Deutscher Krebskongress eröffnet
Lauterbach will Präventionsinstitut
Vier von zehn Krebserkrankungen seien unter optimalen Bedingungen vermeidbar, betont Karl Lauterbach bei der Eröffnung des Deutschen Krebskongresses. Der Bundesgesundheitsminister kündigt an, sich für ein Präventionsinstitut einzusetzen. Sehr konkret sind zudem seine Pläne für die gematik.
Veröffentlicht:Berlin. Eine Fortschreibung des Nationalen Krebsplans, die Überführung der gematik in eine Bundesagentur und eine stärkere Umsetzung von Präventionsmaßnahmen gegen Krebs hat Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) zu Beginn des 35. Deutschen Krebskongresses in Berlin angekündigt.
Vor den Teilnehmern der viertägigen Veranstaltung auf dem Messegelände unter dem Berliner Funkturm verwies Lauterbach darauf, dass 40 Prozent der Krebserkrankungen unter optimalen Bedingungen vermeidbar seien.
Gleichzeitig gebe es eine Überlagerung von Risikofaktoren auch mit anderen Zivilisationskrankheiten: Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsmangel, falsche Ernährung und Übergewicht seien nicht nur Risikofaktoren für Krebs, sondern auch für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, für Diabetes und Alzheimer. „Wir heben dieses Potenzial so wenig“, bedauerte der Minister.
Würden Menschen strikt mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen und sich verstärkt vegan ernähren, würde sich auch die Verbreitung dieser Krankheiten reduzieren. Zudem wäre dem Klimawandel geholfen, sagte der Minister, der selbst auf Fleischkonsum verzichtet.
Politisch wolle er sich deswegen für ein Präventionsinstitut und die Schaffung eines „längst überfälligen“ Bundesinstituts für öffentliche Gesundheit einsetzen. Allerdings käme die Generation der Babyboomer jetzt in einen Lebensabschnitt, wo sie so lange mit den Risikofaktoren gelebt hätten, dass Krebserkrankungen fast sicher seien.
gematik soll Bundesagentur werden
Lauterbach betonte zudem die Rolle der Digitalisierung. Für die Versorgungsforschung sei das Erfassen von Patientendaten von großer Bedeutung. In Deutschand sei man aber mit der Einführung der elektronischen Patientenakte seit 20 Jahren nicht vorangekommen.
„Die gematik werden wir deswegen in eine Bundesagentur überführen“, sagte Lauterbach. „Wenn die Politik will, dass Veränderungen greifen, muss die Politik dafür auch Verantwortung übernehmen.“
Es brauche ein Bundesinstitut für die Einführung der elektronischen Patientenakte, sowie eine „Opt-Out-Regel“ bei deren Einführung. „Wenn ich die elektronische Patientenakte will, muss der Datenschutz auch etwas Maß halten“, sagte Lauterbach. „Zum Teil konstruierte Extrembeispiele“ düften nicht dazu führen, dass am Ende das ganze System nicht mehr brauchbar sei.
An die Kongressteilnehmer appellierte er, in den nächsten Wochen ihre Stimme hören zu lassen. „Ohne Sie wird das nicht gehen“, sagte Lauterbach. „Patientenschutz und Datenschutz müssen am Ende Hand in Hand gehen.“
Abrechnungsdaten sollen für Forschung bereitstehen
Schließlich sprach sich der Minister für eine Neuausrichtung des 2008 entstandenen nationalen Krebsplans aus. Der Plan sei eine Erfolgsgeschichte: „In dieser Art gibt es das für keine zweite Krankheit“, betonte Lauterbach. Künftig wolle man aber auf einer besseren Datenbasis aufbauen und die Politik nach vorn bringen können.
So sollten perspektivisch die Daten der Krebsregister mit den Abrechnungsdaten der Krankenkassen zusammengeführt werden. „Wir wollen für alle Bürger eine hochwertige, leitliniengerechte, evidenzbasierte Versorgung“, sagte Lauterbach. „Darauf hat jeder Bürger einen Anspruch.“ Dies müsse für alle Bürger gelten, die von einer Krebserkrankung betroffen sind –- „was auch immer ihr wirtschaftlicher, kultureller oder Krankenkassenhintergrund ist.“
Kongresspräsident Professor Michael Ghadimi, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Kinderchirurgie der Universitätsmedizin Göttingen, erinnerte daran, dass die Versorgung onkologischer Patienten in der Corona-Pandemie nur schwer zu realisieren gewesen sei. Analysen zeigten klare Defizite in der Diagnostik, der operativen Therapie und der Nachsorge auf dem Boden von Ängsten in der Bevölkerung und dem Ressourcenmangel. „Allen onkologischen Ärzten, Pflegekräften und allen Engagierten kann man nur danken, dass wir funktioniert haben“, sagte Ghadimi.
Ruf nach Spitzenforschungsinstitut
Der Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft, Professor Thomas Seufferlein, hob in seinem Grußwort zur Eröffnung des Kongresses die Bedeutung der Versorgungsforschung hervor. „Versorgungsforschung ist nicht die Forschung, die die Menschen machen, die für die Naßlaborforschung oder die klinische Forschung nicht geeignet sind“, sagte Seufferlein. „Versorgungsforschung ist heute Spitzenforschung.“
Es wäre wünschenswert, gäbe es auch ein entsprechendes Spitzenforschungsinstitut in Deutschland.