Warnung für Ärzte
RKI rechnet mit Ausbreitung des West-Nil-Virus in Deutschland
Bei unklaren Enzephalitiden sollten Ärzte künftig auch an Infektionen mit dem West-Nil-Virus denken: Das Robert Koch-Institut warnt vor einer Ausbreitung des Virus in Deutschland.
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Mücken der Gattung Culex sind die Hauptüberträger des West-Nil-Fiebers. Sie sind in Deutschland weit verbreitet.
© Stefan Sauer / dpa / picture-alliance
Berlin. Das West-Nil-Virus (WNV) wird sich in Deutschland wohl etablieren und weiter ausbreiten. Dieses Fazit zieht das Robert Koch-Institut aus den aktuellen Daten der WNV-Surveillance (Epi Bull 25/2020). Besonders die wärmebegünstigte Region am Oberrhein müsse künftig als Risikogebiet betrachtet werden.
Das RKI rät Ärzten daher, künftig vor allem im Sommer und Spätsommer und in Gebieten mit bekannter WNV-Zirkulation in Tieren (vor allem im Osten Deutschlands: Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern; aber auch Bayern und Hamburg) bei Personen mit ätiologisch unklaren Enzephalitiden und bei örtlichen Häufungen von Patienten mit Fieber unklaren Ursprungs (mit oder ohne Hautausschlag) eine WNV-Diagnostik zu veranlassen. Dies gelte auch, wenn die Personen keine Reiseanamnese aufweisen.
Kreuzreaktion bei Antikörpertestung
Zur Bestätigung autochthoner WNV-Fälle schlägt das RKI vor, neben einem Antikörpertest wegen der starken Kreuzreaktionen mit Antikörpern etwa gegen das nah verwandte Usutu-Virus (USUV) eine zusätzliche Bestätigungsdiagnostik durchzuführen. So könnten WNV-Virengenome im Urin auch noch Wochen nach Symptombeginn nachgewiesen werden (beispielsweise per RT-PCR oder Next-Generation-Sequencing).
Eine Sequenzierung sei erforderlich, um WNV von USUV sicher unterscheiden zu können und somit eine WNV-Infektion in Abgrenzung von anderen Flaviviren zu bestätigen. „Neben Neutralisationstests, die die Ergebnisse der Serologie spezifizieren können, wird aktuell ein neuer ELISA kommerzialisiert, der basierend auf modifizierten WNV-Hüllenproteinen spezifischer ist“, berichtet das RKI und schlägt vor, auch weiterhin nur solche humanen Fälle als autochthon zu zählen, die derart laborbestätigt sind.
Seit 2016 sind in Deutschland akute humane Infektionen mit Arboviren wie dem WNV meldepflichtig.
Folgen für die Blutspende
Im Jahr 2018 war erstmals eine autochthone WNV-Infektion gemeldet worden, bei der sich ein Veterinärmediziner bei pathologischen Untersuchungen an einem an WNV verendeten Vogel infiziert hatte. Zuvor waren alle in Deutschland aufgetretenen Fälle reiseassoziiert gewesen. Nachdem das Virus offensichtlich in Mücken der Gattung Culex überwintern konnte, wurden 2019 die ersten durch Mücken übertragenen autochthonen Infektionen bekannt. Drei der Erkrankungen verliefen neuroinvasiv.
Als Konsequenz aus den steigenden Zahlen wurden Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit von Blutprodukten ab diesem Jahr angeordnet. Haben sich Spender von Anfang Juni bis Ende November an mindestens zwei aufeinanderfolgende Tagen in einem WNV-Endemiegebiet aufgehalten, dann müssen die von ihnen gewonnenen Spenden mittels RT-PCR auf WNV getestet werden, erinnert das RKI. Falls keine Testung möglich ist, werden die Spender für vier Wochen von der Spende zurückgestellt.