Hintergrund

Klimawandel heizt Allergien an

Wärmere Temperaturen und vermehrte Hitzeperioden sind in Deutschland durch den Klimawandel zu erwarten. Dies begünstigt Infektionen und andere Krankheiten. Besonders Allergien und Lungenleiden werden künftig weiter zunehmen, prognostizieren Experten.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Alte Menschen leiden besonders unter Hitze: Bei Hitzewellen starben in den vergangenen Jahren tausende Menschen in Europa.

Alte Menschen leiden besonders unter Hitze: Bei Hitzewellen starben in den vergangenen Jahren tausende Menschen in Europa.

© Felix Mizioznikov / fotolia.com

Der Klimawandel wird sich auf das Spektrum internistischer Krankheiten in Deutschland auswirken, hieß es beim Internistenkongress in Wiesbaden. Je nachdem, wie stark die mittlere Jahrestemperatur in Mitteleuropa künftig zunehmen wird, ist mit vermehrten, teilweise neuen Infektionskrankheiten zu rechnen, mit hitzebedingten Krankenhauseinweisungen und Todesfällen sowie verstärkt pneumologischen Problemen.

Allerdings gibt es auch Faktoren, die gegen eine Zunahme von Tropenkrankheiten in unseren Breiten sprechen. Überhaupt ist der Begriff Tropenkrankheit in mancher Hinsicht irreführend. Denn er suggeriert, dass die Temperatur und die Luftfeuchtigkeit die wesentlichen Faktoren sind, die bestimmen, ob derartige Krankheiten auftreten oder nicht.

So ist die Malaria auch in Europa eine alte Bekannte: Auch mehrere Päpste und deutsche Kaiser seien daran gestorben, sagte Privatdozent Werner Bär aus Cottbus. Trotz kühler Temperaturen war die Malaria im Mittelalter bis hinauf zu den britischen Inseln und in Skandinavien endemisch.

In Ostfriesland wurden Anfang des 20. Jahrhunderts gehäuft autochthone Malariafälle beobachtet, in den Jahren nach dem zweiten Weltkrieg zählte man in Berlin 650 autochthone Fälle, in Hamburg 88. Hinzu kamen von Heimkehrern eingeschleppte Plasmodium-Infektionen sowie Rezidive.

Kriege, soziale Unruhen, Umweltkatastrophen und mangelhafte Lebens- und medizinische Bedingungen begünstigen also die Ausbreitung der Malaria. Diese Faktoren sind in Deutschland zurzeit nicht gegeben. Wohl aber sind geeignete Vektoren mit verschiedenen Anopheles-Arten vorhanden, die Population ist empfänglich für die Erreger, das Klima ist günstig.

Tourismus und Migrationsbewegungen - ein Beispiel sind die gegenwärtigen Unruhen in Nordafrika - könnten die Situation weiter und teilweise rasch verändern, sagte Bär.

Zudem schaffen Renaturierungsmaßnahmen neue Brutplätze für Vektoren. Eine gute medizinische Versorgung mit angemessenen Überwachungsmöglichkeiten der Erregersituation, stabile soziale Verhältnisse sowie verbesserte Prophylaxeoptionen sprächen gegen die Zunahme von Tropenkrankheiten in Deutschland, so der Mikrobiologe.

Hitzewellen führen bei alten Menschen aber vermehrt zu Pneumonien und kardiovaskulären Belastungen. Darauf wies Professor Hans Schweisfurth aus Cottbus hin und erinnerte an die hohen Sterberaten in verschiedenen EU-Ländern während vergangener Hitzewellen. Der Pneumologe betonte, dass bereits heute ein Fünftel der deutschen Bevölkerung an allergischer Rhinitis leide. Die zunehmende Konzentration von Ozon, Feinstaub und Pollen wird seiner Meinung nach die Asthma-, Allergie-, Bronchitis- und Pneumonieprävalenz in die Höhe treiben.

Die gefühlte Verbesserung der Luftqualität in vielen Regionen ist nach seiner Ansicht lediglich eine Täuschung. Kam früher beim Gasgeben aus dem Auspuff eines Dieselfahrzeugs eine schwarze Wolke mit großen Schmutzpartikeln, die allerdings nicht ihren Weg in die Tiefen der Lunge fanden, schweben heute sehr feine, nicht sichtbare Staubpartikel in der Luft, die es bis in die kleinsten Luftbläschen und ins Blut schaffen.

Pollenallergiker kommen aufgrund der warmen Temperaturen über das Jahr heute kaum zu einer Pause. Zudem seien die Pollen mit Schadstoffen aus der Luft belastet, die zu ganz anderen entzündlichen Reaktionen führten als bisher bekannt, so Schweisfurth.

Hinzu kommen Pflanzen wie Ambrosia, die sich wegen des Klimawandels in Gebieten ausbreiten können, wo sie früher nicht vorkamen. Bereits sechs Ambrosia-Pollen pro Kubikmeter Luft reichen für eine allergische Reaktion, bei anderen Pollen sind dagegen 1000 bis 10.000 pro Kubikmeter erforderlich.

Und schließlich führen die zunehmenden Überschwemmungen in Deutschland dazu, dass Bewohner solcher Gebiete sich gehäuft in feuchten Räumen mit Schimmelpilz- und Milbenbelastungen aufhalten. Auch das resultiert in gehäuften Atemwegsinfektionen und allergischen Atemwegserkrankungen mit Spätfolgen wie Alveolitis und Lungenfibrose.

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