Krebs

Verlängert prophylaktische Op der zweiten Brust das Leben?

Frauen mit Brustkrebs, die sich für eine kontralaterale prophylaktische Mastektomie entscheiden, leben einer Modellrechnung zufolge nach der Op kaum länger als Frauen ohne diesen zusätzlichen Eingriff.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Beidseitige prophylaktische Mastektomie - ein Trend in manchen Ländern.

Beidseitige prophylaktische Mastektomie - ein Trend in manchen Ländern.

© fuxart / fotolia.com

MINNEAPOLIS. Unter anderem in den USA ist ein Trend zu mehr kontralateralen prophylaktischen Mastektomien (KPM) zu beobachten, weniger dagegen in Europa.

Der Hauptgrund vieler Patientinnen für die Entscheidung, sich die zweite Brust auch abnehmen zu lassen, ist nach Angaben von Dr. Pamela R. Portschy von der Universität in Minneapolis die Angst vor einem weiteren Tumor.

Unbestritten ist, dass das Risiko dafür durch die KPM um 90 Prozent reduziert wird. Welchen Einfluss diese Operation auf das Überleben hat, ist jedoch bisher unklar.

Um mehr Klarheit darüber zu erhalten, unternahmen die Chirurgin und ihre Kollegen eine Modellrechnung nach Markov, eine stochastische Methode, die etwa auch für Wettervorhersagen und in der Gesundheitsökonomie verwendet wird (JNCI J Natl Cancer Inst 2014; 106 (8)).

Die Ärzte legten der Modellrechnung Daten der SEER (Surveillance, Epidemiology, and End Results) der USA sowie einer aktuellen Metaanalyse der Early Breast Cancer Trialists Collaborative Group (EBCTCG) zugrunde.

Der Analyse zufolge liegt das Risiko für invasive Tumoren der kontralateralen Brust bei etwa 0,4 Prozent pro Jahr, wenn die Patientinnen mit Tamoxifen behandelt werden und Östrogen-positive Tumoren haben. Bei fehlenden Östrogenrezeptoren liegt das jährliche Risiko bei 0,5 Prozent.

Diese Daten ließen die Forscher in ihre Modellrechnung einfließen. Sie berechneten die zusätzliche Lebenserwartung als Folge der doppelten Mastektomie, die Überlebensrate nach 20 Jahren in beiden Gruppen sowie den Anteil der Frauen, die nach 20 Jahren noch krankheitsfrei leben würden.

Die Annahme bei der Modellrechnung war, dass die einzige Möglichkeit für ein längeres Überleben darin liegt, einen Tumor in der kontralateralen Brust zu verhindern. Der Einfluss auf die Lebensqualität wurde in dem Modell nicht berücksichtigt.

Nutzen für junge Frauen größer

In keiner einzigen Studiensubgruppe erreichte der Modellrechnung zufolge die absolute Differenz bei der Überlebensrate nach 20 Jahren zwischen Patientinnen mit und ohne KPM den Wert von 1 Prozent. Im Brustkrebsstadium I reichten die Werte - je nach zusätzlich berücksichtigten Parametern - von 0,56 bis 0,94 Prozent, im Stadium II von 0,36 Prozent bis 0,61 Prozent.

Am ehesten profitierten junge Frauen von der KPM, Frauen mit Tumoren im Stadium I sowie Frauen mit Östrogenrezeptor-negativem Brustkrebs. Nicht zuletzt beim Überleben schnitten die Patientinnen mit doppelter Mastektomie nicht viel besser ab.

So lebt eine 40-Jährige mit Östrogenrezeptor-positivem Tumor sieben Monate länger, wenn sie sich einer KPM unterzieht, eine 60-Jährige maximal zwei Monate. Jeweils etwas länger leben Frauen mit Östrogenrezeptor-negativen Tumoren.

Portschy und ihre Kollegen betonen, dass in die Modellrechnung Daten von Patientinnen mit niedrigem Krebsrisiko eingeflossen sind. Möglicherweise profitieren Frauen mit Brustkrebs in der Familienanamnese oder mit dem BRCA-1- und/oder -2-Gen eher von der doppelten Mastektomie. Zudem sei bei der KPM von Fall zu Fall zu unterscheiden.

Denn für manche Frauen sei eine Verschlechterung der Lebensqualität eher ausschlaggebend bei der Entscheidung gegen die Op als eine - wenn auch marginal - längere Überlebenszeit. Und Frauen, die große Angst vor einem Tumor in der anderen Brust haben, würden sich aus psychologischen Gründen vielleicht eher für eine KPM entscheiden.

Die Ärzte erinnern schließlich daran, dass vor wenigen Jahren eine US-Studie ergeben hat, dass Frauen mit Brustkrebs zu hohe Erwartungen an den Nutzen einer kontralateralen prophylaktischen Mastektomie hegten und das möglicherweise der Grund dafür sei, dass in den vergangenen Jahren die Zahl der Mammakarzinompatientinnen mit prophylaktischer Operation gestiegen ist.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Zahlen gegen die Angst

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