Innovative Krebsbehandlung
CAR-T-Zell-Therapie ist in Deutschland angekommen
Deutschland hat ein flächendeckendes Angebot der potenziell kurativen CAR-T-Zell-Therapie aufgebaut. Es ist absehbar, dass sich diese innovative Therapie bald nicht mehr nur auf alternativlose Situationen bei bestimmten B-Zell-Lymphomen beschränken wird.
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T-Zellen attackieren eine Krebszelle.
© Meletios Verras / Getty Images / iStock
Berlin. Bis Februar 2020 haben sich 27 onkologische Zentren in Deutschland nach den Kriterien der DGHO für die Durchführung der CAR-T-Zell-Therapien zertifizieren lassen, berichtete Professor Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO, beim 34. Deutschen Krebskongress in Berlin. Hohe Qualitätsstandards durch eine entsprechende Qualifizierung zu gewährleisten war bei einer Therapie mit potenziell sehr hoher Wirksamkeit, aber auch einem besonderen Nebenwirkungspotenzial und extrem hohen Kosten besonders wichtig.
Zugelassen sind bislang die gegen das Antigen CD19 gerichteten CAR-T-Zell-Produkte Tisagenlecleucel (Kymriah®) und Axicabtagene Ciloleucel (Axicel, Yescarta®).
Einsatz beim DLBCL: Früher ist besser
Beide Produkte sind zur Therapie bei rezidivierten diffusen großzelligen B-Zell-Lymphomen (DLBCL) zugelassen. Mit Immun-Chemotherapien (R-CHOP oder R-CHOEP) können heute zwar zwischen 60 und 90 Prozent der Patienten mit diesen aggressiven Lymphomen geheilt werden; Rezidive seien aber schwieriger zu behandeln als in der Prä-Rituximab-Ära, betonte Privatdozent Dr. Bastian von Tresckow vom Centrum für integrierte Onkologie der Uniklinik Köln.
Mit beiden CD19-CAR-T-Zell-Therapien erreichten in den Zulassungsstudien jeweils etwa 40 Prozent der Patienten in dieser schwierigen Situation Komplettremissionen – deutlich mehr als mit einer Rezidivchemotherapie, wo die CR-Rate in einer Studie mit ähnlichen Patientenkollektiven gerade einmal bei 7 Prozent lag. Etwa 40 Prozent aller behandelten Patienten blieben über mehr als zwei Jahre ohne Progress. Von Tresckow geht davon, dass ein relevanter Anteil dieser Patienten langfristig als geheilt gelten kann.
Registerdaten bestätigen die Effektivität
Erste Registerdaten aus den USA konnten diese Effektivität der CD19-gerichteten CAR-T-Zell-Therapie des DLBCL im klinischen Alltag bestätigen. Die Toxizität der Therapie – vor allem Zytokinfreisetzungssyndrom (CRS) und Neurotoxizität – ist bei entsprechender Erfahrung danach beherrschbar und eher etwas geringer als in den Zulassungsstudien.
Nun soll die CAR-T-Zell-Therapie beim DLBCL in frühere Therapielinien integriert werden, denn die Funktion der T-Zellen wird mit jeder Therapielinie schlechter, erläuterte von Tresckow. Mehrere randomisiert-kontrollierten Phase-III-Studien mit Patienten mit DLBCL im ersten Rezidiv laufen.
ALL: Mehrere neue Optionen konkurrieren
Bei Rezidiven der pädiatrischen akuten lymphatischen Leukämie (ALL) gibt es gleich drei neuere Therapieoptionen: der noch nicht zugelassene CD22-Antikörper Inotuzumab, das gegen die Antigene CD3 und CD19 gerichtete bispezifische Antikörperkonstrukt Blinatumomab und Tisagenlecleucel. Nur die CAR-T-Zell-Therapie verspricht hier aber eine Option, die auf lange Sicht ohne weitere Therapie eine Heilung ermöglichen kann, wie Professor Claudia Roessig, pädiatrische Hämatoonkologin an der Universitätsklinik Münster, in Berlin erklärte.
Auch hier liegen inzwischen erste Registerdaten aus den USA vor, die eine ähnliche Ansprechrate der pädiatrischen ALL im klinischen Alltag wie in der Zulassungsstudie belegt. Das Plateau des progressionsfreien Überlebens scheine zwar etwas niedriger zu sein, sagte Roessig in Berlin, etwa 40 Prozent der Patienten blieben aber auch hier längerfristig ohne Progress, ein Großteil ohne anschließende Stammzelltransplantation.
Auch bei der pädiatrischen ALL wäre ein früherer Einsatz wünschenswert. Da fast alle Rezidive auf die CD19-gerichtete CAR-T-Zell-Therapie CD19-negativ sind, sollte die CAR-T-Zell-Therapie dafür allerdings optimiert werden, so Roessig. So könnten Tandem-CAR-T-Zellen mit gleichzeitiger CD19- und CD22-Spezifität den Druck auf das CD19-Antigen abschwächen und so die Häufigkeit von CD19-negativen Rezidiven verringern.
CD19-CARs sind erst der Anfang
Die CAR-T-Zell-Therapie wird nicht mehr lange auf CD19-gerichtete Produkte beschränkt bleiben. Professor Michael Schmitt, Leiter der Arbeitsgruppe zelluläre Immuntherapie des Universitätsklinikums Heidelberg, ist davon überzeugt, dass bis zum Jahresende 2020 eine erste auf das Myelom-Antigen BMCA gerichtet CAR-T-Zell-Therapie auf den Markt kommen wird. Weitere Zielstrukturen, für die sich CARTs in der Entwicklung befinden, sind CD33, CD123, FLT3 oder SLAMf7. Auch für solide Tumoren sind Therapien in der Entwicklung, zum Beispiel ROR1-CARs beim Bronchial- oder Mammakarzinom.
Daneben gibt es eine Vielzahl von Fragestellungen zur Optimierung der CAR-T-Zell-Therapie von der optimalen Konditionierung und Lymphodepletion über eine verbesserte T-Zell-Kultur und die Entwicklung anderer Genvektoren bis hin zu modifizierten CAR-Konstrukten. Zudem werden in Studien an mehreren Standorten in Deutschland Geräte eingesetzt, die eine CAR-T-Zell-Herstellung vor Ort ermöglichen. So sollen lange Transporte vermieden und die mehrwöchige Zeit für die Herstellung, die einige Patienten mit aggressiver Erkrankung nicht überleben würden, verkürzt werden. Zudem werden so akademisch initiierte Studien finanziell durchführbar, ergänzte Roessig.