Schlaganfall
Lysefenster wird weiter aufgestoßen
Schnellstmögliche Diagnose, schnellstmögliche Therapie: Das bleibt Ziel jeder Schlaganfallversorgung. Die gute Nachricht: Dank Bildgebung geht das Behandlungsfenster auch für Lysepatienten weiter auf.
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Ischämischer Insult: Auch Patienten, bei denen der Schlaganfall länger als 4,5 Stunden zurückliegt, können von Lyse profitieren.
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Berlin. Patienten mit ischämischem Schlaganfall sollten innerhalb von 4,5 Stunden ursächlich behandelt werden – dieses einst feste Zeitfenster gilt in Zeiten der Kathetertherapie bei Schlaganfall schon länger nicht mehr uneingeschränkt. Jetzt ist das 4,5-Stunden-Dogma auch für jene Patienten gefallen, die eine Lysetherapie erhalten.
Aus Anlass des bevorstehenden Weltschlaganfalltags am 29. Oktober berichtete der 1. Vorsitzende der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft (DSG), Professor Armin Grau vom Klinikum der Stadt Ludwigshafen, von der kürzlich publizierten EXTEND-Studie, die sich unmittelbar auf die Schlaganfallversorgung auswirken wird.
Deutliches Ergebnis
EXTEND war eine australische Multicenterstudie bei 225 Patienten mit mittelschwerem bis schwerem Schlaganfall, der entweder 4,5 bis 9 Stunden zurücklag oder mit dem die Betroffenen aus dem Schlaf erwachten („Wake-up-Stroke“). Einschlusskriterium war, dass im CT oder der MRT Hirngewebe nachgewiesen werden konnte, das sich durch eine Reperfusionstherapie möglicherweise noch retten lässt. Diese Patienten erhielten entweder eine Lysetherapie oder Placebo.
Das Ergebnis spreche eine deutliche Sprache, so Grau bei der Veranstaltung der DSG in Berlin. 35,4 Prozent der Patienten mit Lysetherapie hatten ein gutes neurologisches Outcome nach 90 Tagen, gegenüber 29,5 Prozent ohne Lysetherapie. Das heißt: 16 Patienten mit einem Schlaganfall, der zwischen 4,5 und 9 Stunden her ist, müssen eine Lysetherapie bekommen, damit ein Patient mehr ein gutes neurologisches Ergebnis erreicht. (N Engl J Med 2019; 380:1795-1803)
Weiterhin: Jede Minute zählt!
Die EXTEND-Ergebnisse werden mittlerweile auch durch eine Metaanalyse gestützt, in die die beiden älteren, deutlich kleineren Studien ECASS4-Extend und EPITHET mit eingeflossen sind. Beide Studien hatten ein neutrales Ergebnis. In der Gesamtschau ist die Bilanz für die Lyse im verlängerten Zeitfenster jetzt aber klar positiv (Lancet 2019; 394: 139-147).
Damit eröffnen sich Optionen für Patienten, die bisher nicht kausal zu therapieren waren: „Das heißt aber nicht, dass Patienten und Behandler sich jetzt mehr Zeit lassen können. Es gilt weiterhin die Regel: Jede Minute zählt!“, betonte Grau.