Gicht-Therapie

Harnsäurewert dauerhaft senken

Den akuten Gichtanfall zu kontrollieren ist wichtig. Aber der eigentliche Erfolgsfaktor bei der Gicht ist die harnsäuresenkende Therapie. Den Zielwert zu erreichen ist nicht genug. Ohne dauerhafte Compliance drohen die Tophi wieder zu wachsen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Gicht im Dual-Energy-CT: Harnsäurekristalle grün, Kalzium in verschiedener Dichte grau und violett.

Gicht im Dual-Energy-CT: Harnsäurekristalle grün, Kalzium in verschiedener Dichte grau und violett.

© Prof. B. Manger, Erlangen

MADRID. "Die Ablagerung von Natriumuratkristallen unter Kontrolle zu bekommen, ist der mit Abstand wichtigste Teil des Gicht-Managements", sagte Professor Thomas Bardin vom Hôpital Lariboisière in Paris beim Kongress der Europäischen Rheumaliga (EULAR) in Madrid.

Der Zielwert gemäß Empfehlungen der Europäischen Rheumaliga liegt bei 6 mg/dl. Bardin betonte allerdings, dass insbesondere Patienten mit tophöser Gicht von niedrigeren Urat-Konzentrationen profitieren.

Er empfahl, bei diesen Patienten zumindest bis zur Rückbildung der Tophi eher einen Zielwert von 5 mg/dl anzustreben.

EULAR-Zielwert: 6 mg/dl

Nach der Rückbildung der Tophi könne der individuelle Zielwert dann wieder auf die auch von der EULAR empfohlenen 6mg/dl angehoben werden, so Bardin. Zwar gebe es Hinweise, dass Gichtpatienten von einer stärkeren Urat-Senkung dauerhaft profitierten.

Umgekehrt sei aber noch immer strittig, inwieweit sehr niedrige Urat-Spiegel mit einer höheren Inzidenz von Parkinson- und Alzheimer-Erkrankung korrelierten. Solange diese Debatte nicht beendet ist, bevorzugt Bardin nach der Rückbildung der Tophi den "EULAR-Zielwert" von 6 mg/dl.

Die Vorgehensweise des Franzosen steht im Einklang mit den Empfehlungen des American College of Radiology (ACR), die bei schwerer tophöser Gicht ebenfalls einen Zielwert von 5 mg/dl vorsehen.

 Die ACR-Empfehlungen weichen auch in einigen anderen Punkten von den (sechs Jahre älteren) europäischen Empfehlungen ab. So werden die beiden Optionen der Xanthinoxidase-Hemmung, Allopurinol und Febuxostat, gleichwertig als Optionen für die Erstlinientherapie aufgeführt.

In USA reicht Tophus-Nachweis per Bildgebung

Unterschiede gibt es auch bei der Definition der tophösen Gicht. Gemäß EULAR-Empfehlungen sollte bei tophöser Gicht in jedem Fall eine harnsäuresenkende Therapie initiiert werden, unabhängig davon, ob und wie häufig akute Anfälle sind.

Die Amerikaner sehen das im Prinzip genauso. Während die EULAR allerdings klinisch fassbare Tophi verlangt, reicht der ACR der Tophus-Nachweis per Bildgebung, um eine tophöse Gicht zu diagnostizieren und damit einen Zielwert von 5 mg/dl bis zur Rückbildung der Tophi zu rechtfertigen.

Dass das mehr als nur ein akademischer Unterschied ist, zeigen Studien, die untersucht haben, wie hoch der Anteil von Gicht-Patienten mit nur in der Bildgebung sichtbaren Tophi ist.

So berichtete Professor Bernhard Manger von der Abteilung für Innere Medizin III der Universität Erlangen-Nürnberg von einer eigenen Untersuchung mittels Bildgebung durch Dual-Energy-CT (DECT) (Ann Rheum Dis 2012; 71:470-2).

In dieser Untersuchung konnten bei 11 von 14 Patienten, die bei einem akuten Gichtanfall keine klinisch nachweisbaren Tophi hatten, periartikulär oder peritendinös Ablagerungen von Natriumuratkristallen nachgewiesen werden. Diese Patienten könnten gemäß ACR-Empfehlungen auch ohne regelmäßige akute Anfälle eine harnsäuresenkende Therapie erhalten. Die Europäischen Rheumaliga verlangt dagegen tast- oder sichtbare Tophi.

Lebenslange Therapie

Mindestens genauso wichtig wie das Erreichen des Zielwerts sei es, dauerhaft im Harnsäure-Zielkorridor zu bleiben, betonte Bardin: "Die harnsäuresenkende Therapie ist grundsätzlich eine lebenslange Therapie."

Leider sei die Adhärenz bei dieser Behandlung so schlecht wie bei kaum einer anderen Therapie für Patienten mit chronischen Erkrankungen.

Der Schlüssel zum Erfolg in Sachen Patienten-Compliance ist Bardin zufolge eine gewissenhafte Aufklärung der Patienten über den Nutzen der harnsäuresenkenden Therapie. Was damit erreicht werden kann, zeigt eine britische Studie, bei der 106 Patienten begleitend zum Beginn einer harnsäuresenkenden Therapie ein spezielles Schulungsprogramm durchliefen, das auf die Bedeutung von Compliance und Lebensstil fokussierte.

Mit Erfolg: Nach einem Jahr war der Harnsäurewert bei 92 Prozent der Patienten unterhalb der Zielschwelle (Ann Rheum Dis 2013; 72(6): 826-30). Das spricht für hohe Compliance.

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