Ebola
Liberianische Patienten fliehen aus Klinik
Die Ebola-Seuche in Westafrika löst weltweit Unruhe aus. Die Epidemie sei womöglich schwerer als bisher angenommen, befürchtet die WHO. In Nigeria flüchten immer mehr Ärzte und Pfleger aus Angst sich anzustecken.
Veröffentlicht:NEU-ISENBURG. Die Ebola-Epidemie in Westafrika hat vor Ort - und weltweit - immer mehr Restriktionen und Vorsichtsmaßnahmen zur Folge. Die Zahl der Infizierten und der Todesfälle durch Ebola im Epidemie-Gebiet steigt weiter.
Am Sonntag wurde bekannt, dass in Liberia 17 Ebola-Patienten aus einer Quarantänestation geflohen sind. Sie hätten das Krankenhaus in einem Armenviertel der Hauptstadt Monrovia am Samstagabend mit Hilfe von aufgebrachten Bürgern verlassen, die zuvor in die Klinik eingedrungen seien, berichtete die Zeitung „Front Page Africa“ am Sonntag.
Unter den Patienten befänden sich bestätigte und Verdachtsfälle, hieß es. Der Slum West Point, in dem sich der Vorfall ereignete, ist dicht besiedelt und liegt ganz in der Nähe des Stadtzentrums von Monrovia. In dem Viertel leben rund 75.000 Menschen.
Bevölkerung fürchtet Ansteckungsgefahr
Nun wird befürchtet, dass die geflohenen Patienten weitere Menschen anstecken könnten. Das Gesundheitsministerium hatte zuvor mitgeteilt, den ganzen Slum unter Quarantäne stellen zu wollen, um zu verhindern, dass die Einwohner von dort in andere Gebiete reisen.
„Wir werden Lebensmittel und andere Güter nach West Point bringen, bevor die Maßnahme in Kraft tritt“, hieß es. Viele Bürger hätten wütend auf die Ankündigung reagiert.
In Nigeria flüchten immer mehr Ärzte und Pfleger aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Ebola-Virus aus den Krankenhäusern. Betroffen sei vor allem das Yaba Mainland Hospital in Lagos, wo mehrere Infizierte auf Isolierstationen lägen, berichtete die Zeitung „Punch“ am Samstag.
Viele Mediziner hätten auf Druck ihrer Familien die Klinik verlassen.
Erkrankte Ärztin wieder genesen
Eine vor mehreren Wochen an Ebola erkrankte Ärztin in Nigeria ist inzwischen wieder gesund. Die Frau sei aus dem Krankenhaus in Lagos entlassen worden und könne nun wieder ein normales Leben beginnen, sagte Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu am Samstagabend.
Auch fünf weitere der insgesamt zwölf in dem westafrikanischen Land bestätigten Infizierten seien auf dem Weg der Besserung und „fast geheilt“, hieß es.
Derweil verhängte Kenias Gesundheitsministerium einen Einreisestopp für Menschen aus den von der Ebola-Epidemie betroffenen westafrikanischen Ländern.
Die Regelung solle ab kommenden Dienstag gelten, teilte das Ministerium am Samstag mit. Dabei geht es vor allem um Fluggäste aus den Ländern Sierra Leone, Liberia und Guinea, die in das ostafrikanische Kenia einreisen wollen.
Die Fluggesellschaft Kenya Airways kündigte an, ihre Flüge nach Liberia und Sierra Leone ebenfalls ab Dienstag auszusetzen.
Spanien: Nigerianer mit Verdacht auf Ebola in Klinik
Ein Nigerianer ist in Spanien mit Verdacht auf eine mögliche Ebola-Infektion in die Quarantäne-Station eines Krankenhauses in Alicante gebracht worden. Wie die Gesundheitsbehörden am Sonntag mitteilten, hatte der Afrikaner wegen Fiebers eine Klinik in der Hafenstadt im Südosten des Landes aufgesucht.
Die Ärzte stellten Symptome einer möglichen Ebola-Infektion fest. Sie überwiesen den Mann, der kürzlich in sein Heimatland gereist war, daraufhin in eine Spezialklinik.
Labortests müssen nun zeigen, ob der Nigerianer wirklich an der gefährlichen Virus-Krankheit leidet.
In Nigeria ist eine weitere Ebola-Patientin an den Folgen der Krankheit gestorben. Damit sind in dem westafrikanischen Land mittlerweile vier Menschen dem Ausbruch zum Opfer gefallen. Bei der Toten handele sich um eine Krankenschwester, zitierte die Zeitung "Vanguard" am Freitag das Gesundheitsministerium.
Sie hatte Kontakt zu einem Berater der liberianischen Regierung, der im Juli in die Millionenmetropole Lagos gereist und dort am Flughafen zusammengebrochen war. Sie habe ihm geholfen, als er sich übergeben habe und sich dabei mit dem Virus infiziert, hieß es. Der Mann war wenig später in Quarantäne gestorben.
Elf Infizierte in Nigeria
Zudem hat sich in Nigeria ein weiterer Arzt mit Ebola angesteckt. Damit erhöhe sich die Zahl der Infizierten im Land auf elf, sagte Gesundheitsminister Onyebuchi Chukwu am Freitag. Drei davon seien gestorben.
Von den acht Infizierten in Quarantäne sei mehr als die Hälfte auf dem Weg der Besserung. Zur Behandlung der Patienten werde der Einsatz eines experimentellen Ebola-Mittels mit dem Namen "NanoSilver" erwogen. Das Präparat sei von einem nigerianischen Wissenschaftler entwickelt worden.
Derzeit stünden in Nigeria 169 Menschen wegen Ebola-Verdachts unter Beobachtung, 163 in Lagos und sechs in Enugu, hieß es weiter. Die Fälle in Enugu gehen demnach auf eine Krankenschwester zurück, die in Lagos aus der Quarantäne floh und in die gut 500 Kilometer östlich liegende Stadt reiste.
Alle bestätigten Fälle und Verdachtsfälle in Nigeria wiederum gehen auf einen infizierten Berater der liberianischen Regierung zurück, der im Juli in die Millionenmetropole Lagos gereist und dort am Flughafen zusammengebrochen war.
Entwarnung in Frankfurt
Ein Ebola-Verdachtsfall hat am Freitag in Frankfurt am Main für Aufregung gesorgt. Ein Flugpassagier mit Verdacht auf die lebensbedrohliche Krankheit war am Nachmittag mit einer Maschine aus Äthiopien in Frankfurt gelandet und sollte zunächst in die Uni-Klinik gebracht werden.
Nachdem Ärzte den Mann in der Maschine untersucht hatten, wurde aber Entwarnung gegeben, wie der Leiter des Gesundheitsamtes Frankfurt, René Gottschalk, berichtete. "Der Passagier war kein Verdachtspatient."
Eine Infektion könne ausgeschlossen werden. Ein erster Test auf Ebola in Afrika war laut Uni-Klinik bereits negativ ausgefallen.
WHO befürchtet größere Katastrophe als bisher angenommen
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) befürchtet, dass die Ebola-Epidemie in Westafrika schwerer als angenommen ist. Mitarbeiter hätten in den betroffenen Gebieten Hinweise dafür gefunden, dass das wahre Ausmaß des Ausbruchs deutlich über den bislang bekannten Zahlen zu Krankheitsfällen und Opfern liege, teilte die WHO am Donnerstag mit.
Bei der Organisation sind bislang 1975 Fälle in den vier von Ebola betroffenen Ländern Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria erfasst, 1069 Menschen starben an den Folgen des Virus.
Nach Ansicht der Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) wird die Ebola-Epidemie noch mindestens sechs Monate andauern. Die Helfer könnten nicht mit der sich stetig verschlechternden Lage mithalten, sagte MSF-Präsidentin Joanne Liu am Freitag in Genf vor Reportern. Nötig sei eine neue Strategie zur Seuchenbekämpfung, sagte Liu nach einer zehntägigen Reise durch die Region.
Die Ausbreitung der Krankheit beschränke sich nicht auf einige Dörfer, sondern habe auch Liberias Hauptstadt Monrovia erfasst, eine Stadt mit 1,3 Millionen Einwohnern. In den betroffenen Regionen - von Guinea, Sierra Leone bis Liberia sowie Nigeria - herrsche ein Klima der Angst.
Viele Menschen misstrauten den Gesundheitszentren. MSF fehle es an Mitarbeitern, um alle Menschen aufzuspüren, die mit Infizierten Kontakt hatten. Liu appellierte an die internationale Gemeinschaft, alle Mittel zur Bekämpfung der Epidemie zu mobilisieren. "Das Engagement muss auf mindestens sechs Monate ausgerichtet sein", sagte sie.
Welthungerhilfe weitet Hilfe aus
Die Welthungerhilfe weitet ihre Hilfe in den am stärksten vom Ebola-Virus betroffenen Ländern Sierra Leone und Liberia aus. Im Mittelpunkt stehe die enge Zusammenarbeit und Unterstützung der lokalen Behörden, um die weitere Verbreitung der Epidemie einzugrenzen, meldete die Hilfsorganisation.
"Die einheimischen Verwaltungen sind überfordert und haben uns um Hilfe gebeten. Wir unterstützen sie nicht nur mit praktischen Maßnahmen, wie der Verteilung von Hygieneartikeln, sondern bieten auch organisatorische Hilfe für die zuständigen Behörden", wird Mathias Mogge zitiert, Programmvorstand Projekte und Programme.
Die von der Krankheit betroffenen Haushalte leiden unter den notwendigen strengen Quarantänevorschriften. In Sierra Leone dürfen die Menschen ihre Häuser 21 Tage nicht verlassen und können weder ihre Felder bestellen noch einkaufen.
Die Welthungerhilfe stelle in den kommenden Tagen dringend benötigte Nahrungsmittel für die betroffenen Familien bereit, so die Organisation. Im Land seien die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis bereits um bis zu 40 Prozent gestiegen.
In Liberia konzentriert sich die Krankheit bislang vor allem auf die Hauptstadt und die angrenzenden Distrikte. Im Südosten des Landes sind die ländlichen Gebiete noch nicht betroffen.
Um hier einen Ebola-Ausbruch weiterhin zu verhindern, verteilt die Welthungerhilfe an zentralen Stellen Handwaschanlagen und Seife. Außerdem würden die Distriktverwaltungen bei großen Aufklärungs- und Präventionskampagnen im Radio unterstützt, heißt es in der Mitteilung.
Die Caritas will unterdesen mit Aufklärungsmaßnahmen und Hygiene-Sets die Eindämmung der Ebola-Epidemie unterstützen. Dafür würden in Liberia rund 110.000 Euro zur Verfügung gestellt, teilte die Organisation am Freitag in Freiburg mit.
Die Partnerorganisation der Diözese Cape Palmas werde die Menschen über Ansteckungswege von Ebola informieren und darüber aufklären, wie sie eine Infektion vermeiden können. Zusätzlich erhielten 12 000 Menschen Hygiene-Sets mit Eimern, Chlorpulver und Seife. "Aufklärung und Hygiene sind die wichtigsten Komponenten, um Ebola einzudämmen", sagte die zuständige Länderreferentin Birgit Kemmerling. "Die Menschen müssen wissen: Wie erkenne ich Ebola und wie reagiere ich darauf?"
Die Partnerorganisation in Liberia bilde mehrere Tausend Lehrer, Gemeindemitarbeiter, Schüler und Mitglieder in Vereinen und Organisationen aus, die wiederum breitflächige Aufklärungsarbeit leisten sollen. Zudem werde das Wasser der Brunnen in dicht besiedelten Gemeinden mit Chlor gereinigt.
Olympische Jugendspiele in Nanjing: Für Sierra Leone, Nigeria und Liberia tabu
Nach den Teams aus Sierra Leone und Nigeria werden auch die Athleten aus Liberia wegen der Ebola-Pandemie in Westafrika nicht an den Olympischen Jugendspielen in Nanjing teilnehmen.
Das bestätigte das Internationale Olympische Komitee (IOC) am Freitag der chinesischen Nachrichtenagentur Xinhua. Die Sportler aus Liberia seien ähnlich wie die Athleten aus Sierra Leone gar nicht erst in die ostchinesische Metropole gereist.
Als Vorsichtsmaßnahme dürften Sportler aus den betroffenen Ländern nicht an Kampf- und Schwimmsportarten teilnehmen und müssten sich regelmäßigen Fieberproben und Gesundheitstests unterziehen, hieß es laut Xinhua ferner in einer gemeinsamen Erklärung des IOC mit den chinesischen Organisatoren.
Wegen der als Schikane empfundenen Isolation und Behinderungen beim Training hatte sich die Delegation Nigerias mit zehn Sportlern am Donnerstag aus Protest von den Spielen zurückgezogen und wollte wieder heimfliegen.
Die Verärgerung und den Rückzug Nigerias verschwieg die chinesische Staatsagentur in ihrem Bericht. Aus den schwer von Ebola betroffenen afrikanischen Ländern, wo mehr als 1000 Menschen an der Krankheit gestorben sind, waren ansonsten nur noch vier Sportler aus Guinea angekündigt.
Die nach 2010 in Singapur zweiten Olympischen Jugendspiele werden an diesem Samstag von Chinas Präsident Xi Jinping in Anwesenheit von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon eröffnet.
Polemik und falscher Alarm in Italien
Wie groß die Gefahr ist, dass die Ebola-Epidemie auch den europäischen Süden erreicht, und ob denn von den Behörden genug zur frühzeitigen Erkennung getan wird, das hat in Italien zu Unsicherheiten geführt. Zudem löste es auch politischen Streit aus. Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin scheint jedoch felsenfest davon überzeugt, für den Ernstfall präpariert zu sein.
"Seit dem 21. Juni unterstützt das Gesundheitsministerium die italienische Marine an Bord der Schiffe des ,Mare Nostrum'-Programms und hat bereits 33.000 Personen medizinisch kontrolliert",, erläuterte Lorenzin am Donnerstag. Denn immer wieder schwappen Befürchtungen hoch, angesichts des Riesenansturms von Bootsflüchtlingen könnten bei dem Hilfsprogramm der Marine eventuelle Ebola-Fälle zu spät entdeckt werden.
"Wir haben in einer beispiellosen Aktion ein ,Screening auf See' eingeführt», ergänzte die Ministerin. Dabei geht es nicht nur um Ebola, sondern auch um andere Krankheiten, die eingeschleppt werden.
Dabei kommen in Sizilien oder Kalabrien nur wenige Migranten etwa aus dem von der Epidemie betroffenen Sierra Leone an - für Westafrikaner führt der Weg nach Europa eher über Spanien als über das viel weiter entfernte Italien. Wer von der italienischen Marine oder Küstenwache an Bord geholt wird, stammt meist aus Syrien, Eritrea, Somalia oder Pakistan.
Nach dem Ebola-Ausbruch habe man die Kontrollen sofort auch an den Flughäfen verstärkt, ohne dies an die große Glocke zu hängen. So zeigen sich die Gesundheitsbehörden sicher, das Virus von Italien und damit von Europa fernzuhalten. Wissenschaftler meinen, die kurze Inkubationszeit von bis zu drei Wochen mache diesen Weg ohnehin schlicht unwahrscheinlich.
Eine Polizei-Gewerkschaft warf der Regierung von Matteo Renzi vor, nur zu schweigen oder das Risiko herunterzuspielen. Einer Gefahr seien auch alle ausgesetzt, die wie die Polizeibeamten an vorderster Stelle mit den ankommenden Migranten zu tun hätten.
"Unser System der Kontrollen und der Vorbeugung ist absolut unwirksam", meinte der Gewerkschafter Gianni Tonelli. Er verwies auf Tbc-Ansteckungen bei vielen Beamten. Sanitäter verteilen auch Schutzmasken an Migranten.
Biotechnologie-Unternehmen aus Halle hilft mit Forschung
Ein Biotechnologie-Unternehmen aus Halle hilft mit seiner Forschung im Kampf gegen die Ebola-Epidemie. Die Wissenschaftler der Firma Icon Genetics haben eine Technologie entwickelt, mit der bestimmte Proteine in Tabakpflanzen produziert werden, sagte Mitarbeiter Victor Klimyuk.
Mit den gewonnenen Proteinen könne mit Hilfe anderer Beteiligter ein Mittel für die Behandlung von Ebola-Kranken hergestellt werden. Die Technologie sei nur ein kleiner, aber wichtiger Baustein in dem komplizierten Prozess, so Klimyuk.
Das Unternehmen aus Halle arbeitet nach eigenen Angaben bereits viele Jahre mit dem Hersteller des Ebola-Präparats "ZMapp" in den USA zusammen. (dpa/eb)