Magen-Darm

Schwere Infekte sind auf dem Vormarsch

Die Zahl schwerer und potenziell tödlicher Darminfektionen, die eine stationäre Therapie erfordern, ist hierzulande in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Bedroht sind vor allem alte Menschen.

Veröffentlicht:
In Kliniken gefürchtet: Clostridium difficile aus einer Stuhlprobe unter dem Mikroskop.

In Kliniken gefürchtet: Clostridium difficile aus einer Stuhlprobe unter dem Mikroskop.

© Janice Haney Carr / CDC

BERLIN. Im Jahr 2011 wurden 520.795 Patienten mit infektiösen Durchfallerkrankungen stationär behandelt. Allein die Zahl der Hauptdiagnosen hat sich von 127.867 im Jahr 2000 auf 282.199 (2011) mehr als verdoppelt.

Besonders stark zugenommen haben Infektionen mit Clostridium difficile, so die Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) in einer Mitteilung. Der Keim kann sich nach der Einnahme von Antibiotika im Darm ausbreiten. Vor allem ältere Menschen sind davon betroffen. Das Robert Koch-Institut hat auch Alarm geschlagen.

"C.-difficile-Bakterien sind in der Umwelt weit verbreitet und kommen auch bei vielen Gesunden im Darm vor", wird DGVS-Präsident Professor Markus Lerch von der Universitätsmedizin Greifswald in der Mitteilung zitiert.

Stören Antibiotika das Gleichgewicht der gesunden Darmflora, kann sich der Erreger ungehindert vermehren. Gefährlich sind die Toxine der Bakterien. Diese lähmen die Darmwand und führen im schlimmsten Fall zu einem "toxischen Megacolon", also einer ballonartigen Ausweitung des Dickdarms.

Alarmierende Daten

Forscher der DGVS um Privatdozentin Petra Lynen Jansen aus Berlin haben das Ausmaß der schweren Darminfektionen in Deutschland anhand von Daten des Statistischen Bundesamtes ermittelt (Z Gastroenterol 2014; 52: 549).

Danach ist die Zahl der Patienten, die wegen einer C.-difficile-Infektion in Deutschland in eine Klinik kommen, in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen: von etwa 1300 im Jahre 2000 auf 28.200 im Jahre 2011.

Diese Daten sind alarmierend, betont die betont die DGVS und appelliert an Ärzte, Antibiotika sehr sorgfältig und gezielt einzusetzen. 15 bis 20 Prozent der Antibiotika-assoziierten Durchfallerkrankungen würden nämlich durch C.-difficile verursacht.

Die DGVS ist überzeugt, dass ein großer Teil der Sterbefälle an Magen-Darm-Infektionen in Kliniken auf C. difficile zurückgehen. Nach Angaben der Fachgesellschaft sind 2011 insgesamt 4152 Patienten im Krankenhaus im Zusammenhang mit gastrointestinalen Infektionen gestorben.

"Ausgehend von Mortalitätsraten aus den USA gehen wir davon aus, dass in Deutschland jährlich mindestens 2000 Menschen mit C.-difficile-Infektionen sterben", so Lerch.

Gastroenterologen auf dem Gebiet der Infektiologie weiterbilden

Doch nicht allein Erkrankungen mit C. difficile nehmen zu. Wie die Analyse - unter anderem auch von Daten des Robert Koch-Instituts - ergab, steigt auch die Zahl der Infektionen mit Noroviren, Rotaviren, Campylobacter- und E. coli-Bakterien.

Durch Infektionen im Magen-Darmtrakt sind vor allem ältere Menschen gefährdet. So waren etwa bei den C.-difficile-Infektionen mehr als 80 Prozent der Patienten über 65 Jahre alt.

Aber auch bei den virusbedingten Darminfektionen, bei denen Kinder noch die größte Patientengruppe ausmachen, nimmt der Anteil älterer Patienten zu. Die DGVS geht davon aus, dass sich mit der demografischen Entwicklung in Deutschland die Problematik von Darminfektionen weiter verschärfen wird.

Mit jährlich über einer halben Million Magen-Darm-Infektionen in Kliniken gehören die Erkrankungen schon heute zu den häufigsten Infektionen in Deutschland. "Um der wachsenden Aufgabe zu begegnen, müssen wir die Aus- und Weiterbildung von Gastroenterologen auf dem Gebiet der Infektiologie verbessern", betont DGVS-Präsident Lerch. (eb)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Kommentare
Dr. Wolfgang P. Bayerl 11.07.201419:44 Uhr

Es gibt zwei Erklärungen

Man muss unterscheiden zwischen den Keimen im Menschen selbst, insbesondere die Dickdarmflora,
die natürlich beeinflusst wird, weniger durch Antibiotika, wer nimmt die schon täglich, sondern z.B.
durch Säureblocker, deren Indikation man imho zu gedankenlos stellt,
und
die von "extern" kommenden Keime (EHEC), nicht nur durch "Nahrung", sondern
- eingedenk Rober Koch -
auch durch Trinkwasser.
Und hier gibt es ein Tabu, das konnte man sehr schön bei der Suche nach der EHEC - Quelle verfolgen.
Die genetischen Typologie-Experten (Uni Münster) waren sich ja ziemlich einig, die Quelle ist der menschliche Dickdarm, nicht der tierische.
Das Tabu war also die Aussparung der kommunalen Kläranlagen! In der FAZ beklagte sich ein Betreiber, in dessen Abwasser man EHEC gefunden hatte, die Anwohner sollten bitte daraus nicht trinken,
man hätte ihm untersagt, seine Kläranlage auf EHEC zu untersuchen.
Der Ring schließt sich dann zum Trinkwasser, für das bei uns die Kontrollen eben so nicht reichen,
das weis jeder Fachmann.
Der Staat und die Kommunen haben ja bei den enorm steigenden Steuereinnahmen
steigende Defizite, das muss irgendwie kausal verknüpft sein,
so dass Wasserrecht aus Geldmangel nicht mehr ausreichend ernst genommen wird.
Im Mittelalter gab es für "Brunnenvergiftung" die Todesstrafe.
Man musste ihn nur erwischen.
Also bitte nicht so viel messen, nur im privaten Bereich natürlich.

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Leitartikel

Bundesweiter ePA-Roll-out: Reif für die E-Patientenakte für alle

Fallbericht

Schäden an der Netzhaut nach dem Haarefärben

News per Messenger

Neu: WhatsApp-Kanal der Ärzte Zeitung

Lesetipps
Husten und symbolische Amplitude, die die Lautstärke darstellt.

© Michaela Illian

S2k-Leitlinie

Husten – was tun, wenn er bleibt?