Deutschland
Fast jeder dritte Schüler hat chronische Schmerzen
Schüler in Deutschland sind befragt worden, wie häufig sie chronische Schmerzen haben. Das Ergebnis: Es schmerzt sozial schwächere Kinder und Jugendliche häufiger – und ein Geschlecht ist häufiger betroffen.
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12,1 Prozent der befragten Mädchen hatten schwere bis sehr schwere chronische Schmerzen, aber nur 3,9 Prozent der Jungen. Am häufigsten wurden Kopfschmerzen angegeben.
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Das Wichtigste in Kürze
- Frage: Wie häufig sind chronische Schmerzen bei Schulkindern in Deutschland?
- Antwort: Eine Befragung von über 2200 Schülern deutet auf eine Prävalenz chronischer Schmerzen von 31 Prozent, schwere chronische Schmerzen geben 8 Prozent an.
- Bedeutung: Ein beträchtlicher Teil der Schüler in Deutschland leidet an chronischen Schmerzen.
- Einschränkung: Schüler mit Migrationshintergrund und schwachem sozioökonomischem Status waren unterrepräsentiert.
Datteln. Chronische Schmerzen können den Bildungserfolg und den sozialen Umgang von Schülern beeinträchtigen, umgekehrt dürften Probleme in der Schule und im sozialen Umfeld chronische Schmerzen begünstigen. Jedenfalls neigen bisherigen Untersuchungen zufolge eher Kinder aus sozial schwachen Familien, solche mit schlechten Schulnoten und emotionalen Problemen zu chronischen Schmerzen, auch sind eher Mädchen und ältere Schüler betroffen, berichten Schmerzforscher um Anna Könning vom deutschen Kinderschmerzzentrum in Datteln (Clin J Pain 2020; online 5. November).
Die Häufigkeit von chronischen Schmerzen bei Schülern variiert je nach Studie zwischen 6 Prozent und 44 Prozent, die für starke chronische Schmerzen zwischen 5 Prozent und 14 Prozent. Das Team um Könning hat nun in einer eigenen Studie geschaut, wie häufig chronische Schmerzen bei Kindern in Deutschland auftreten und mit welchen Faktoren sie zusammenhängen. Ihren Resultaten zufolge hat fast jedes dritte Kind im Alter von 10–18 Jahren chronische Schmerzen, jedes zwölfte starke.
2220 Schüler aus Nordrhein-Westfalen befragt
Für die Querschnittstudie wurden Angaben von 2220 Schülern an fünf Schulen in Nordrhein-Westfalen ausgewertet, darunter Realschulen, Gesamtschulen und Gymnasien. Alle hatten in der Schule einen Bogen zu demografischen und sozioökonomischen Fragen ausgefüllt, zudem wurden sie nach Dauer, Frequenz und Lokalisation von Schmerzen in den vergangenen drei Monaten befragt. Die Schmerzstellen konnten sie auf einer Körperkarte einzeichnen, die Intensität wurde anhand einer 10-Punkte-Analogskala erfasst.
Als chronisch galt ein Schmerz, wenn er mindestens einmal die Woche über drei Monate hinweg auftrat. Die Schwere des Schmerzes beurteilten die Forscher anhand des Chronic Pain Grading (CPG, Grad 0–4). Hier flossen Angaben zur Schmerzintensität, Beeinträchtigungen und schmerzbedingten Fehltagen ein, als schwerwiegend und stark beeinträchtigend werden Schmerzen von Grad 3 und 4 betrachtet. Im Schnitt waren die Schüler 13 Jahre alt, 15 Prozent hatten einen Migrationshintergrund.
69 Prozent hatten den Angaben zufolge keine chronischen Schmerzen (Grad 0), 7,2 Prozent leichte (Grad 1), 15,7 Prozent mäßige (Grad 2), 6,6 Prozent schwere (Grad 3) und 1,6 Prozent sehr schwere chronische Schmerzen (Grad 4). Werden die letzten beiden Kategorien zusammengefasst, so haben 8,2 Prozent der befragten Schüler schwere chronischen Schmerzen.
12 Prozent der Mädchen mit schweren Schmerzen
Am häufigsten waren Kopfschmerzen, dies betraf etwa ein Drittel der Schüler mit chronischen Schmerzen, etwas mehr als ein Drittel hatte Schmerzen an mehreren Stellen und die übrigen litten an abdominellen oder muskuloskelettalen Schmerzen. Letztere zeigten meist nur Schmerzen von Grad 1 und 2, höhere Werte traten überwiegend bei Schülern mit multiplen Schmerzstellen auf. Depressions-, Angst- und Insomniesymptome korrelierten fast linear mit dem Schmerzgrad – ausgeprägte Schmerzen gingen in der Regel also mit psychischen und emotionalen Problemen sowie Schlafstörungen einher.
Das Team um Könning fand auch eine ausgeprägte Geschlechterdifferenz: 12,1 Prozent der Mädchen hatten Grad-3- oder -4-Schmerzen, aber nur 3,9 Prozent der Jungen. Teilnehmer mit chronischen Schmerzen waren zudem signifikant älter als solche ohne und hatten einen geringeren sozioökonomischen Status. Der Migrationshintergrund machte sich hingegen nicht bemerkbar.
Kinder mit starken chronischen Schmerzen schätzten ihre Schulleistung schlechter ein und waren mit der Schule weniger zufrieden als solche ohne oder mit geringen Schmerzen. Die Hälfte mit geringen und über 80 Prozent mit starken Schmerzen nahmen Analgetika, 27 Prozent mit geringen und über 60 Prozent mit starken Schmerzen waren in den vergangenen drei Monaten bei einem Arzt.
Nach Ansicht der Experten um Könning scheinen starke chronische Schmerzen mit einem schlechten psychischen Gesundheitszustand und einer hohen Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen einherzugehen. Hier könnten spezielle Schmerztherapien helfen. Es sei jedoch unklar, wie viele betroffene Familien einen Schmerzspezialisten aufsuchten.