Schulung holt nierenkranke Teenager aus der Außenseiterrolle
Mit dem Transitionsprogramm "Endlich erwachsen" werden Jugendliche mit Niereninsuffizienz erfolgreich der Erwachsenenmedizin übergeben. Die Überlebensrate der Nierentransplantate verbessert sich.
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Überprotektive Eltern und geringes Selbstwertgefühl machen Jugendliche nach Nierentransplantation häufig zu Außenseitern.
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WIESBADEN. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 100 Jugendliche, die als Kind wegen terminaler Niereninsuffizienz eine Transplantation benötigt haben, 18 Jahre alt. Diese Patienten haben nicht nur besondere medizinische, sondern auch psychische und soziale Probleme, sagte Privatdozentin Ulrike John von der Universitätsklinik Jena.
Zur erhöhten kardiovaskulären Morbidität und dem erhöhten Malignomrisiko kommen viele Krankenhausaufenthalte mit Fehlzeiten in der Schule und erheblichen Problemen in der Berufsausbildung.
Krankheit wird häufig verleugnet
86 Prozent der Betroffenen lebten bei ihren Eltern, die ein oft überprotektives Verhalten an den Tag legen, was häufig mit einer problematischen Arzt-Patienten-Beziehung einhergehe, so John. Das Selbstwertempfinden der Jugendlichen sei gering, die Krankheit werde verleugnet.
Dies führe zu einer im zunehmenden Alter immer schlechter werdenden Therapieadhärenz bei der Immunsuppression, sagte die Nephrologin. Das Nierentransplantat-Überleben sei bei Adoleszenten daher vergleichsweise schlecht.
Um nierenkranken Jugendlichen den Start in ein Leben als unabhängige Erwachsene zu erleichtern, hat das KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantation e. V. das Transferprogramm "Endlich erwachsen" initiiert. Die Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren werden über drei Jahre von einem Ausbildungsteam begleitet.
Dazu gehören zwei pädiatrische Nephrologen, eine Soziologin, eine Krankenschwester, ein Sportlehrer und eine Sekretärin.
171 Teilnehmer bislang
In einem siebentägigen Seminar und sechs Wochenend-Workshops werden die Jugendlichen altersgerecht über ihre Erkrankung und die Bedeutung der medizinischen Behandlung unterrichtet. Körperliche Aktivität wird gefördert, die Teilnehmer bekommen Ernährungstipps, psychosoziale Unterstützung für den Umgang mit Freunden und der Familie sowie Hilfe für die berufliche Ausbildung.
Inzwischen haben 171 Adoleszente an diesem Programm teilgenommen. "Drei Jahre nach Programmbeginn waren 90 Prozent der beim Einstieg funktionierenden Transplantate noch intakt", sagte John.
Bezogen auf das Transplantatüberleben 15 Jahre nach der Operation hatten 85 Prozent der Programm-Teilnehmer noch ihre Niere, in einer Gruppe nicht geschulter Teilnehmer waren es dagegen nur 73 Prozent. Am meisten schätzen die Jugendlichen die medizinischen Kenntnisse sowie Hinweise zur Lebensführung und sozialrechtlichen Fragen.
Gute Zusammenarbeit unerlässlich
Solche Schulungsmodelle können nach Meinung der Jenaer Nephrologin ein erster Ansatz sein, um Jugendliche mit chronischen Erkrankungen wie Mukoviszidose, Diabetes mellitus oder Nierenerkrankungen den Übergang ins Erwachsenenleben zu erleichtern.
Dazu müssten Pädiater und Erwachsenenmediziner eng zusammenarbeiten und sich zudem berufs- und gesundheitspolitische Gremien dieser Frage verstärkt annehmen, forderte sie beim Internistenkongress in Wiesbaden.