Wegen Corona

Intensivmediziner rechnen mit mehr Absagen von elektiven Operationen

Hohe Corona-Fallzahlen versetzen die DIVI in Alarmstimmung: Schon bald drohe wegen Kapazitätsengpässen die bundesweite Priorisierung von Operationen. Von Triage mag die Fachgesellschaft aber nicht sprechen.

Thomas HommelVon Thomas Hommel Veröffentlicht:
Die Lage ist momentan nicht unter Kontrolle: DIVI-Präsident Professor Gernot Marx.

Die Lage ist momentan nicht unter Kontrolle: DIVI-Präsident Professor Gernot Marx.

© Jürgen Heinrich / SZ Photo / picture alliance

Berlin. Intensivärzte haben die Corona-Situation in Deutschland als „besorgniserregend“ eingestuft. Die Lage sei „momentan nicht unter Kontrolle“, sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Professor Gernot Marx, bei einem virtuellen Presse-Briefing am Montag.

Allein vergangene Woche seien knapp 1900 COVID-19-Patienten neu auf den Intensivstationen aufgenommen worden – fast 700 von ihnen seien verstorben, rechnete Marx vor. Insgesamt lägen derzeit rund 3670 COVID-19 erkrankte Menschen auf Intensivstationen – davon müsse etwa die Hälfte invasiv beatmet werden.

Ähnliche Lage wie Ende 2020

Die aktuelle Entwicklung sei „quasi identisch“ mit der im Herbst des vergangenen Jahres, sagte der Leiter der Klinik für Intensivmedizin und Intermediate Care am Universitätsklinikum RWTH Aachen. Die Situation treffe Ärzte und Pflegekräfte in einer Situation, in der die Intensivstationen „ohnehin gut gefüllt sind mit anderen schwerkranken Patienten“.

Viele Pflegekräfte hätten wegen Erschöpfung ihre Arbeitszeiten gesenkt oder dem Beruf den Rücken gekehrt, so Marx. Die Folge sei, dass heute 4000 Intensivbetten weniger betrieben würden als vor einem Jahr. Regional – etwa in Bayern, Sachsen oder Thüringen – führe der Rückgang an betreibbaren Intensivbetten bereits zu einer „akuten Überlastungssituation“ in den Krankenhäusern. Patienten müssten verlegt und planbare Eingriffe verschoben werden.

Halte die Infektionsdynamik an und komme es infolgedessen weiter zu einem ungebremsten Anstieg an schwerkranken COVID-19-Fällen, werde eine „Priorisierung“ und Umorganisation von Operationen in weiten Teilen Deutschlands notwendig. Das bedeute auch, dass die allgemeine Gesundheitsversorgung dann nicht mehr auf dem gewohnten Niveau zur Verfügung stehe, so Marx.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte aus Datawrapper Um mit Inhalten aus Datawrapper zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir Ihre Zustimmung. Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte aus Sozialen Netzwerken und von anderen Anbietern angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät notwendig. Weitere Information dazu finden Sie hier.

„Jeder Notfall wird versorgt“

Von einer Triage wollte der DIVI-Chef aber nicht sprechen. „Jeder Notfall und damit jeder COVID-19-Patient wird in Deutschland auch in den nächsten Tagen und Wochen versorgt“, betonte Marx.

Der Präsident der Landesärztekammer, Dr. Erik Bodendieck, hatte am Montag im „Deutschlandfunk“ erklärt, er rechne schon in den nächsten Tagen mit einer Überlastung der Intensivstationen und auch damit, dass in bestimmten Regionen im Freistaat zwei Patienten um ein Bett konkurrieren müssten. Dann drohe eine Triage-Situation: Wer eine bessere Aussicht auf erfolgreiche Behandlung habe, werde bevorzugt.

DIVI-Chef Marx rief die Bundesbürger auf, die Intensivmediziner zu unterstützen. Die Impfung sei nach wie vor der Schlüssel, um die Pandemie zu bewältigen. Vor allem ungeimpften Personen drohe nach einer Infektion ein schwerer Krankheitsverlauf.

Geringere Impfquote gleich höhere Inzidenz

Der Mathematiker und Physiker Professor Andreas Schuppert aus Aachen, der auf Grundlage zahlreicher Daten Pandemie-Szenarien für die DIVI modelliert, wies daraufhin, dass „die Impfquote entweder ein dominanter oder aber ein sehr, sehr wichtiger Faktor“ für die Infektionsdynamik sei. „Je weniger Impfquote, umso schneller breitet sich die Infektion aus.“

Der medizinische-wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, Professor Christian Karagiannidis, sagte, es gebe einen „deutlichen Unterschied“ zwischen den ersten drei Wellen und der jetzigen – und der sei „ganz eng verknüpft mit der Erstimpfquote“. Dort, wo diese hoch ausfalle, seien Inzidenzen und auch Hospitalisierungsraten geringer.

Über das DIVI werde es in Kürze auch genaue Angaben zum Impfstatus der Patienten geben. „Wir werden extrem gute Daten kriegen“, betonte der leitende Oberarzt an der Lungenklinik Köln-Merheim.

DIVI-Chef Marx appellierte an Bund und Länder, bei weiter „ungebremst“ steigenden Inzidenzen und Hospitalisierungsraten die Zügel enger zu ziehen. Die mit der Änderung des Infektionsschutzgesetzes beschlossenen Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung müssten dann gegebenenfalls ausgeweitet werden. Gelegenheit dazu besteht am 9. Dezember. Dann soll die nächste Ministerpräsidentenkonferenz stattfinden.

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Metaanalyse von 94 Studien

Ein Viertel der Long-COVID-Kranken hat Depressionen

Das könnte Sie auch interessieren
Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

© Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH

Vitamin-C-Therapie

Die Chancen der Vitamin-C-Hochdosis-Therapie nutzen

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Medizinischer Infusions-Tropf mit buntem Hintergrund

© Trsakaoe / stock.adobe.com

Hochdosis-Therapie

Vitamin C bei Infektionen und Long-COVID

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

© Spinger Medizin Verlag

Vitamin C als hochdosierte Infusionstherapie

Internationaler Vitamin-C-Kongress im Juni

Anzeige | Pascoe pharmazeutische Präparate GmbH
Für Menschen ab 60 Jahren sind die Impfungen gegen Influenza, Corona, Pneumokokken und Herpes zoster (beide nicht im Bild) Standard-Impfungen. Für Menschen ab 75 Jahren kommt die RSV-Impfung hinzu.

© angellodeco / stock.adobe.com

Respiratorisches Synzytial Virus

STIKO: Alle Menschen ab 75 gegen RSV impfen!

Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Pflegekräfte als Teil des Schmerzmanagements

© NanSan / stock.adobe [Symbolbild mit Fotomodellen]

Schmerzen erfassen, bewerten und behandeln

Pflegekräfte als Teil des Schmerzmanagements

Sonderbericht | Beauftragt und finanziert durch: AstraZeneca GmbH, Hamburg
In der Klinik Königshof in Krefeld werden Menschen mit psychischen Erkrankungen behandelt. Die digitale Terminvergabe über Doctolib senkt eine Hemmschwelle: Es fällt leichter, mit wenigen Klicks einen Termin zu buchen, als im direkten Gespräch am Telefon.

© St. Augustinus Gruppe

Unternehmensstrategie für Krankenhäuser

Patientenportal stärkt die Reichweite der Klinik

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Patientenportale: Greifbarer Mehrwert für Klinik und Patienten

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung von Krankenhäusern

Patientenportale: Greifbarer Mehrwert für Klinik und Patienten

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Doctolib GmbH
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Überraschende Personalie

Eine Juristin wird Gesundheitsministerin: Das ist Nina Warken

Tipps für die Praxis

So entwickeln Sie Ihre Arztpraxis strategisch weiter

Lesetipps
Die Ärzte Zeitung hat jetzt auch einen WhatsApp-Kanal.

© prima91 / stock.adobe.com

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung

Husten und symbolische Amplitude, die die Lautstärke darstellt.

© Michaela Illian

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?