Pflege
Fachkräftemangel wird zum Risiko für die Versorgung
Die Personalnot insbesondere im Pflegebereich wird zur größten Management-Herausforderung der Kliniken. Die Politik hat darauf eher geringen Einfluss, so die Analyse des Krankenhaus Rating Reports 2018.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Alterung der Gesellschaft stellt die Krankenhäuser vor eine doppelte Herausforderung: mehr alte und mehr kranke Menschen müssen (auch) stationär versorgt werden, zugleich sinkt das Arbeitskräftepotential der 20- bis 65-jährigen bis 2025 um vier Prozent, bis 2030 sogar um 9,3 Prozent.
Hingegen werden aber insgesamt rund 80 000 Vollzeitkräfte, darunter 30 000 im Pflegedienst und 22 000 im medizinisch-technischen Dienst, zusätzlich benötigt, so eine Prognose des am Donnerstag beim Hauptstadtkongress vorgestellten Krankenhaus Rating Reports 2018.
Der von dem Essener Gesundheitsökonomen Professor Boris Augurzky und einem Team des RWI, des Institute for Health Care Business und von Deloitte erarbeitete Report basiert auf Erhebungen in über 860 Kliniken.
Arbeitskräftemangel ist inzwischen manifest – ein Gegensteuern ist bislang nicht gelungen. So ist die Dauer der Vakanzen bei Nachbesetzung von Stellen seit 2010 von 57 auf 102 Tage gestiegen, fast eine Verdoppelung.
In der Krankenpflege ist die Dauer der Vakanz mit 151 Tagen – das sind fünf Monate – besonders hoch, nur noch getoppt von der Altenpflege (Fachkräfte) von 171 Tagen. Gelingt es nicht, zukünftig mehr Arbeitspotenzial – etwa durch Wechsel von Teilzeit auf Vollzeit oder durch Höherqualifikation – zu mobilisieren, wird die Arbeitsverdichtung weiter wachsen.
Handlungsoptionen, die die Autoren aufzeigen, zeigen beschränkten Einfluss der Politik. Mindestens ebenso wichtig sind dezentrale von den jeweiligen Klinik-Managern einzuleitende Struktur-und Prozessveränderungen. Vorgeschlagen werden:
»Ausweitung des Arbeitsangebots: eine Ausbildungsoffensive, qualifizierte Zuwanderung, Reduktion der Teilzeitquote, höhere Verweildauer im Beruf, Bürokratieabbau. Teile davon sind politisch beeinflussbar.
»Entlohnung: Empfohlen werden attraktivere Gehälter, vor allem aber eine stärkere Lohnspreizung, die es erlaubt, die Übernahme von mehr Verantwortung besser zu vergüten. Der aktuelle Tarifabschluss für den öffentlichen Dienst steht dem diametral entgegen: Qualifizierte Pflegekräfte der höheren Gehaltsgruppen erhalten in den nächsten drei Jahren Zuschläge zwischen 2,5 und gut drei Prozent, in den unteren Lohngruppen liegt der Zuwachs bei dreimal 7,4 Prozent.
»Neue Berufsbilder und Karrierewege: Akademisierung oder die Schaffung neuer Berufe wie Arztassistent und Clinical nurse können das Berufsbild attraktiver machen.
»Reduktion der Arbeitsnachfrage: Optionen sind arbeitssparende Innovationen, Digitalisierung, Robotikassistenz und Telemedizin. Sie können Arbeitsprozesse verschlanken und beschleunigen, Pflege und Ärzte entlasten und damit die Arbeitsproduktivität steigern.
Voraussetzung dafür ist aber eine bessere Investitionskultur, insbesondere auch der öffentlichen Hand. Seit Jahren leisten die Bundesländer weniger als die Hälfte der notwendigen Investitionsförderung.
Unbedingt plädieren die Autoren dafür, die Reallokation der Arbeitsressourcen dezentral dem Klinik-Management zu überantworten – begleitet von mehr Qualitätstransparenz, gegebenenfalls in Verbindung mit qualitätsabhängiger Vergütung. Eine zentrale Rolle soll dabei das Institut für Qualität und Transparenz spielen.
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