Einfluss von Bakterien & Co
Mikrobiom und Krebs – viel Hoffnung, noch mehr Fragezeichen
Im Darm ist mikrobiell einiges los, das ist bekannt. Aber hat das Mikrobiom Einfluss auf die Krebsentstehung? Lässt es sich therapeutisch nutzen? Die Antwort beim Deutschen Krebskongress ist ein kräftiges Vielleicht.
Veröffentlicht:Berlin. Diversität ist quasi im Darm erfunden worden: Während der Mensch sein Leben mit rund 23.000 Genen bestreiten muss, kommen die 200 bis 250 verschiedenen Darmbakterien zusammen auf über eine Million Gene – Viren und Eukaryoten noch gar nicht mitgerechnet.
„Das Charakteristikum des Darm-Mikrobioms beim Menschen ist, dass es extrem starke Unterschiede zwischen gesunden Individuen gibt“, sagte Prof. Dr. Georg Zeller von der Medizinischen Mikrobiologie am Universitätsklinikum in Leiden.
Dass das wiederum Einfluss auf Krebserkrankungen nehmen könnte, ist zumindest ein naheliegender Gedanke. Doch wie sieht es mit den Fakten aus? Zeller diskutierte am Mittwoch beim Deutschen Krebskongress in Berlin, ob und wie sich das Mikrobiom beim Krebs diagnostisch oder therapeutisch nutzen lassen könnte – und ob es bei der Entstehung von Krebs vielleicht sogar eine kausale Rolle spielen könnte.
Diagnostischer Einsatz noch nicht etabliert
Diagnostisch könnte das Darm-Mikrobiom deswegen interessant sein, weil es Hinweise gibt, dass unter anderem Enterobakterien und Fusobakterien bei Tumorerkrankungen angereichert werden. Es gibt gewissermaßen krebsverdächtige „Mikrobiom-Signaturen“. Mit denen lassen sich dann Screening-Algorithmen darauf trainieren, anhand des Stuhls Krebspatienten von Menschen ohne Tumorerkrankung zu unterscheiden.
Zeller selbst konnte beim kolorektalen Karzinom zeigen, dass das prinzipiell gehen kann: „Die Genauigkeit liegt in der Nähe des immunologischen Stuhltests“, so der Experte. „Man muss aber klar sagen, dass andere Verfahren noch deutlich genauer sind. Derzeit ist das kein etabliertes diagnostisches Verfahren.“
Stuhltransplantation für besseres Therapieansprechen
Auf therapeutischer Seite lohnt der Blick in Richtung Mikrobiom deswegen, weil es Einfluss nehmen kann auf die Effektivität bzw. die Toxizität einer Krebstherapie. Das sei mittlerweile in einigen Bereichen recht gut etabliert, so Zeller. So konnte beispielsweise für das Pankreaskarzinom gezeigt werden, dass Mikroben, die sich im Tumor selbst ansiedeln, bei einigen Patienten Gemcitabin metabolisieren. Das trägt dann zu einer Resistenz gegen die Chemotherapie bei.
Das Darm-Mikrobiom scheint auch Einfluss auf die Wirksamkeit von Immuntherapien nehmen zu können: „Das gilt nicht nur für die PD-1-Blockade, sondern auch für CAR-T-Zellen“, betonte Zeller.
Gezeigt werden konnte das an Mikrobiom-freien Tiermodellen: Transplantierte man diesen Mäusen den Stuhl von Immuntherapie-Respondern und -Nonrespondern, dann zeigten auch die Mäuse ein entsprechendes Response-Verhalten. „Wir verstehen allerdings noch nicht wirklich, welche Bestandteile des Mikrobioms dafür verantwortlich sind“, so Zeller.
Erste Versuche, die Erkenntnisse therapeutisch zu nutzen, gab es trotzdem schon: In einer Phase I-Studie ließ sich bei Non-Responder-Patientinnen und -Patienten das Therapieansprechen verbessern, wenn Stuhl von bekannten Respondern transplantiert wurde.
Können Mikroben-Toxine Krebs erzeugen?
Kann das Mikrobiom selbst ursächlich zur Krebsentstehung beitragen? „Auch hier sind wir weit davon entfernt, ein systematisches Verständnis zu haben“, sagte Zeller. Aber die Daten akkumulieren.
So proliferieren die schon erwähnten Fusobakterien unter anderem in Lebermetastasen. Und bei Tumoren mit hohem Gehalt an Fusobakterien ist das krebsbezogene Überleben schlechter.
Ein Beweis für Kausalität ist das allerdings noch nicht. Direkt karzinogene Wirkungen scheint dagegen Colibactin zu haben, ein bakterielles Toxin. Es verursacht in Wirtszellen ein charakteristisches Set an Mutationen, die man bei 5-10 Prozent aller Darmkrebspatienten findet, vor allem im metastasierten Stadium. Ob diese Erkenntnis irgendwann klinische Relevanz bekommen wird? Offen.