Alternative zur Op
Ultraschall gegen das Zittern
Patienten mit essenziellem Tremor profitieren über Jahre von einer Therapie mit fokussiertem Ultraschall. Die DEGUM fordert die Kostenübernahme des Verfahrens durch die Krankenkassen.
Veröffentlicht:Berlin. Gegen essenziellen oder Parkinson-bedingten Tremor kann der Magnetresonanztomografie-gesteuerte fokussierte Ultraschall (MRgFUS) eine Option sein und bisherige Behandlungsmöglichkeiten mit Medikamenten oder Tiefer Hirnstimulation (THS) ergänzen. Darauf weist die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) hin – und sie fordert die Kostenübernahme des Verfahrens durch die Krankenkassen.
Eine aktuelle Studie belege, dass das Zittern bei den Teilnehmern auch drei Jahre nach dem Eingriff noch deutlich gelindert war (Neurology 2019; 93 (24)), so die DEGUM in ihrer Mitteilung.
Studie bei 76 Patienten mit essenziellem Tremor
In der Studie haben Forscher um Dr. Casey H. Halpern von der Stanford-Universität den MRgFUS bei 76 Patienten mit therapieresistentem essenziellem Tremor angewendet. Selbst drei Jahre nach der Behandlung war das Zittern bei der Hälfte der Studienteilnehmer noch deutlich verbessert. Auch Behinderungen und die Lebensqualität hätten sich bei vielen Patienten noch gebessert (56 und 42 Prozent), fasst die DEGUM wichtige Studienergebnisse zusammen.
„Die Bewegungsstörung entsteht im Groß- und Zwischenhirn in Bereichen, die an der Bewegungssteuerung beteiligt sind“, wird DEGUM-Experte Professor Ullrich Wüllner, Universitätsklinikums Bonn, zitiert. Die Aktivität dieser Hirnareale sei zwar prinzipiell über Medikamente beeinflussbar, die Mittel wirkten jedoch längst nicht bei jedem Patienten. Für das Verfahren der Tiefen Hirnstimulation sei ja eine Op nötig, bei der der Schädel des Patienten geöffnet wird – verknüpft mit dem Risiko von Hirnblutungen oder Infektionen.
Schonendere Alternative zur THS
Die DEGUM sieht den MRgFUS als schonendere Alternative: „Das neuartige Verfahren funktioniert ohne operativen Eingriff. Es legt von außen gezielt nur diejenigen Hirnareale lahm, die für das Zittern verantwortlich sind“, erläutert Wüllner. „Die Ultraschallwellen werden genau auf den Zielpunkt gesendet und dort wie bei einem Brennglas gebündelt.“
Eine MRT-gesteuerte Neuronavigation stelle dabei sicher, dass nur der gewünschte Bereich im Gehirn inaktiviert wird. Zudem erfassten die behandelnden Ärzte bereits während der Behandlung die optimale Tremorkontrolle.
Da der Eingriff – trotz des schonenden Verfahrens – eine umschriebene, dauerhafte Schädigung im Gehirngewebe hinterlasse, könnten als Nebenwirkungen Gefühls-, Gangs- und Gleichgewichtsstörungen auftreten. Im Vergleich zu den Nebenwirkungen eines operativen Eingriffs seien diese jedoch eher gering. Insgesamt könne der MRgFUS schonend und präzise angewandt werden.
Schon 35 Patienten erfolgreich behandelt
Wüllner hat selbst schon positive Erfahrungen mit dem fokussierten Ultraschallverfahren gesammelt: Seit eineinhalb Jahren arbeitet er in seiner Bonner Neurologie-Abteilung mit dieser Technik – und konnte damit bereits 35 Patienten erfolgreich behandeln, wie die DEGUM berichtet.
„Bei Parkinson-Patienten, deren Tremor medikamentös nicht in den Griff zu bekommen war, zeigt die Therapie sehr gute, anhaltende Erfolge“, wird der Neurologe zitiert. Bei Patienten mit essenziellem Tremor trete der Tremor bei etwa 30 Prozent der Patienten im Verlauf abgeschwächt wieder auf.
Dieser Langzeitverlauf wird auch in Bonn im Rahmen einer Beobachtungsstudie am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) genau studiert, wie die DEGUM berichtet. Aufgrund der guten Erfahrungswerte, die nun erstmals auch langfristig nachgewiesen worden seien, fordert die DEGUM eine Aufnahme der modernen Ultraschalltherapie in den Katalog der gesetzlichen Krankenkassen. Die Kosten dafür würden von diesen derzeit noch nicht regelhaft übernommen. (eb)