Ein Jahr IfSG-Reform

Vom K(r)ampf gegen Keime

Warten auf die Wirkung: Ein Jahr ist das neue Infektionsschutzgesetz alt. Die Länder müssen seitdem Hygiene-Verordnungen erlassen. Doch manche hängen hinterher, wie eine Analyse der "Ärzte Zeitung" zeigt. Aber nicht nur daran hapert es.

Von Rebecca Beerheide Veröffentlicht:
Mit dem Schrubber gegen Keime.

Mit dem Schrubber gegen Keime.

© deblik, Berlin

NEU-ISENBURG. Sie sind unsichtbar und der Kampf gegen sie ist eine Sisyphusarbeit: Um Patienten besser vor Keiminfektionen in Kliniken, Arztpraxen und Heimen zu schützen, ist vor einem Jahr das neue Infektionsschutzgesetz in Kraft getreten.

Je nach Berechnung soll es in Deutschland jährlich zwischen 600.000 und 800.000 Keiminfektionen geben, je nach Statistik sterben zwischen 7500 und 20.000 Menschen an deren Folgen.

Mit dem Gesetz hatte die Bundesregierung den Ländern eine Frist bis Ende März 2012 gesetzt, eigene Rechtsverordnungen zu erlassen. Nach einer Abfrage der "Ärzte Zeitung" bei 16 Länderministerien haben bis Mitte Juli drei Länder das Verfahren zur "Verordnung über die Hygiene und Infektionsprävention in medizinischen Einrichtungen" (MedHygVO) nicht abgeschlossen.

In Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen sind die bisherigen Vorschriften noch nicht novelliert worden (siehe Karte unten).

Für Hygiene-Experten ist der Schritt zu den Hygieneverordnungen in den Ländern ein Meilenstein. Lob für die Regelungen speziell in Kliniken kommt von einem der profiliertesten deutschen Klinikhygieniker: Professor Franz Daschner sieht in der Verbesserung der Prozessqualität einen deutlichen Fortschritt.

"Allerdings erreichen wir so noch keine Verbesserung der Ergebnisqualität", erklärt Daschner im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Daschner leitete bis zu seiner Emeritierung 2006 das von ihm 1992 gegründete Institut für Umweltmedizin und Krankenhaushygiene am Uniklinikum Freiburg.

Arbeiten KRINKO und Co zu langsam?

Dass Kliniken mit mehr als 400 Betten nun verpflichtet werden, entsprechend ausgebildetes Personal im ärztlichen und pflegerischen Bereich einzustellen, sieht er als eine sehr positive Entwicklung.

"Allerdings arbeiten die wissenschaftlichen Kommissionen wie beispielsweise das RKI viel zu langsam. In Deutschland wird der wissenschaftliche Standard oft zehn Jahre zu spät übernommen."

Laut den Länder-Hygieneverordnungen sowie dem Infektionsschutzgesetz des Bundes sollen bis 2016 Kliniken ab 400 Betten einen Krankenhaushygieniker sowie ab 300 Betten mindestens eine Hygienefachkraft eingestellt haben.

Allerdings werden ärztliche Fachkräfte bereits heute mit einer Art "Kopfgeld" gesucht.

Da in den vergangenen Jahren 15 Institute für Klinikhygiene an den Fakultäten geschlossen wurden und die verbliebenen zwölf Institute oft nur mit einer Professur ausgestattet sind, wird der Nachwuchsmangel im ärztlichen Bereich eklatant bleiben.

Um diesem Mangel zu begegnen, gibt es Überlegungen, zunächst Zusatzausbildungen für Fachärzte anzubieten. Denn laut Professor Daschner sind die Weiterbildungsordnungen für den Hygienefacharzt viel zu lang.

"Hier muss es für die Übergangszeit eine Weiterbildungszeit von zwei bis drei Jahren geben. Sonst wird es noch Jahre dauern, bis diese Personallücke abgebaut ist."

Probleme bei der Ausbildung

Das prophezeit auch Professor Axel Kramer von der Universität Greifswald. Der Facharzt für Hygiene und Umweltmedizin ist einer der zwölf verbliebenen Lehrstuhlinhaber für Hygiene.

Für ihn ist auch eine Zusatzausbildung für Krankenhaushygieniker von rund zwei Jahren denkbar. Diese Zusatzausbildung stünde dann interessierten Fachärzten anderer Disziplinen offen.

Allerdings "geht es mit dem Curriculum derzeit nicht voran", sagt Professor Kramer im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Um auch dem Mangel an Hygienefachkräften zu begegnen, wird in einigen Ländern und Kliniken verstärkt Personal weitergebildet. In manchen Regionen werden auch Studiengänge an Fachhochschulen eingerichtet.

Diese oft eher technisch angelegten Studiengänge lösen aber das Problem nicht. Professor Daschner aus Freiburg plädiert dafür, dass es bei der Klinikhygiene nicht zu sehr um technische Fragen gehen sollte.

"Klinikhygiene ist eine ärztliche Tätigkeit, keine Aufgabe für technische Ingenieure", sagt er.

Denn Hygienefachärzte müssen sich mit anderen Medizinern auf Augenhöhe über neue Prozesse beim Einsatz von Harnwegskathetern oder bei der Vermeidung einer Sepsis verständigen.

Fragen zur Hygiene in Arztpraxen

Laut Kramer, der auch Mitglied der Initiative Infektionsschutz ist, stoßen Kliniken bei der Veränderung von Arbeitsprozessen an ihre Grenzen.

"Bei der Analyse von Ablaufprozessen fällt immer wieder auf, dass der Wille zur Umsetzung da ist, doch der Personalschlüssel der Station andere Prozesse nicht zulässt."

Und auch bei den Regeln für die Hygiene in Arztpraxen gibt es weiter Verbesserungsbedarf. Denn während die Länder-Rechtsverordnungen deutliche Anforderungen an Kliniken stellen, sind für Arztpraxen die Regelungen nicht klar formuliert.

Die Musterverordnung, die von der Arbeitsgemeinschaft Infektionsschutz der Länder erarbeitet wurde, sieht zwar einen Geltungsbereich für die Arztpraxen vor, enthält aber keine Handlungsanweisungen für Praxischefs.

So weist nur Niedersachsen "Anforderungen für die Praxen" aus. In den Verordnungen von Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen finden sich Formulierungen, dass es einen sektorenübergreifenden Informationsaustausch geben muss.

In anderen Verordnungen werden Praxischefs aufgefordert, Maßnahmen zur Hygiene "sicherzustellen".

Die KBV erklärte auf Anfrage der "Ärzte Zeitung", dass man an Musterhygieneplänen für Niedergelassene arbeitet und Mitarbeiter aus KVen schult.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Rückhalt für Sisyphos-Arbeiter

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