Corona-Tests
Spahn will im Gesundheitswesen mehr auf SARS-CoV-2 testen
Jens Spahn hat seinen Strategiewechsel bei Coronatests- und -Quarantäne im Vorfeld der Bund-Länder-Gespräche am Donnerstag verteidigt. Am Mittwoch kündigte er mehr Tests im Gesundheitswesen an.
Veröffentlicht:Berlin. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die von ihm vorgeschlagene Anpassung der Teststrategie am Mittwoch gegen Vorwürfe von Beliebigkeit verteidigt. Die Teststrategie sei im Verlauf der Coronakrise mehrfach angepasst worden. „Ich halte es für einen normalen Bestandteil einer solchen Strategie, die Ansätze ausgehend von der Lage und den Ressourcen weiter zu entwickeln“, sagte Spahn in einem am späten Mittwochvormittag kurzfristig angesetzten Statement im Foyer des Berliner Gesundheitsministeriums.
Spahn zeigte sich zuversichtlich, dass in den Gesprächen zwischen den Länder-Chefs und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Donnerstag ein „guter Kompromiss“ gefunden werde. Der sei wichtig, um den Bürgern nach den Sommerferien verlässlich sagen zu können, wie es beim Reisen und bei der Quarantäne weitergehe.
Aus einer Vorbereitungssitzung zum Bund-Länder-Gipfel ist unterdessen bekannt geworden, dass die Bundesregierung die täglichen Infektionszahlen wieder auf eine mittlere dreistellige Zahl drücken will. Am Mittwoch meldete das Robert Koch-Institut 1576 Neuinfektionen im Vergleich zum Vortag. Fachleute verweisen zudem auf den Zusammenhang zwischen mehr Tests und mehr entdeckten Infektionen.
Spahn hat medizinisches Personal im Fokus
Spahn kündigte an, dass nach Ende der Reisezeit der Fokus des Testgeschehens wieder auf Menschen mit Symptomen und mit Kontakt zu COVID-19-Patienten gelegt werde. Für sie, Ärzte, Pflegepersonal und Pflegebedürftige würden die knapper werdenden Testkits und Reagenzien reserviert. „Die Laborkapazitäten sind endlich.“
Nach dem Angebot kostenloser Tests für alle Reiserückkehrer im Juli hat sich das Testaufkommen aktuell auf mehr als 900.000 in der Woche verdoppelt. In den Laboren knirscht es. Materialien und Personal werden knapp.
In der Pflege regt sich Unmut darüber, dass die regelmäßige Testung von Pflegefachpersonen nicht längst selbstverständlich ist. Nach Ansicht des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe müssten die Mitarbeiter im Gesundheitswesen mit Priorität getestet werden. Zudem sollten sie bei einer Impfung bevorzugt werden, sobald es einen wirksamen Impfstoff gebe. „Pflegebedürftige in der Langzeitpflege gehörten zur am meisten gefährdeten Gruppe für einen schweren und tödlichen Verlauf von COVID-19“, sagte Verbandspräsidentin Professor Christel Bienstein. Sie müssten bei einer zweiten Welle sofort geschützt werden. Bienstein forderte von allen Ländern eine in diese Richtung zielende Teststrategie.
SARS-COV-2-Infizierte immer jünger
Der Bundesgesundheitsminister sieht in der aktuellen Situation gleichzeitig entlastende Momente für das Gesundheitswesen. Die immer jüngeren Infizierten – derzeitiges Durchschnittsalter 32 Jahre – bedeuteten ein geringeres Risiko für Hospitalisierung, Intensivmedizin und Beatmung. Auch die Zahl der Todesfälle sei niedrig. Mit dem Ende der Ferien in Baden-Württemberg und Bayern Mitte September werde das akute Risiko durch Reiserückkehrer wieder sinken. An seine Stelle würden Risiken aus der Schul- und Kitaöffnung treten.
Deshalb sei es folgerichtig, das ursprünglich verordnete Quarantäneregime wieder zu verfolgen und zu verstärken, sagte Spahn. Menschen, die in als Risikogebiete eingestufte Regionen reisen sollten, wüssten um die Folgen. Dies sei ein Unterschied zu Reisenden, die während des Urlaubs zum Beispiel in Spanien von den Ereignissen eingeholt worden seien.
Spahn und eine Mehrheit der Länder planen die auch heute schon verpflichtende 14-tägige Quarantäne dahingehend zu verschärfen, dass ein befreiender Test mit negativem Ergebnis erst nach fünf Tagen möglich sein soll. Gleichwohl müsse sich jeder aus einem Risikogebiet zurückkehrende Reisende beim örtlichen Gesundheitsamt melden.
Länder nicht auf einer Linie
Im Detail werden die Quarantäneregelungen von den Ländern bislang nicht einheitlich durchgesetzt. Mancherorts reicht ein negatives Testergebnis kurz nach Beginn einer Quarantäne, um sie aufzuheben. In anderen Ländern werden mindestens zwei negative Tests in zeitlichem Abstand verlangt. Nicht ausgeschlossen ist, dass auch nach dem Treffen im Kanzleramt an einem föderalen Flickenteppich gewoben wird. Es sei zum Beispiel nicht auszuschließen, dass manche Länder die verpflichtende Quarantänedauer auf zehn Tage verkürzten, hieß es am Mittwoch in Berlin.