Leitlinie aktualisiert

Neue Empfehlungen zu akuter Lungenembolie

Nach zuletzt 2014 hat die European Society of Cardiology (ESC) ihre Leitlinien zum Management bei akuter Lungenembolie wieder aktualisiert. Angefangen bei der Diagnostik bis hin zur Langzeitversorgung gibt es einige neue oder revidierte Empfehlungen.

Von Peter Overbeck Veröffentlicht:
Lungenarterien im Fokus: Bei akuter LE ist eine Risikostratifizierung unabdingbar für die individuelle Entscheidung des therapeutischen Vorgehens.

Lungenarterien im Fokus: Bei akuter LE ist eine Risikostratifizierung unabdingbar für die individuelle Entscheidung des therapeutischen Vorgehens.

© Springer Verlag GmbH

Paris. Die alte Leitlinien-Fassung der ESC zum Management bei Lungenembolie von 2014 war nicht zuletzt durch den Einzug der direkten oralen Antikoagulanzien (NOAKs) in die klinische Praxis geprägt. Ähnlich einschneidende Veränderungen hat es in der jetzt vorgelegten Neufassung, die eine Expertengruppe unter Leitung von Professor Stavros Konstantinides von der Johannes Gutenberg Universität in Mainz erarbeitet hat, nicht gegeben. Gleichwohl hat man die Notwendigkeit gesehen, viele Empfehlungen in Kooperation mit der European Respiratory Society (ERS) der zwischenzeitlich durch neue Studien veränderten Datenlage anzupassen.

Risikostratifizierung

Die Spezifität des D-Dimer-Tests bei Verdacht auf Lungenembolie (LE) nimmt mit zunehmendem Alter ab. Alteradjustierte oder an die klinische Wahrscheinlichkeit adaptierte Cut-off-Werte scheinen die Performance des D-Dimer-Tests beim Ausschluss einer LE verbessern zu können. Die neue Empfehlung lautet, dass der Gebrauch solcher Cut-off-Werte bei der diagnostischen Abklärung alternativ zum fixen D-Dimer-Schwellenwert von 500 ng/ml in Betracht gezogen werden sollte (Klasse-IIa-Empfehlung).

Eine Risikostratifizierung von Patienten mit akuter LE ist unabdingbar für die individuelle Entscheidung des therapeutischen Managements. Für die initiale Risikoabschätzung sind die klinischen Symptome und Zeichen der hämodynamischen Instabilität maßgeblich.

Für die Definition der mit erhöhter Mortalität assoziierten „Hochrisiko-LE“ (high risk LE) ist die hämodynamische Instabilität das entscheidende Kriterium. Hier liefern die neuen Leitlinien nun eine klarere, auf den klinischen Manifestationen Herzstillstand, obstruktiver Schock und persistierende Hypotension basierende Definition. In der großen Gruppe der LE-Patienten ohne hämodynamische Instabilität sollte für eine weitergehende Risikostratifizierung die Bestimmung von klinischen oder per Bildgebung bzw. Labormessung erfassten prognostischen Indikatoren in Betracht gezogen werden (Klasse IIa-Empfehlung). Der Blick sollte dabei primär auf Zeichen einer rechtsventrikulären Dysfunktion und die Ko-Morbidität gerichtet sein.

Klasse-1-Empfehlung für NOAK

Die intravenöse Thrombolyse und die interventionelle beziehungsweise chirurgische Thrombektomie sind als Notfallmaßnahmen bei hämodynamischer Verschlechterung in den neuen Leitlinien aufgewertet worden. Die Thrombolyse ist nun mit einer Klasse-1-Empfehlung (zuvor Klasse-IIa) und die Thrombektomie mit einer Klasse-IIa-Empfehlung (zuvor Klasse-IIb) bedacht worden.

Im Fall einer anstehenden oralen Antikoagulation werden bei dafür geeigneten Patienten nun die direkten oralen Antikoagulanzien (NOAK: Apixaban, Dabigatran, Edoxaban und Rivaroxaban) als bevorzugte Option empfohlen (Klasse-1-Empfehlung). Bisher rangierten NOAK als gleichgestellte Alternative zu den Vitamin-K-Antagonisten. Letztere werden nun als Alternative zu NOAK genannt. Allerdings gibt es eine Klasse-III-Empfehlung (Kontraindikation) für den Gebrauch von NOAK bei schwerer Niereninsuffizienz, während einer Schwangerschaft und in der Stillzeit sowie bei Patienten mit Antiphospholipid-Syndrom.

In Abhängigkeit von den lokalen Möglichkeiten und Ressourcen wird die Einrichtung eines „multidisziplinären Teams“ für das Management von Patienten mit Hochrisiko-LE und von ausgewählten Patienten mit „intermediärem“ Risiko in der akuten Phase angeregt (Klasse-IIa-Empfehlung).

Verlängerte Prophylaxe

Die Dauer der prophylaktischen Antikoagulation ist abhängig vom individuellen Risikoprofil der Patienten. Bislang wurde generell eine Dauer von mindestens drei Monaten empfohlen. Davon, dass sich danach das Risiko für venöse Thromboembolien (VTE) und LE wieder normalisiert hat, ist allerdings nicht auszugehen. Die Beantwortung der Frage, welche Patienten aufgrund eines weiterhin erhöhten Risikos eine längerfristige Antikoagulation benötigen, ist jedoch eine große Herausforderung.

Risikostratifizierung bei Lungenembolie

  • „Hochrisiko-LE“: Für die Definition der mit erhöhter Mortalität assoziierten „Hochrisiko-LE“ ist die hämodynamische Instabilität das entscheidende Kriterium.
  • Die neue Leitlinie liefert hier nun eine klarere, auf den klinischen Manifestationen Herzstillstand, obstruktiver Schock und persistierende Hypotension basierende Definition.

Die neue ESC-Leitlinie zu Lungenembolie ist einsehbar auf: www.escardio.org/Guidelines/

Als Neuerung enthalten die aktualisierten ESC-Leitlinien zur akuten Lungenembolie nun eine Reihe von Empfehlungen, die eine verlängerte Antikoagulation als Maßnahme nahelegen, die bei den meisten Patienten zumindest in Betracht gezogen werden sollte (Klasse-IIa-Empfehlung). Dazu zählen unter anderem Patienten, bei denen zum Zeitpunkt der LE keine erkennbaren Risikofaktoren vorliegen sowie Patienten mit bestehenden „persistierenden“ Risikofaktoren. Im Fall eines Antiphospholipid-Syndroms wird mit besonderem Nachdruck eine lebenslange Antikoagulation mit einem Vitamin-K-Antagonisten empfohlen (Klasse-1-Empfehlung).

Auch in der Frage der frühzeitigen Entlassung und ambulanten Therapie nehmen die neuen Leitlinien nun eine dezidiertere Position ein. Demnach sollte bei „sorgfältig ausgewählten“ Patienten mit niedrigem Risiko eine frühe Entlassung in Betracht gezogen werden, wenn eine anschließende Antikoagulation auf ambulanter Basis gewährleistet ist (Klasse-IIa-Empfehlung).

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