Hauptstadtkongress 2021

Klimawandel ist zentrale ärztliche Aufgabe geworden

Ärzte üben sich auf dem Hauptstadtkongress in Selbstkritik: Zu lange wurde in Klinik und Praxis zu wenig für den Klimaschutz getan. Jetzt gilt es aufzuholen bei Ausbildung und Ressourceneinsatz.

Christoph BarkewitzVon Christoph Barkewitz Veröffentlicht:
Einmalprodukte en masse: Wie lässt sich Abfall in Kliniken reduzieren? Auch darüber wurde beim Hauptstadtkongress diskutiert.

Einmalprodukte en masse: Wie lässt sich Abfall in Kliniken reduzieren? Auch darüber wurde beim Hauptstadtkongress diskutiert.

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Berlin. An Selbstkritik mangelte es den anwesenden Medizinern nicht: „Obwohl wir seit 15 Jahren über die Gefahren wissen, spielte der Klimawandel in der Ärzteschaft keine große Rolle“, räumte Dr. Martin Hermann, Vorsitzender der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) ein. Bis vor zwei Jahren habe der Gesundheitssektor geschlafen, „wir haben großen Nachholbedarf“, befand er bei der Veranstaltung „Klima und Gesundheit: Macht der Klimawandel krank?“ am Donnerstag beim Hauptstadtkongress 2021.

Dies bestätigte auch Dr. Peter Bobbert, Präsident der Ärztekammer Berlin. Während zuvor die Frage gelautet habe, ob der Klimawandel überhaupt eine bedeutende Rolle für die Ärzteschaft spiele, sei das Thema seit 2019 mit der Kundgebung vor dem Ärztetag in Münster im Großteil der Ärzteschaft angekommen. Mit der Aufnahme in die (Muster-)Weiterbildungsordnung auf dem jüngsten, coronabedingt verkürzt und digital erfolgten Ärztetag, sei der Klimawandel „damit eine ärztliche Aufgabe“ geworden.

Klimaschutz als Attraktivitätsvorteil für Kliniken

Um dies umzusetzen, hält die stellvertretende KLUG-Vorsitzende Sylvia Hartmann nicht nur die Zusammenarbeit über Generationen hinweg für erforderlich, sondern es bräuchte auch innerhalb der Ärzteschaft transdisziplinäre Betrachtungen und Lösungen. Neue Mediziner-Generationen forderten die Beschäftigung mit Klimaschutz bei künftigen Arbeitgebern ein, sagte die junge Ärztin: Die Frage müsse also lauten: Wie mache ich mich als Krankenhaus für den Nachwuchs interessant.

101

Einweg-Kunststoffteile werden für eine typsche Operation zur Entfernung der Adenoide und Tonsillen verwendet.

Da mögen die Initiativen helfen, die Annegret Dickhoff, Projektleiterin für Klimaschutz im Gesundheitswesen beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland, vorstellte. Da gebe es zum einen das BUND-Gütesiegel „Energie sparendes Krankenhaus“, das vornehmlich auf die Senkung des Primärenergieverbrauchs in den Kliniken abzielt.

Dickhoff verwies zudem auf das Projekt KLIK green (Krankenhaus trifft Klimaschutz), bei dem bundesweit 250 beteiligte Krankenhäuser und Reha-Kliniken mindestens 100.000 Tonnen CO2-Äquivalente innerhalb der Projektlaufzeit vermeiden sollen. Dabei sollen vor allem Fachkräfte zu „Klimamanagern“ qualifiziert werden. Es gebe durchaus immer mehr Nachhaltigkeitsbeauftragte an deutschen Krankenhäusern, stellte Dickhoff fest, allerdings dürften diese den Job keinesfalls ehrenamtlich erfüllen, sondern hauptamtlich.

In kleinen Schritten anfangen

Die Verantwortung des Gesundheitswesens für den Klimaschutz belegte Professor Eckhard Weidner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen, mit Zahlen: Der Gesundheitssektor sei für 4,6 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Oder ein konkreteres, kleinteiligeres Beispiel: Für eine typsche Operation zur Entfernung der Adenoide und Tonsillen bedürfe es 101 Einweg-Kunststoffteilen in einem Krankenhaus.

Weidner wies deshalb auf die Vorteile einer „Circular Economy“ im Gesundheitswesen am Beispiel medizinisch wiederaufbereiter Katheter hin: Diese erwiesen sich in 13 von 16 Umweltkategorien als vorteilhafter gegenüber Neuprodukten.

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