Grund für späten Notruf?
Herzinfarkt-Symptome im Alter öfter atypisch
Die führende Symptomatik eines Myokardinfarkts verändert sich altersabhängig. Bei Senioren stehen Thoraxbeschwerden oft nicht im Vordergrund.
Veröffentlicht:Worcester. Zwischen den ersten Symptomen eines Herzinfarkts und dem Anruf beim Notarzt vergeht oft viel Zeit, zu viel Zeit. Ein Ärzteteam der Universität in Worcester (USA) fordert daher dazu auf, „Patienten und Ärzte besser über die Vielfältigkeit von Symptomen aufzuklären, die bei einem akuten Herzinfarkt auftreten können“.
Dies sei besonders bei älteren Patienten wichtig. Bei ihnen stehen wesentlich häufiger als bei jüngeren sogenannte atypische Beschwerden im Vordergrund, wie die Ärzte um Mayra Tisminetzky anhand von Daten der Worcester Heart Attack Study belegt haben (Am J Med 2020, online 18. März).
40 Prozent mit einem ST-Hebungsinfarkt
Ausgewertet wurden die Daten von 2586 Patienten mit einem ersten Herzinfarkt; bei 40 Prozent handelte es sich um einen ST-Hebungsinfarkt, Jüngere waren davon öfter betroffen als Ältere.
Als führendes Symptom bei der Vorstellung in der Notaufnahme, im Schnitt knapp zwei Stunden nach den ersten Zeichen, gaben 72 Prozent typische Beschwerden an. Als solche galten nur Schmerzen, Druck, Engegefühl oder Missempfinden im Thorax sowie substernale Thoraxschmerzen.
Alle anderen Beschwerden, etwa Schmerzen im linken Arm, Kurzatmigkeit oder Synkope, waren als „atypisch“ definiert; sie gewannen mit zunehmendem Alter kontinuierlich an Bedeutung: Bei den unter 55-Jährigen dominierten sie nur bei 11 Prozent, in den Altersgruppen 55–64, 65–74, 74–84 und ab 85 bei 17, 28, 40 und 51 Prozent.
Schmerzen im Brustkorb wurden insgesamt am häufigsten als Hauptsymptom genannt, in der jüngsten Gruppe sogar von 83 Prozent, in der ältesten aber nur noch von 45 Prozent. Bei den atypischen Symptomen führte Kurzatmigkeit vor Schwäche/Fatigue die Rangliste an, bei den über 85-Jährigen standen sie bei etwa 20 bzw. 10 Prozent im Vordergrund.
Alarmieren des Notarztes erfolgt häufig stark verzögert
Die Zeitverzögerung von Symptombeginn bis zum Erreichen des Krankenhauses war bei Jüngeren etwas kürzer als bei über 75-Jährigen (1,8 vs. 2,0 Stunden). Bei Letzteren führten atypische Symptome zur stärksten Verzögerung (2,2 Stunden), möglicherweise weil Komorbiditäten die richtige Zuordnung erschwerten. Die Unterschiede lagen allerdings unterhalb der statistischen Relevanz.
Tisminetzky und Kollegen betonen daher, dass unabhängig vom Alter nach den ersten Symptomen eines Herzinfarkts immer noch zu lange mit dem Alarmieren des Notarztes gewartet wird. Speziell bei älteren Patienten sei zudem zu beachten, dass sie deutlich häufiger eine atypische Symptomatik zeigten.