5 häufige Medikationsfehler
So wehrt sich die Haut
Die Folgen einer unerwünschten Arzneimittelwirkung spielen sich in vielen Fällen auf der Haut ab. Gerade bei älteren, multimorbiden Patienten unter Polypharmazie handelt es sich dabei nicht selten um das vermeidbare Resultat einer Medikamenteninteraktion.
Veröffentlicht:MÜNCHEN. Explizit vor Azolen warnte Professor Jörg Prinz von der Münchner Poliklinik für Dermatologie und Allergologie bei der 25. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie in München; diese hätten unter den in der dermatologischen Praxis gängigen Medikamenten das höchste Interaktionspotenzial.
Azole sind laut Prinz starke Inhibitoren mehrerer Cytochrom-P450-Isoenzyme. Da viele andere Medikamente über diese Systeme abgebaut würden, sei mit einer Erhöhung der entsprechenden Wirkspiegel zu rechnen. Absolut kontraindiziert sei die zeitgleich zur Azoltherapie vorgenommene Gabe von Terfenadin, Astemizol, Erythromycin, Pimozid, Chinidin und Amiodaron, so der Experte. Hier könne es zu einer Verlängerung der QT-Zeit bis hin zu Kammerflimmern oder -flattern kommen, warnte Prinz.
Serumkreatinin erhöht: Kein MTX!
Auch beim Einsatz von Methotrexat (MTX) ist dem Experten zufolge große Vorsicht angezeigt: Der Folsäureantagonist werde zwar nach einer Serumhalbwertzeit von etwa acht Stunden nahezu vollständig renal eliminiert. Allerdings müsse man wissen, dass das Medikament bei anhaltend hohen Serumplasmaspiegeln zum Teil auch in die Zellen eingeschleust und dort polyglutaminiert werde. In dieser Form könne das Medikament nur schlecht eliminiert werden; die intrazelluläre HWZ betrage mehr als zehn Tage. Damit bestehe die Gefahr der relativen MTX-Überdosierung.
Als Ursachen für dieses Phänomen nannte Prinz eine eingeschränkte Nierenfunktion, gerade bei älteren Patienten, aber auch eine pharmakokinetische Medikamenteninteraktion: "Viele Patienten nehmen in Eigenregie Antiphlogistika wie Ibuprofen oder Diclofenac." Auch diese könnten die renale Elimination hemmen und so zur relativen MTX-Überdosierung führen. Die gefürchtete Folge: eine Myelosuppression, die "ganz schnell in eine Sepsis mit Thrombopenie und Blutungsneigung übergehen kann".
Ein klinisches Warnsignal sei, wenn ein Patient unter MTX eine nekrotisierende Gingivitis oder Schleimhauterosionen zeige. Gefahr im Verzug sei besonders auch bei Psoriasispatienten, die an allen Herden gleichzeitig eine epidermale Nekrose entwickeln. Hier sei umgehend ein Labor zu veranlassen. "Erhöhtes Serumkreatinin", so Prinz, "ist de facto eine Kontraindikation für eine MTX-Therapie."
Standardwerk hilft
Angesichts der Komplexität der möglichen Arzneimittelinteraktionen riet Prinz, im Zweifelsfall ein Standardwerk zu Rate zu ziehen: "Cutaneous Drug Reactions" (Karger 1992). Dieses hatte etwa im Fall eines 73-jährigen Patienten weitergeholfen, der sich mit akut aufgetretenen multiplen nodösen Erythemen vorgestellt hatte. Der Mann nahm zur Behandlung seiner arteriellen Hypertonie Amlodipin, Ramipril und Hydrochlorothiazid ein; wegen einer Onychomykose hatte er zusätzlich Terbinafin verschrieben bekommen. Im Buch fanden sich bei nodösen Erythemen unter den eingenommenen Medikamenten lediglich Referenzen zu Hydrochlorothiazid. Das Absetzen der Substanz führte prompt zum Abklingen der Symptome.
Sorgfältige Aufklärung des Patienten
Immer wieder werden Patienten in die dermatologische Praxis überwiesen, die unter einer Therapie mit Biologicals Hautsymptome entwickelt haben. Dabei handelt es sich laut Prinz jedoch nicht etwa um eine Medikamenteninteraktion. Die Symptome hingen entweder mit dem Wirkmechanismus – der Blockade von bestimmten, für die Immunabwehr wichtigen Zytokinen – zusammen oder seien durch die Immunogenität des Wirkstoffs selbst hervorgerufen. Bei TNF-Antagonisten komme es relativ häufig zu bakteriellen oder viralen Infektionen; IL-17A-Antikörper führten insbesondere zu Candida-Infektionen.
Speziell warnte Prinz vor Fehlinterpretationen aufgrund der Labordiagnostik: Interleukin-6 zum Beispiel blockiere den Entzündungsmarker CRP. "Wenn Sie einen mit IL-6-Antikörper-behandelten Patienten mit einem Erysipel sehen, bei dem die CRP-Erhöhung fehlt, sollten Sie sich trotzdem auf eine schwere bakterielle Infektion festlegen", riet der Experte. Häufig fänden sich unter einer Antikörpertherapie atypische Symptome einer bakteriellen Infektion, beispielsweise multiple kleine Abszesse, eine Intertrigo-betonte, aber weit disseminierte Infektion oder eine ekthymaartige Pyodermie. "Das alles ist kein Grund, Biologicals abzusetzen", betonte Prinz. Es sei aber eine Indikation für eine "ganz entschiedene antibiotische Therapie".
Was man nicht verwechseln dürfe, sei die Psoriasis pustulosa palmoplantaris, eine bei Patienten mit M. Crohn oder Rheumatoider Arthritis nicht allzu seltene Komplikation einer TNF-Blockade. Wie diese paradoxe Reaktion zustande komme, sei nach wie vor nicht geklärt. Prinz rät in solchen Fällen zu einer PUVA-Therapie mit Retinoiden. Das Ergebnis sei allerdings oft unbefriedigend. Das Fazit des Experten: Jede Systemtherapie erfordert die sorgfältige Aufklärung des Patienten inklusive Dokumentation. Um Medikationsfehler zu vermeiden, sind vor allem Begleitmedikationen, das Alter des Patienten und dessen Organfunktion zu beachten.
5 häufige Medikationsfehler in der Dermatologie
Retinoide plus Tetrazykline: Hirndrucksteigerung; plus MTX: toxische Hepatitis
Brivudin plus Chemo oder Immunsuppressiva: gesteigerte Zytotoxizität
Ciclosporin plus Statine: Rhabdomyolyse; Cave: Die Dosierung darf bei übergewichtigen Patienten nicht nach dem Realgewicht, sondern sollte nach dem Idealgewicht erfolgen.
Fluoruracil topisch bei MTX-Einnahme oder Zytostatikatherapie: gesteigerte Zytotoxizität
Salizylsäure topisch bei Kindern Reye-Syndrom mit Enzephalopathie, fettiger Leberdegeneration