Bioprinting in der Onkologie
Mit 3D-Drucker auf den Spuren der Karzinogenese
Forscher in Österreichs erstem 3D-Bioprinting-Labor nutzen ein neu entwickeltes Tool, um die Entwicklung von Tumoren, aber auch die Wirksamkeit von Onkologika quasi im Livemodus zu untersuchen.
Veröffentlicht:Innsbruck. Wie manipuliert ein Tumor seine Umgebung? Antworten auf diese Frage suchen Forscher der Medizinischen Universität Innsbruck im 3D-Bioprinting-Labor. Auch wenn das 3D-Tumormikroumgebungs-Modell – ein „fluidic chip“ mit einem drei Millimeter dicken Gewebestück darauf – nachgebaut ist, hat es die Beschreibung „künstlich“ nicht verdient.
Denn das Modell, das von Diplom-Ingenieur Daniel Nothdurfter sowie den beiden Pathophysiologen Privatdozentin Judith Hagenbuchner und Professor Michael Außerlechner an der Medizinischen Universität Innsbruck entwickelt und bereits zum Patent angemeldet wurde, wächst von selbst und ganz natürlich, wie es in einer Unimitteilung heißt.
Diese nahezu realen Bedingungen seien ein großer Vorteil, wenn im Detail erforscht werden solle, wie der Tumor seine Umgebung manipuliert und für sich nutzt. Die weiteren Pluspunkte: Das von menschlichem Gewebe abgeleitete Äquivalent kann standardisiert produziert werden und macht Tierversuche ersetzbar.
Tumorsphäroide aus Neuroblastom
Die Innsbrucker Forscher haben in das neuartige 3D-Tumormikroumgebungs-Modell schon während des Druckprozesses Tumorsphäroide – kugelfömige Tumorzellaggregate – aus einem Neuroblastom, einem der häufigsten soliden Tumoren bei Kleinkindern, zwischen die Zellen des Gewebes gesetzt, welche dort innerhalb von zwei bis drei Wochen zu einem Mikrotumor heranwachsen.
„So war es uns möglich, zu beobachten, wie dieser kleine Tumor die Kapillaren aus dem Gewebe anzieht und diese dann in den Tumor hineinwachsen. Der Tumor baut sich also seine eigene Versorgungsstruktur auf.
Dieses 3D-Modell wird uns helfen, die Mechanismen der Karzinogenese, also des Tumorwachstums, noch besser zu verstehen und damit die Tumormikroumgebung als therapeutisches Ziel für die Krebsbekämpfung besser nutzbar zu machen – und das ohne Tierversuche“, betont Mikrobiologe und Laborleiter Außerlechner.
Dreidimensionales Netzwerk
Das Neue an dieser Entwicklung aus dem 3D-Biodrucklabor der Innsbrucker ist nach eigener Aussage die Kombination aus komplexem gefäßbildendem Gewebe auf einem fluidic chip. Diese mikrofluidischen Bauteile seien im Bereich der Kultivierung von Zellen zwar bereits in Anwendung, doch verfügten sie meist nur über eine Zellschicht. „Unser Gewebe wächst bis zu einer Dicke von drei Millimetern zu einem dreidimensionalen Netzwerk heran“, erklärt Außerlechner.
In einem ersten Schritt würden dafür feine Kanäle in die Chips gelasert und mit dem Biodrucker ein dreidimensionales Hydrogel mit Zellen so aufgebaut, dass feine Kanäle im Gewebe direkt an die Kanäle im Chip angeschlossen werden. Weil das Gewebe zwei bis drei Wochen brauche, um zu wachsen und zu reifen, hätten die darin liegenden Zellen Zeit, sich zu organisieren.
Dadurch verändere sich auch das Volumen des Gewebes und es könne sich vom Plastik ablösen. „Zum Verzahnen von Gewebe und Chip haben wir deshalb ein spezielles Design entwickelt, sodass das lebende Gewebe auch über Wochen stabil und verankert bleibt“, wirbt Außerlechner für sein innovatives Werkzeug.
Biotinte spielt Kupplerrolle
Den Innsbrucker Wissenschaftlern gelang es nach Uniangaben zudem, feine, blutgefäßähnliche Kapillaren zu züchten, sodass alle Zellen in diesem Gewebemodell ausreichend versorgt werden könnten.
„Die Gefäße, die wir direkt mit dem Biodrucker generieren, bilden in unserem Gewebemodell die Hauptversorgungsrouten und haben einen Durchmesser von ca. 0,3 Millimetern. Damit aber auch Zellen im Gewebe versorgt werden, die weiter von diesen Kanälen entfernt sind, müssen feine Kapillaren entstehen. Dafür haben wir eine spezielle Biotinte entwickelt, in der sich die Endothelzellen – sie kleiden die Innenseiten der Blutgefäße aus – zusammen mit Stammzellen innerhalb von sechs bis sieben Tagen spontan in ein feines Kapillar-Netzwerk selbst organisieren und das gesamte Gewebe durchziehen“, erklärt die Biotechnologin Hagenbuchner, die das 3D-Biodrucklabor gemeinsam mit Außerlechner leitet und auch gegründet hat. Der so in Gang gesetzte Prozess laufe ähnlich ab wie die natürliche Wundheilung.
Die Nutzbarkeit des neuen Modells steht nach Angaben der Innsbrucker Forscher vielen Fragestellungen offen. Möglich werde damit etwa die Testung von Angiogenesehemmern, einer Gruppe von Arzneistoffen, die auf die Unterdrückung der Blutge-fäßneubildung und damit des Tumorwachstums abzielt. Auch patientenorientierte und damit personalisierte Fragestellungen ließen sich untersuchen, etwa die Wahl der geeigneten Therapie.
Damit leiste das biogedruckte Gewebemodell auch einen wichtigen Schritt in Richtung Präzisionsmedizin. Selbst für die Erforschung der Metastasierung könnte sich die Entwicklung als geeignete Plattform erweisen.
Bioprinting verfolgt das Ziel, genau wie das klassische Tissue Engineering auch, biologische oder biologisch funktionelle Gewebe im Labor herzustellen. Damit die Biomaterialien mittels 3D-Druck in Form gebracht werden können, müssen ihre Fließeigenschaften laut Fraunhofer-Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik in Stuttgart an die jeweils verwendete Drucktechnik angepasst werden. Nach dem Druckprozess werde die erzeugte Struktur dann zusätzlich durch eine zellverträgliche Vernetzungsreaktion stabilisiert.