Antikorruptionsgesetz

Kooperation nicht per se kriminalisieren!

Mit dem Antikorruptionsgesetz fällt längst nicht jede Kooperation unter Generalverdacht. Wo sich gerade für junge Mediziner nach wie vor Chancen in der Zusammenarbeit mit Kliniken, Kassen und Co auftun – und wo besser Vorsicht geboten ist – erklärt Medizinjuristin Beate Bahner, Referentin auf dem "Chances Forum für junge Mediziner".

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Das Nachfolgemodell „normale Gemeinschaftspraxis“ hat das Antikorruptionsgesetz nicht zu fürchten.

Das Nachfolgemodell „normale Gemeinschaftspraxis“ hat das Antikorruptionsgesetz nicht zu fürchten.

© Andrey Popov/fotolia.com

Ärzte Zeitung: Das Antikorruptionsgesetz sorgt derzeit für viel Verunsicherung, nicht nur bei gestandenen Medizinern. Was raten Sie jungen Ärzten, die über eine Kooperation – etwa in Gemeinschafts- oder auch nur Teilgemeinschaftspraxis – in die Niederlassung einsteigen wollen? Worauf ist gerade in Sachen Gewinnbeteiligung zu achten?

Beate Bahner: Das neue Antikorruptionsgesetz mit den beiden Regelungen der Paragrafen 299a, 299b Strafgesetzbuch (StGB) hat drei konkrete Handlungsvarianten, die erfüllt sein müssen, damit eine Strafbarkeit überhaupt in Betracht kommt. Bei Kooperationen kommt zwar unter Umständen die dritte Handlungsvariante: "Vorteilsannahme und unlautere Bevorzugung bei der Zuführung von Patienten oder Untersuchungsmaterial" in Betracht. Die normale Gemeinschaftspraxis hat das Antikorruptionsgesetz jedoch nicht zu fürchten. Denn selbst eine "unfaire Gewinnverteilung" stellt keine "Zuweisung gegen Entgelt" dar. Eine normale Gemeinschaftspraxis ist somit grundsätzlich auch weiterhin zulässig.

Im Rahmen der Gewinnverteilung und der Ausarbeitung des Gesellschaftsvertrages ist hier lediglich darauf zu achten, dass neue junge Partner nicht als "Scheinselbstständige" eingestuft werden. Dies hätte nicht nur die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen zur Folge, sondern löst möglicherweise auch Honorarrückforderungen durch die KV aus.

Im Hinblick auf die Teilgemeinschaftspraxis sieht es etwas anders aus: Die Teilgemeinschaftspraxis braucht nicht nur einen triftigen medizinischen Grund – etwa die gemeinsame Behandlung von Diabetespatienten. Bei einer Teil-Gemeinschaftspraxis ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts streng darauf zu achten, dass jeder beteiligte Arzt im Gesamtergebnis nur in dem Verhältnis am Gewinn beteiligt ist, in welchem der Wert der eigenen ärztlichen Leistungen zum Wert der Gesamtleistungen steht. Hierdurch soll der Verdacht der "Zuweisung gegen Entgelt" vermieden werden. Das Bundessozialgericht hatte dies beispielsweise für eine Teil-BAG zwischen operierenden und nichtoperierenden Augenärzten entschieden. Der nichtoperierende Augenarzt darf folglich nicht am Gewinn der Honorare des Operateurs beteiligt sein. Ähnlich hat dies auch der Bundesgerichtshof gesehen.

Und wie sieht es mit der Schnittstelle ambulant-stationär aus? Wie weit dürfen Kooperationen mit Kliniken gehen?

Kooperationen zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten sind sowohl berufsrechtlich als auch nach SGB V ausdrücklich zulässig. Im Hinblick auf das neue Antikorruptionsgesetz geht es allerdings darum, den Verdacht einer Kooperation zum Zwecke "Zuweisung gegen Entgelt" zu vermeiden. Es ist hierfür eine mehrstufige Prüfung erforderlich:

1. Ist die Kooperation gesetzlich überhaupt zulässig?

2. Sind bei der Kooperation auch gesetzliche Krankenkassen beteiligt? Dann besteht in rechtlicher Hinsicht sehr viel Gestaltungsfreiheit, auch im Hinblick auf die Vergütung der teilnehmenden Honorarärzte.

3. Sind Krankenkassen bei Kooperationsverträgen nicht beteiligt, braucht es indessen einen nachvollziehbaren Grund für die Kooperation. Dieser kann beispielsweise durch Schwierigkeiten bei der Besetzung einer Arztstelle – durch Krankheit oder Urlaub –, durch Belegungsschwankungen oder durch Einführung neuer medizinischer Verfahren begründet werden. Auch die Kooperation mit einem ausgewiesenen Experten, beispielsweise bei seltenen Operationsmethoden, wäre ein triftiger Grund.

4. Solche Experten dürfen selbstverständlich auch entsprechend gut honoriert werden. Es wäre ein gravierender Eingriff in die Vertrags- und Berufsfreiheit, wenn trotz Vorliegens eines nachvollziehbaren Grunds der externe Honorararzt sich mit einer "kleinen Vergütung" abspeisen lassen müsste, nur um jedweden Korruptionsverdacht zu vermeiden.

Anders sieht dies jedoch dann aus, wenn für die Kooperation kein nach-vollziehbarer Grund offensichtlich ist. Eine Klinik, in der beispielsweise ausreichend eigene Operateure vorhanden sind, setzt sich durchaus dem Verdacht einer Zuweisung gegen Entgelt aus, wenn sie darüber hinaus Kooperationsverträge mit externen niedergelassenen Fachärzten schließt. Dies gilt erst recht dann, wenn die Vergütung des externen Arztes als "nicht adäquat" anzusehen ist.

Hier kommt ein Vergleich mit der Anstellungsvergütung der in der Klinik tätigen Facharztkollegen in Betracht. Möglich wäre auch ein Vergleich mit der belegärztlichen Vergütung oder unter Umständen ein Vergleich mit der Abrechnung nach GOÄ unter Berücksichtigung des 25-Prozent-Abschlags, gemäß Paragraf 6a Abs. 1 GOÄ.

Entspricht die Vergütung des Honorararztes in etwa diesen Leistungen – wobei ein Zuschlag von 20 bis 30 Prozent – hier durchaus noch im Rahmen und angemessen sein dürfte, ist eine Zuweisung gegen Entgelt nur schwer konstruierbar.

Ist eine Tätigkeit als Honorararzt unter dem neuen gesetzlichen Rahmen überhaupt noch empfehlenswert?

Eine Tätigkeit als Honorararzt ist wie gesagt nicht unzulässig. Es kommt hier jedoch auf die rechtliche Ausgestaltung, den tatsächlichen Grund und die Höhe der Vergütung des Honorararztes an.

Gerade in ländlichen Regionen versucht man, junge Ärzte oft auch mit günstigen Praxisräumen oder Finanzierungskonzepten zu ködern. Und ihnen eine Praxis in Gesundheitszentren anzubieten. Wer darf hier als Geldgeber bzw. Förderer mit von der Partie sein, damit kein Korruptionsverdacht entsteht?

Günstige Praxisräume und attraktive Finanzierungskonzepte können zunächst selbstverständlich seitens der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkassen aber auch seitens der Gemeinden und Städte angeboten werden. Dies ist auch gang und gäbe, um im ländlichen Raum die ärztliche und fachärztliche Versorgung sicherzustellen.

Kritisch sind solche Angebote dann, wenn der Geldgeber und Förderer zugleich selbst ein Facharzt, eine Apotheke, ein Pharmaunternehmen oder ein Medizinproduktehersteller ist und die vergünstigten Konditionen in vertraglich engem Zusammenhang stehen mit dem Bezug entsprechender Produkte oder der Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial. Dann wäre die Tatbestandsvoraussetzung des Paragrafen 299a StGB und eine damit verbundene "unlautere Bevorzugung im Wettbewerb" erfüllt.

Was passiert, wenn im selben Gesundheitszentrum oder Ärztehaus Apotheke, Physiotherapeut oder Sanitätshaus ansässig sind: Worauf sollten junge Ärzte bei Kooperationen mit Partnern im selben Haus unbedingt achten? Und hat sich hier die Rechtslage durch das Antikorruptionsgesetz überhaupt verschärft?

Kooperationen zwischen Ärzten und Sanitätshäusern sind absolut heikel und kritisch. Zum einen ist das Depotverbot des Paragrafen 128 SGB V zu beachten. Zum anderen gibt es eine erhöhte Sensibilität auch der Krankenkassen, falls Patienten die Hilfsmittel ausschließlich oder überwiegend von einem Sanitätshaus beziehen, obwohl es mehrere Anbieter in Ortsnähe gibt.

Absolut verboten und strafrechtlich höchst kritisch ist eine Gewinnbeteiligung der Ärzte oder die Entgegennahme sonstiger Provisionen in Form von Boni und Kickbacks, die vom Physiotherapeuten, vom Sanitätshaus oder der Apotheke an Ärzte bezahlt werden. Dies wäre eine klassische Begehungsvariante des neuen Paragrafen 299a StGB und birgt enorme strafrechtliche Risiken.

Ärzte sollten auch in Gesundheitszentren keinerlei Kooperationen mit den ebenfalls ansässigen weiteren Gesundheitseinrichtungen schließen. Hier ist einerseits die freie Wahl der Ärzte, Heil- und Hilfsmittelerbringer durch die Patienten zu beachten und andererseits das neue Antikorruptionsgesetz, welches hier definitiv Anwendung finden würde.

Wo könnten die Ärztekammern über das Berufsrecht für mehr Klarheit sorgen?

Ärztekammern könnten insbesondere durch die Einrichtung sogenannter Clearingstellen potenzielle Fragen schnell und zügig beantworten. Einige Ärztekammern haben solche Clearingstellen auch eingerichtet, die meisten Ärztekammern verweisen jedoch auch weiterhin auf die anwaltliche Beratung und halten sich selbst mit eigenen juristischen Aussagen zurück.

Ist denn generell zu viel Angst bei den Medizinern im Spiel?

Es ist tatsächlich festzustellen, dass das Antikorruptionsgesetz derzeit hohe Wellen schlägt und zu einer großen Verunsicherung führt. Darüber hinaus gibt es einige Staatsanwälte, die in höchst scharfer Art und Weise ihre persönlichen Rechtsmeinungen vertreten, die allerdings von den entsprechenden Gerichten keinesfalls zwingend geteilt werden müssen. Ich selbst hoffe, dass bald ein gesundes Mittelmaß gefunden wird, um die Verunsicherung nicht noch zu verstärken.

Es ist zwar definitiv zutreffend, dass über Jahre und Jahrzehnte viele Ärzte von sogenannten "Fremdleistungen" – also Leistungen der Sanitätshäuser, Fachkollegen, Kliniken oder der Industrie – profitiert haben. Diese Praktiken sind ab sofort strafbar, sofern nicht ausnahmsweise zulässige Kooperationen vorliegen. Andererseits gibt es freilich Kooperationen, Verbünde und Praxisnetze ebenso wie Anwendungsbeobachtungen und Studien, die zulässig, sinnvoll und im Interesse der Patienten sind.

Es wäre vollkommen kontraproduktiv, solche Konstellationen vorschnell zu kriminalisieren. Ich habe daher mit vier weiteren Kollegen in Bezug auf die Angemessenheit der Vergütung von Honorarärzten die sogenannte "Würzburger Erklärung" vom 8. August 2016 verfasst, um den Verfolgungsbehörden nicht allein das Spielfeld für Interpretationen einer angemessenen Vergütung zu überlassen, sondern die große Bandbreite des Beurteilungsspielraums aus anwaltlicher Sicht aufzuzeigen.

Beate Bahner

Seit 1995 ist Beate Bahner als Rechtsanwältin tätig, zunächst im Vertrags-, Bau- und Wirtschaftsrecht sowie im Familienrecht, seit 1999 als Spezialistin für Arzt-, Medizin- und Gesundheitsrecht.

1999 gründete sie auch ihre Kanzlei in Heidelberg.

Seit 2001 ist sie wissenschaftliche Autorin beim Springer Verlag Heidelberg, der wie die "Ärzte Zeitung" zur Verlagsgruppe Springer Nature gehört. Dort hat sie bislang vier juristische Standardwerke veröffentlicht (unter anderem "Recht im Bereitschaftsdienst" und "Das neue Werberecht für Ärzte").

Gerade neu erschienen ist der Titel "Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen – Das Praxishandbuch zum Thema" im MedizinRechtVerlagHeidelberg, ISBN 978-3-00-051824-9

www.beatebahner.de

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