davon nicht auf einer Vollzeitstelle.

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Angestellte arbeiten weniger

Auch werden ihre Arbeitsproduktivität und das Ausmaß geleisteter Stunden vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) nicht so hoch eingeschätzt wie die der als Freiberufler tätigen Ärzte. Ihre Zahl sinkt aber stetig, im vergangenen Jahr erneut um 884 auf zuletzt 117.472.

Es gibt aber auch gegenläufige Entwicklungen:

  • Nach jahrelangem Abwärtstrend steigt der Anteil junger Ärzte unter 35 Jahren seit 2005 von 15,4 auf aktuell 18,9 Prozent.
  • Die Zahl der Facharztanerkennungen ist weiter um drei Prozent auf insgesamt 13.336 gestiegen. Der Trend gilt auch für die Allgemeinmedizin: Hier wurden im vergangenen Jahr 1567 Facharztanerkennungen ausgesprochen, das sind rund 50 Prozent mehr als im Jahr 2010. Der Ersatzbedarf in der hausärztlichen Versorgung wird aber vom Sachverständigenrat auf etwa 3000 pro Jahr beziffert.
  • Weiter zugenommen hat die Zahl der ausländischen Ärzte um 7,3 Prozent auf 48.672. Der Zuwanderung steht allerdings der Wegzug deutscher Ärzte gegenüber, der den Nettowanderungssaldo etwas verringert. Deutsche Ärzte präferieren dabei die Schweiz, Österreich und die USA.

Kritik am TSVG

Der Zuwachs an Ärzten verteilt sich auch regional sehr unterschiedlich: Das geringste Wachstum haben Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommer, Thüringen und Bremen mit Werten zwischen 0,2 Prozent und 1,2 Prozent.

Die jüngsten Daten zur Arztzahlentwicklung nimmt Montgomery erneut zum Anlass, das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) zu kritisieren. Es sei „kein Ausweg aus der demografisch bedingten Versorgungsfalle, sondern eine Augenwischerei“.

Nach Angaben des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung arbeiteten niedergelassene Ärzte im Durchschnitt etwa 50 Stunden pro Woche. In den Krankenhäusern seien Wochenarbeitszeiten zwischen 60 und 80 Stunden keine Seltenheit.

Die jetzt vom Gesetzgeber beschlossene Ausweitung der Sprechstundenzeiten sei in Anbetracht dieser Zahlen „ein Affront gegen die vielen Kolleginnen und Kollegen, die jeden Tag am Limit arbeiten“, so Montgomery. Ein unverzüglicher Ausbau der Studienkapazitäten sei dringend nötig.

Wir haben den Beitrag aktualisiert am 29.03.2019 um 14:42 Uhr.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ärztemangel – was hilft?

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 03.04.201915:20 Uhr

Ärztemangel trotz ansteigender Arztzahlen in der ambulanten Versorgung offensichtlich

Der detailliert-kluge ÄZ-Artikel von Helmut Laschet bringt es an den Tag:

1990 ambulant tätige Ärzte/-innen: 92.289

2018 ambulant tätige Ärzte/-innen: 157.288

Das bedeutet in 29 Jahren (Startjahr 1990 zählt mit) einen jährlichen Zuwachs von 2.241 Humanmedizinern, was mit dem demografischen Faktor, medizinischem Fortschritt und gestiegenen Versorgungs-Qualitätsansprüchen zu erklären ist.

Vertraut man der Zahl von 39.816 angestellten Ärzten, davon immer mehr Frauen in Teilzeitbeschäftigung, relativiert sich dieser Zuwachs auf 157.288 registrierte ambulant tätige Ärzte/-innen erheblich.

Der versorgungsstatische Ärztemangel wird auch konkret und anschaulich:
Versuchen Sie einen kardiologischen, pneumologischen oder rheumatologischen Termin bei einem GKV-Vertragsarzt in Deutschland zu bekommen?

Oder betreten Sie auch ohne Termin eine volle Haus- und Familien-Arztpraxis mit den Worten: "Wie lange dauert das denn hier?" Meine MFA (med. Fachangestellte) weiß davon ein Lied zu singen.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Christin Berger 01.04.201914:20 Uhr

Ärztemangel?

Die Zahl der Ärzte ist in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich weiter gestiegen. Ich kann beim besten Willen keinen Ärztemangel ausmachen. Eine falsche Umverteilung der Ärzte in den verschiedenen Arztgruppen könnte es geben, aber da fehlen mir Statistiken zu.

Dr. Thomas Georg Schätzler 01.04.201913:46 Uhr

Hausärztliche Allgemeinmedizin bedeutet mehr als Praxistüren offenhalten!

Die Mindestzahl der Sprechstunden in vertragsärztlichen Vollzeit-Praxen für Kassenpatienten von 20 Stunden auf 25 Stunden pro Woche erhöhen zu wollen, ist zumindest im haus- und familienärztlichen Bereich (Allgemeinmedizin, hausärztliche Internisten, Pädiater, Gynäkologen) reine Fiktion: Insbesondere in aktuellen Zeiten von Influenza-Häufung und massenweisen Atemwegserkrankungen zusätzlich zur Basisversorgung bei allen Organ-, Psycho- und Systemkrankheiten endet mit der Sprechstunde nicht die Arbeit am Patienten.

Bei Inanspruchnahme von 20-25 Stunden offizieller "Kassen-Sprechstunde" ist regelmäßig von 25-30 Stunden Inanspruchnahme auszugehen.

Die oft aufgehetzte Kommunikation über ärztliche Arbeits-Aufgaben und -Zeiten in Politik, Medien, Öffentlichkeit und Sozialversicherungs-Bürokratie gipfelt z. B. in der Unterstellung, wer als niedergelassener Vertragsarzt für sich eine 50-Stunden-Woche reklamiert, solle doch gefälligst 5 mal 10 offene Sprechstunden anbieten können. Dieses Ansinnen kommt zumeist von Leuten, die nicht ein einziges Mal hinter den Anmeldetresen geschaut, Mitarbeiter/-innen oder Familienangehörige befragt oder bei ihrem "Hausarzt" hospitiert haben.

Bei 20-25 Wochen-Stunden reiner Sprechstunden-Zeit, mit Vorlauf und Nachlauf also 25-30h, kommen hinzu:

1. Fahrt-/Rüstzeiten/Logistik/Organisation/Bereitschaft 5h
2. EDV-Einrichtung, Verwaltung, Datenpflege, Dokumentation, Abrechnung 5h
3. Fort- und Weiterbildung, Fachliteratur, Recherchen 5h
4. Fahrtzeiten Haus-/Heim-/Palliativ-Besuche/Notdienste/Verweilen 5h
5. Medizin-ferne Anfragen/Gutachten/Bescheinigung/Bürokratie 5h

So kommt man bei einer reinen GKV-Sprechstunden-Zeit von 20 Stunden auf die empirisch bereits mehrfach belegte durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 45 Stunden plus weitere 10 Stunden für zusätzliche, rein privatärztliche Tätigkeit bei den in der ambulanten Krankenversorgung tätigen Vertragsärzten.

Von 20 auf 25 Wochenstunden zu erhöhen, entspricht einer Steigerung um 25 Prozent: Damit läge die GKV-Wochenarbeitszeit bei gut 55 Stunden plus 10 Stunden privatärztliche Tätigkeit.

Mf + kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund
(30-33 Wochenstunden reine Sprechzeit seit 1992)

Dr. Klaus Günterberg 01.04.201909:45 Uhr

Mehr Ärzte und dennoch Ärztemangel? Ja, dafür gibt es Urschen.

Die Anzahl der Ärzte ist weiter gestiegen - der Mangel auch. Dazu gäbe es viel zu sagen, hier nur einige Stichpunkte:

Medizinischer Fortschritt mit neuen ärztlichen Aufgaben: Bei Früherkennung, Diagnostik, Therapie und Nachsorge, im stationären wie auch im ambulanten Bereich.
Höhere Arbeitsbelastung der Ärzte: Kürzere Verweildauer in den Krankenhäusern, steigende Dokumentationsaufgaben
Ärztliche Arbeitszeit: Durch EU-Recht und steigenden Frauenanteil sogar gesunken. „Nicht Köpfe zählen, sondern Stunden“.
Zu- und Abwanderung von Ärzten: Jeder dritte hier ausgebildete Arzt verlässt Deutschland. Zugewanderte Ärzte brauchen aber nicht nur Kenntnisse der deutschen Sprache in Wort und Schrift sondern Kenntnisse unserer Arzneimittel, unseres Gesundheits- und Rechtssystems, die Beherrschung moderner Medizintechnik sowie EDV-Kenntnisse, sind häufig nicht für gleiche Aufgaben und in vergleichbarem Umfang einsetzbar.
Die sog. „leistungsbegrenzenden Maßnahmen“ im ambulanten Bereich gelten und wirken weiterhin kontraproduktiv.
Die Informatik hat der Medizin Fortschritt gebracht, hat aber Ärzte nicht ersetzt, hat dagegen zusätzliche ärztliche Arbeitsplätze geschaffen.
Die Ansprüche der Bevölkerung auf kürzere Wartezeiten, mehr Diagnostik und immer bessere Behandlung sind kontinuierlich gestiegen.

Einzelheiten zu diesen Stichpunkten sind publiziert: http://www.dr-guenterberg.de/content/publikationen/2009/10_aerztemangel-lang.pdf.

Auch wenn es neue Zahlen gibt – die Ursachen, die Umstände und die Schlussfolgerungen zum Ärztemangel sind unverändert.

Dr. Klaus Günterberg
Frauenarzt. Berlin.

Jörg Höchst 31.03.201923:03 Uhr

Arbeitszeit pro Woche niedergelassene Ärzte

Durchschnittlich 50 Std. Pro Woche.
Das würde heißen dass die Praxis an 5 Tagen jeweils 10 Stunden geöffnet wäre.
Die ganze Zeit wäre der niedergelassene Arzt anwesend.
Wohlgemerkt das soll der Durchschnitt sein. Oder verbringt der Arzt dann noch viele Stunden bei Hausbesuchen?
Währenddessen haben die von ihm angestellten Mediziner ein tolles Leben in Teilzeit.Denn von denen scheint es ja überproportional viele zu geben.
Nur der Chef oder die Chefin arbeitet sich den Rücken krumm.
Das scheint mir doch alles sehr paradox.
Wohlgemerkt rede ich hier nicht von den Klinikärzten.

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