Telemedizin

Vernetzte Zukunft

Das Zentrum für Telemedizin in Bad Kissingen begleitet telemedizinische Projekte von der Idee bis zur Anwendung. Darunter sind Projekte zur Versorgung von Diabetikern genauso wie Online-Sprechstunden in Flüchtlingsunterkünften.

Anne BäurleVon Anne Bäurle Veröffentlicht:
Dr. Nagham Soda unterstützt per Video einen Mitarbeiter des Roten Kreuzes bei der Untersuchung eines Flüchtlings.

Dr. Nagham Soda unterstützt per Video einen Mitarbeiter des Roten Kreuzes bei der Untersuchung eines Flüchtlings.

© ZTM Bad Kissingen

BAD KISSINGEN. Video-Sprechstunde, Online-Rezept oder Angaben über den Blutzucker, die die Patienten per Smartphone an den Hausarzt schicken – die Telemedizin ist im Alltag so mancher Arztpraxis angekommen. Für die Praxisinhaber ist ein Telemedizinisches Zentrum als "Rundum-Versorger" dabei häufig der erste Ansprechpartner.

So bezeichnet auch Sebastian Dresbach sich und seine Kollegen vom Zentrum für Telemedizin (ZTM) in Bad Kissingen als "Kümmerer". "Wir sorgen dafür, dass telemedizinische Projekte – sei es in der Arztpraxis, in Reha- oder in Pflegeeinrichtungen – zustande kommen und im Alltag auch funktionieren", erklärt Dresbach, Geschäftsführer des ZTM.

Plattform für Anwender und Entwickler

Zu den Aufgaben des Zentrums gehörten Projektmanagement genauso wie die Entwicklung möglicher Anwendungsszenarien und die Wartung und Optimierung der Technik. "Wir sind eine Dienstleistungs-Plattform, die Anwender und Entwickler von Medizintechnik zusammenbringt. Manchmal auch einfach eine Clearingstelle, wenn ein Unternehmen oder eine Einrichtung ein telemedizinisches Projekt realisieren möchte, das so nicht funktioniert", erklärt Dresbach.

"Als Plattform arbeiten wir dabei mit Forschungseinrichtungen wie Hochschulen und Technologiepartnern aus der Medizintechnik zusammen, außerdem mit Krankenhäusern, Rettungsorganisationen oder Wohlfahrtsverbänden."

Dass auch ganz aktuelle Situationen Einfluss auf die Telemedizin haben können zeigt das Projekt "TeleView für Flüchtlinge", das das ZTM gemeinsam mit dem Rhön Klinikum und der neurologischen Klinik Bad Neustadt Anfang des Jahres auf den Weg gebracht hat – und für das es kürzlich mit dem Telemedizinpreis 2016 der Deutschen Gesellschaft für Telemedizin ausgezeichnet wurde.

Video-Sprechstunde in Notunterkünften

Für TeleView entwickelte das ZTM angesichts der schwierigen Lage in den Flüchtlingsunterkünften ein Videokonferenzsystem, mit dem Ärzte mit Migrationshintergrund die medizinische Versorgung in Notunterkünften unterstützen können. "In der neurologischen Klinik am Campus Bad Neustadt etwa haben wir mit Dr. Hassan Soda und Dr. Nagham Soda zwei Ärzte mit syrischen Wurzeln als medizinische Koordinatoren und Initiatoren des Projekts an unserer Seite. Mit ihnen haben wir unter anderem einen Anamnesebogen auf syrisch entwickelt", berichtet Dresbach.

Die Hilfsorganisation Rotes Kreuz übernehme die Versorgung vor Ort. "Klagt bei den Sitzungen in den Flüchtlingsunterkünften jemand über Schmerzen oder hat Beschwerden, wird eine Videosprechstunde mit einem Arzt arrangiert, der die Sprache des Patienten spricht", so Dresbach.

Dieser könne dann eine Überweisung an einen Haus- oder Facharzt in der Region in die Wege leiten. "Bisher läuft das Projekt in einer Flüchtlingsunterkunft in Bad Kissingen. Es ist aber so erfolgreich, dass wir es jetzt in der Fläche etablieren wollen" zeigt sich Dresbach zuversichtlich. Aktuell werde in der Regierung von Unterfranken eine Anschlussfinanzierung für weitere Einrichtungen geprüft.

Viele Diabetiker unter Flüchtlingen

Viele der hier ankommenden Flüchtlinge leiden nach ihrer Flucht an psychischen Traumata und Infektionskrankheiten, eine Studie von DGIM und BDI hat jedoch auch gezeigt, dass überraschend viele Diabetiker unter den Flüchtlingen sind – einer Erkrankung, die sich telemedizinisch recht gut überwachen lässt.

So hat auch das Zentrum für Telemedizin in Bad Kissingen gemeinsam mit Ärzten einen Sensor für Diabetiker getestet, berichtet ZTM-Geschäftsführer Dresbach. Dieser sei mit einer kleinen Nadel versehen und werde direkt auf der Haut aufgebracht.

Der Sensor, der bis zu zwei Wochen getragen werden könne und dann ausgetauscht werde, messe permanent den Blutzucker und speichere die Daten, auch nachts. Die Patienten könnten die Daten mit einem Lesegerät auslesen und sie im Anschluss direkt an den behandelnden Arzt weitergeben.

Kooperationspartner in Sicht

"Zwei Patienten haben den Sensor damals bei uns getestet – und nutzen ihn auch weiterhin", sagt Dresbach. Mittlerweile sei ein solcher Sensor auf dem Markt und für Patienten erhältlich. Auch in Zukunft möchte sich das Zentrum für Telemedizin dem Thema Diabetes widmen: "Diabetes ist eine Erkrankung, die sich gut telemedizinisch überwachen lässt, vielleicht ergeben sich hier in Zukunft noch einige Projekte", meint Dresbach.

Kooperationspartner für zukünftige Projekte hat das ZTM in jedem Fall: Zunächst vor fünf Jahren mit Fördergeldern des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege und dem Landratsamt Bad Kissingen als Verein gegründet, verfügt das ZTM mittlerweile über ein großes Netzwerk aus Technologiepartnern und Forschungsverbänden. 2013 wurde neben dem heute noch existierenden Verein die ZTM Bad Kissingen GmbH aufgebaut.

Viele Akteure in der Medizin-Branche beteiligt

Mit Blick auf die demografische Entwicklung sei es von Beginn an das Ziel gewesen, Experten aus Medizin und Wissenschaft zusammenzubringen und die telemedizinische Versorgung in der Region voranzutreiben: "An der Vereinsgründung waren schon damals viele Akteure in der Medizintechnik-Branche in der Region beteiligt, wir hatten also bereits enge Kontakte und haben diese weiter ausgebaut", berichtet Dresbach.

Allerdings sei im Laufe der Zeit deutlich geworden, dass die Verbreitung von telemedizinischen Systemen über die Unternehmensstruktur eines Vereins nicht zu schaffen sei.

Heute arbeiten in Bad Kissingen und am Standort Karlsruhe 19 Mitarbeiter, vor allem Informatiker und Projektmanager, die Gesundheitsdaten analysieren und medizinische Anwendungen konzipieren und entwickeln, etwa eine telemedizinische Voranmeldung von Notfallpatienten.

Diese kann bereits im Vorfeld medizinische Daten wie Vitalparameter, spezielle Scores oder Bilder einer Unfallstelle an das Krankenhaus übermitteln. Eingesetzt wird die Software bereits, beispielsweise am Klinikum Augsburg oder am Uniklinikum Würzburg.

Zentrum für Telemedizin Bad Kissingen:

2010 wurde das ZTM Bad Kissingen als Verein gegründet.

2013 kam die ZTM Bad Kissingen GmbH hinzu, die den operativen Betrieb des Dienstleistungszentrums und den Vertrieb der etablierten Lösungen verantwortet.

Gefördert wird das ZTM vom Bayerischen Ministerium für Gesundheit und Pflege und dem Landkreis Bad Kissingen.

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