Corona-Splitter der KW 27/2021

Delta-Variante: Ohne zweite Impf-Dosis wohl deutlich eingeschränkter Schutz

Gegen die Delta-Variante scheint eine einzelne Impf-Dosis nicht viel ausrichten zu können, die zweite dagegen schon. Und: Unter manch einer Krebstherapie wird die Impfung unwirksam.

Anne BäurleVon Anne Bäurle und Wolfgang GeisselWolfgang Geissel und Marco MrusekMarco Mrusek Veröffentlicht: | aktualisiert:
Nur eine vollständige Impfung mit einer 2. Impfdosis bietet wohl auch Schutz gegen die Delta-Variante.

Nur eine vollständige Impfung mit einer 2. Impfdosis bietet wohl auch Schutz gegen die Delta-Variante.

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Update vom 9. Juli

Die zweite Impf-Dosis ist wohl unbedingt notwendig – vor allem im Hinblick auf die Delta-Variante. Das bekräftigen jetzt Studienergebnisse von Forschenden um Olivier Schwartz vom Institut Pasteur in Paris. So waren in ihren Untersuchungen die nach einer Einzeldosis von BioNTech / Pifzer und AstraZeneca gebildeten Antikörper kaum in der Lage, an die Delta-Variante zu binden und sie zu neutralisieren. Eine effiziente Reaktion gegen Delta hatten beide Vakzine erst nach der zweiten Dosis hervorgerufen - bei 95 Prozent der Personen (nach einer Dosis bei lediglich 10 Prozent der Geimpften). Auch wenn sich das menschliche Immunsystem nicht nur mit Antikörpern gegen Krankheitserreger wehrt – es gibt ja auch noch eine zelluläre Immunität –, gelten die untersuchten Antikörper-Spiegel als starker Hinweis auf den Immunschutz gegen symptomatische COVID (Nature; online 8. Juli, Preprint).

Bisher wurden in Deutschland 3806 Impfdurchbrüche, also symptomatische SARS-CoV-2-Infektionen mindestens zwei Wochen nach vollständiger Impfung identifiziert. Das geht aus einem Bericht des Robert Koch-Instituts hervor. Insgesamt wurden hierzulande bisher 33.202.521 Menschen vollständig gegen COVID geimpft (39,9 Prozent) – der Anteil der Impfdurchbrüche liegt also deutlich im Promillebereich. Insgesamt haben in Deutschland 57,1 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Impfung gegen COVID-19 erhalten (47.505.270) (Lagebericht des RKI; online 8. Juli).

Einige Krebstherapeutika bremsen die Immunantwort auf die COVID-Impfung zum Teil völlig aus. Das belegt eine prospektive Kohortenstudie aus Litauen bei 885 Patienten mit hämatologischen Krebserkrankungen. So zeigten vor allem Patienten, die mit Bruton-Tyrosinkinase-Hemmern, dem Januskinase-Hemmer Ruxolitinib, dem Bcl-2-Hemmer Venetoclax behandelt wurden oder eine Anti-CD20-Antikörpertherapie erhielten keine beziehungsweise eine stark abgeschwächte Anti-S1-IgG-Antikörperantwort. Am wenigsten effizient scheint eine Impfung in den ersten Wochen nach einer Stammzelltherapie zu sein, wenn die Patienten ohne eigene Immunabwehr sind. Erwartungsgemäß verbesserte sich in der Studie das Ansprechen, wenn die Impfung erst sechs Monate nach der Stammzelltherapie erfolgte (Lancet Haematology 2021; online 2. Juli). (otc)

Update vom 8. Juli

Mit einem Anteil von 59 Prozent ist die Variante B.1.617.2 (Delta) erstmals in Deutschland die dominierende VOC (variants of concern) geworden. Das berichtet das Robert Koch-Institut (RKI) in seiner jüngsten wöchentlichen Auswertung mit Blick auf die 25. Kalenderwoche (21.-27. Juni). Damit hat sich der Anteil dieser besorgniserregenden SARS-CoV-2-Virusvariante innerhalb einer Woche erneut fast verdoppelt. Ihre Verbreitung seit März 2020 hat die Variante Alpha (B.1.1.7), die sich zuvor, in den ersten Monaten 2021 in Europa stark ausgebreitet hat, verdrängt. Der Anteil von Alpha beträgt nur noch 33 Prozent, das heißt diese Variante wird zur Zeit in jeder dritten Probe nachgewiesen (DESH/Bericht_VOC_2021-07-07). (otc)

Die WHO empfiehlt nach Kortikosteroiden jetzt auch den Einsatz von Interleukin-6 (IL-6)-Antagonisten (Tocilizumab, Sarilumab) zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Die Empfehlung basiert auf den Ergebnissen einer Metaanalyse, in der Ergebnisse aus 27 randomisierten klinischen Studien mit 10.930 COVID-19-Patienten ausgewertet wurden. Primärer Endpunkt war die Sterblichkeit an COVID-19. Bis zum 28. Tag nach Behandlungsbeginn waren 1407 von 6449 Patienten (22 Prozent), die mit einem IL-6-Antagonisten behandelt wurden, gestorben im Vergleich zu 1158 von 4481 Patienten (25 Prozent), die die übliche Behandlung oder Placebo erhielten. Der Einsatz eines IL-6-Antagonisten senkte demnach das Sterberisiko um 14 Prozent. Der Vorteil bestand allerdings nur bei einer gleichzeitigen Gabe von Glukokortikoiden (JAMA 2021; online 6. Juli). (otc)

Psychische Probleme von Jugendlichen im Lockdown haben drastisch zugenommen. Das bestätigt jetzt eine Querschnittsuntersuchung aus Österreich von Psychotherapeuten und Verhaltensforschern um Dr. Christoph Pieh von der Donau-Universität in Krems. An der Untersuchung haben 3052 Schüler im mittleren Alter von 16,5 Jahren teilgenommen, sie füllten online diverse Fragebögen zur psychischen Gesundheit aus. Demnach leidet jeder zweite unter Depressionen und Ängsten, die Lebenszufriedenheit ist deutlich gesunken. 37 Prozent gaben zudem an, in den zwei Wochen vor der Befragung an Suizid gedacht zu haben, 9 Prozent nannten tägliche Suizidgedanken, 7 Prozent dachten jeden zweiten Tag an Selbsttötung (JAMA Netw Open 2021; online 28. Juni). (mut)

Update vom 7. Juli

COVID-Patienten brauchen im Schnitt zwei bis drei Monate, bis sie endgültig genesen sind. Das folgern US-Forscher vom Scripps Research Translational Institute in Kalifornien aus einer Studie mit App-basierten „Fitnesstrackern“. Dabei werden permanent Messwerte zu Physiologie und Verhalten aufgezeichnet. Ausgewertet wurden dabei Daten aus der Studie DETECT (Digital Engagement and Tracking for Early Control and Treatment). Verglichen wurden Messwerte von 875 Teilnehmern vor, während und nach Atemwegsinfektionen. Davon hatten 234 COVID-19 und 641 andere Infekte. Ergebnis: Im Anschluss an die akute COVID traten im Vergleich zu anderen Atemwegsinfektionen besonders häufig veränderte Herz-Ruhefrequenzen auf (zunächst als Bradykardie und dann als länger dauernde Tachykardie). Im Schnitt hielt die veränderte Ruhefrequenz 79 Tage nach Erkrankungsbeginn an. Bei 13,7 Prozent blieb eine Herzfrequenz > 5 Schläge über Ausgangsfrequenz sogar 133 Tage erhalten (JAMA Network open 2021, online 7. Juli).

Kopfweh und Migräneattacken traten im Lockdown nicht häufiger auf als davor. Das berichten Ärzte von der Charité Berlin. Sie haben Daten digitaler Kopfschmerztagebücher (M-sense) von 2325 Patienten von den 28 Tagen vor Beginn des ersten Lockdowns in Deutschland (22. März 2020) mit den ersten 28 Tagen im Lockdown verglichen. Ergebnis: Die Zahl der monatlichen Kopfschmerztage (MHD) war in beiden Zeiträumen ähnlich (7,01 MHD vor vs. 6,89 MHD im Lockdown). Die Zahl der Tage mit Akutmedikation gegen die Kopfschmerzen ging im Lockdown signifikant zurück (4,50 vs. 4,27). Auch gaben die Teilnehmer zunächst signifikant geringere Stresslevel, bessere Stimmung und höhere Energie- und Aktivitätslevel im ersten Lockdown an. Diese positiven Veränderungen fanden sich allerdings in einer Subgruppe der Teilnehmer im dritten Lockdown-Monat nicht mehr (J Headache Pain 2021, online 22. Juni). (st)

Update vom 6. Juli

Schutzmaßnahmen wie Masken, Hygiene- und Abstandsregeln sollten auch nach COVID-Impfkampagnen aufrechterhalten werden. Das betonen Forscher der University of North Carolina in Chapel Hill (USA). Sie haben in dem US-Staat mit gut 10 Millionen Einwohnern mit einer Modellrechnung die Zahl der Neu-Infizierten bis September 2021 nach einer sechsmonatigen Impfkampagne prognostiziert, und zwar sowohl mit als auch ohne die nicht-pharmazeutischen Schutzmaßnahmen. Basis waren dabei die Ausbreitungsmuster von SARS-COV-2 in der Vergangenheit. Vorausgesetzt wurden zudem eine Impfeffektivität von 90 Prozent und eine Durchimpfungsrate von 75 Prozent. Ergebnis: Ohne die Schutzmaßnahmen kommen die Forscher auf 527.409 neue Infektionen mit den Maßnahmen auf 450.575. Außerdem: Eine hohe Impfquote mit weniger wirksamen Impfstoffen (Wirksamkeit 50 Prozent) schützt nach Lockerung der Hygienemaßnahmen besser vor Infektionen als eine niedrige Impfquote mit hochwirksamen Vakzinen (90 Prozent Wirksamkeit) (JAMA Network Open. 2021; online 1. Juni).

Update vom 5. Juli

Eine gute Wirksamkeit gegen die besonders infektiöse Delta-Variante hat wohl auch die Vakzine von Johnson & Johnson, die ja nur einmal verimpft werden muss. Angaben des Herstellers zufolge konnten Antikörper im Blut von vollständig Immunisierten (n=8) in Laborversuchen die Delta-Virusvariante neutralisieren. Dabei scheine die Antikörperaktivität gegenüber dem Ursprungsvirus lediglich etwas abgeschwächt (um das 1,6-Fache) zu sein, heißt es in einer Mitteilung von Johnson & Johnson. Darüber hinaus wurde auch die Dauer der Immunantwort untersucht. In einer Unterstudie der Phase I/IIa-COVID-19-Impfstoffstudie mit 10 Teilnehmern habe sich gezeigt, dass eine humorale und zelluläre Immunantwort über mindestens acht Monate (letzter bisher in der Studie erfasster Zeitpunkt) nach Impfung nachzuweisen ist. Die Daten sind bisher noch nicht begutachtet worden (Mitteilung von Johnson & Johnson; online 1. Juli).

Liebe Leser, wir fassen die Corona-Studienlage nun wöchentlich zusammen. Eine Übersicht mit allen bereits veröffentlichten COVID-19-Splittern der vergangenen Wochen und Monate finden Sie hier:

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