Kein Mundschutz: Behörden machen wegen Schweinegrippe Arztpraxen dicht

HANNOVER (cben). Weil sie bei Patienten mit Schweinegrippe-Verdacht Abstriche gemacht haben, ohne einen Mundschutz aufzusetzen, mussten zwei Hausärztinnen ihre Praxen eine Woche lang schließen. Der Grund: Als sich der Verdacht bestätigte, galten sie als potenziell infektiöse Kontaktpersonen.

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Mundschutz bei jedem Patientenkontakt? Das ist unrealistisch!

Mundschutz bei jedem Patientenkontakt? Das ist unrealistisch!

© Foto: dpa / Bildfunk

Die zuständigen Gesundheitsämter hatten sich bei ihren Anordnungen auf eine ältere Richtlinie gestützt. Danach gelten Ärzte und Pflegekräfte, die Pandemie-Kranke ohne Mundschutz und Handschuhe behandeln, als Kontaktpersonen ersten Grades und müssen isoliert werden. Inzwischen hat das Niedersächsische Gesundheitsministerium jedoch reagiert und eine neue Richtlinie zum Umgang mit H1N1-Patienten herausgegeben. So müssen Ärzte und Pflegekräfte nicht mehr isoliert werden, wenn sie zuvor H1N1-Patienten ohne Mundschutz und Handschuhe behandelt haben. "Die Kontaktpersonen sollen lediglich informiert werden, sich beobachten und erst im Falle von Krankheitszeichen entsprechende Schutzmaßnahmen einleiten", heißt es in dem Schreiben.

Ab kommender Woche werden entsprechende Verfügungen in ganz Deutschland gelten, sagte Dr. Markus Kirschner vom Landesgesundheitsamt Niedersachsen der "Ärzte Zeitung". Die neue Richtlinie war auch deshalb rasch nötig, weil die Schulferien in Niedersachsen in diesem Jahr sehr früh liegen. So werden nun erste - möglicherweise infizierte - Urlaubsrückkehrer in Niedersachsen erwartet, sagte Kirschner. Die erkrankten Patienten, die zu den Praxisschließungen führten, waren Urlauber, die aus Spanien zurückgekehrt sind.

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Lesen Sie dazu auch den Hintergrund: Nach bizarren Szenen in Niedersachsen sind Praxisschließungen erst einmal vom Tisch Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Praxis dicht - das ist kontraproduktiv Lesen Sie auch: Länder bereiten Verträge für Kauf von Impfstoff vor

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Kommentare
Olaf Harmuth 16.07.200911:09 Uhr

Mundschutz oder Atemschutz?

Die Formulierungen sind oft irreführend. Einen Mundschutz würde ich nicht gegen H1N1 Viren einsetzen und sollte auch das Gesundheitsamt nicht fordern. Wirkungsvoll ist nur eine filtrierende Halbmaske der Filterklasse FFP3 (nach EN 149:2001).

Tatsächlich können Atemschutzmasken keinen 100%igen Schutz vor Ansteckung gewährleisten, jedoch helfen Sie das Infektionsrisiko zu reduzieren, da die Filtermaterialien Mikroorganismen und Tröpfchenaerosole zurück halten.

Entscheidend für die Schutzwirkung sind Filterklasse, Abdichtung des Gesichtsfeldes, konsequentes Trageverhalten, genaues Beachten der Herstellerinformationen und berufgenossenschaftlichen Regeln sowie hygienisches Verhalten (z.B. filtrierende Halbmasken gegen Mikroorganismen, wie Influenza-Viren, nur einmal zu verwenden).

Am 04.05.09 wurde das neue Influenza A Virus H1N1 (Schweinegrippe) vom Ausschuss für Biologische Arbeitsstoffe vorläufig der "Risikogruppe 3" zugeordnet. Nur FFP3-Masken dürfen laut BGR 190 (Berufsgenossenschaftliche Regel "Benutzung von Atemschutzgeräten") zum Schutz gegen Biologische Arbeitsstoffe der Risikogruppe 3 eingesetzt werden.

Insofern ist für jede berufsbedingte Atemschutz-Verwendung bei Gefährdung durch Schweinegrippe-Viren eine FFP3-Atemschutzmaske zu verwenden.

Darüber hinaus ist der „Beschluss 609“ des Ausschusses für Biologische Arbeitsstoffe insbesondere für exponierte Personen im Gesundheitswesen maßgeblich. Hier werden, jedoch im Widerspruch zur o. g. BGR 190, auch FFP1 und FFP2 Masken empfohlen.

Die Mindestfilterleistungen der filtrierenden Halbmasken betragen: FFP1: 80%, FFP2: 94%, FFP3: 99%.
Da eine Atemschutzmaske nie 100% dicht sitzt, sind weitere "Abschläge", aufgrund von Gesichtsleckagen, zu berücksichtigen.

Mit zunehmender Filterklasse sinkt die zulässige Gesamtleckagerate, es steigt jedoch der Atemwiderstand. Der Atemwiderstand ist speziell bei längerer Tragezeit und bei körperlich anstrengender Tätigkeit als wesentlicher Faktor bei der Auswahl von Atemschutzmasken in Betracht zu ziehen.

Bei gewerblicher Anwendung und längerer Tragedauer (>30 Minuten täglich) sind arbeitsmedizinische Vorsorge-Untersuchungen (nach G26) obligatorisch. Ferner gelten folgende Tragezeit-Begrenzungen (gemäß BGR 190):

Filtrierende Halbmaske ohne Ausatemventil: 120 Min. - dann 30 Min. Erholung (3 Einsätze pro Schicht).
Filtrierende Halbmaske mit Ausatemventil: 75 Min. - dann 30 Min. Erholung (5 Einsätze pro Schicht).

Bei der Verwendung von Masken ohne Ausatemventil dürfen pro Woche vier Schichten gearbeitet werden, während bei Ventil-Masken fünf Schichten erlaubt sind.

So genannte Grobstaubmasken, Mundschutz-, OP- oder Hygiene-Masken, welche nicht einmal die Anforderungen der Atemschutzfilterklasse FFP1 erreichen, sind als Schutz gegen "Schweinegrippe" oder andere Viren als ungeeignet anzusehen. Dies zeigte eine Studie des Instituts für Arbeitsschutz (BGIA). Die Verwendung solcher Produkte ist sogar als gefährlich einzustufen, da diese einen Schutz suggerieren, der, aufgrund mangelnder Filterwirkung und zu hoher Leckageraten de facto nicht gegeben ist.

Bei der Beschaffung von filtrierenden Halbmasken sollte man darauf achten, fabrikfrische Ware zu erwerben, da aufgrund der meist elektrostatischen Aufladung des Filtermaterials hier die Filterleistung am intensivsten wirkt und natürlich die begrenzte Lagerdauer entsprechend voll genutzt werden kann.

Die Thematik "Mundschutz/Atemschutz", gerade unter dem Gesichtspunkt von Pandemievorbereitungen, verdient eine differenziertere Betrachtungsweise.

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