DGP-Kongress 2021
Pneumologen fordern: Staatliches Geld für neue Antibiotika!

Intensive Forschung für neue Antibiotika. Im Durchschnitt muss innerhalb von 15 bis 20 Jahren mit einem maßgeblichen Wirkungsverlust einer antibiotischen Substanz gerechnet werden. Neuentwicklungen sind somit unverzichtbar.
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Berlin. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) fordert verstärkte Anstrengungen bei der Entwicklung neuer Antibiotika. Dabei müsse die öffentliche Hand die klinische Forschung der pharmazeutischen Industrie auch finanziell unterstützen. „Infektionskrankheiten sind eine Bedrohung für die öffentliche Gesundheit. Da ist der Staat in der Pflicht, seine Bürger zu schützen!“, erklärte Professor Mathias Pletz vom Universitätsklinikum Jena am Donnerstag beim digitalen DGP-Kongress.
Resistenzentwicklungen seien nicht vermeidbar, unabhängig vom restriktiven und rational begründeten Einsatz von Antibiotika in der Medizin, erklärte Pletz. Entsprechende Resistenzgene existierten bereits seit Millionen von Jahren, durch den massenhaften Einsatz bestimmter Antibiotika werden diese selektioniert und breiten sich schnell aus, teils über Speziesgrenzen hinweg. Im Durchschnitt muss innerhalb von 15 bis 20 Jahren mit einem maßgeblichen Wirkungsverlust einer antibiotischen Substanz gerechnet werden. Um die Wirksamkeit möglichst lange zu erhalten, ist einerseits der sorgfältige und restriktive Umgang mit den verfügbaren Substanzen notwendig, andererseits die fortlaufende und ständige Neuentwicklung von Antibiotika.
Neue Moleküle, aber wirtschaftliches Risiko
Tatsache ist jedoch, dass sich die pharmazeutische Industrie seit Jahren aus der Entwicklung zurückzieht. In vielen Labors weltweit gebe es neue Moleküle, sagte Pletz. Aber die Industrie sei kaum noch bereit, das wirtschaftliche Risiko einzugehen. Entwicklungskosten von etwa 1,5 Milliarden Euro stünden jährliche Umsätze von im Mittel 46 Millionen Euro gegenüber. Innerhalb der begrenzten Zeit des Patentschutzes könnten forschende Arzneimittelhersteller daher oft kaum noch die Entwicklungskosten hereinholen.
Das liege auch am medizinisch begründeten restriktiven Umgang mit neuen Reserveantibiotika sowie an ökonomischen Hürden auf Versorgerseite, wenn Tagestherapiekosten von zum Beispiel 100 Euro Kosten von ein bis zwei Euro für generische Antibiotika gegenüberstünden, rechnete Pletz vor. Daher dürfe die Entwicklung neuer Antibiotika nicht dem freien Markt überlassen werden.
DGP: Verlängerter Patentschutz könnte helfen
Besonders die Phase-III-Studien seien teuer. Die DGP spricht sich daher für teils öffentlich mitfinanzierte Studien aus. Ein weiterer Ansatz sei die Verlängerung des Patentschutzes für neue Substanzen, wie dies in den USA bereits gehandhabt wird. Positiv bewertet Pletz das Aussetzen der Zusatznutzenbewertung neuer Antibiotika, wenn bestimmte Kriterien erfüllt werden. Das allein reiche aber nicht aus. Vorstellbar sei zusätzlich die Unterstützung der Versorger mit einem Zusatzentgelt, wie das für Antimykotika seit Jahren gängige Praxis ist. Damit könnten Krankenhäuser neue Substanzen auch einsetzen, wenn sie teuer sind. Pletz: „Wir brauchen neue Antibiotika dringender als neue Antimykotika!“