Interaktionsgefahr
Vorsicht mit Kräutern und Supplementen bei Chemotherapien!
Ein hoher Anteil von Krebspatienten vertraut auf komplementäre oder alternative Präparate. Im Umfeld von Chemotherapien kann dies riskant sein, wie eine exploratorische Analyse ergeben hat.
Veröffentlicht:Das Wichtigste in Kürze
- Frage: Welche Bedeutung hat die Einnahme von komplementären oder alternativen Präparaten für die Therapie von Krebspatienten?
- Antwort: Ein großer Anteil der Krebspatienten greift vor, während und nach einer Chemotherapie zu Kräutern und Supplementen. Die Gefahr pharmakologischer Interaktionen steigt dadurch beträchtlich.
- Bedeutung: Die Verwendung von Zusatzpräparaten ist mit jedem Krebspatienten ausführlich zu erörtern. Solche Gespräche sollten fortgeführt werden, weil Patienten Präparate dieser Art nach Abschluss der Chemotherapie noch häufiger einnehmen als währenddessen und davor.
- Einschränkung: Die Studie hatte nur 67 Teilnehmer und war exploratorischer Natur. Ob die beschriebenen Interaktionen Folgen hatten, blieb unklar.
Cleveland. Die Anwendung komplementärer oder alternativer Medizin ist bei Krebspatienten seit je verbreitet. Viele Studien haben das bestätigt. Ein erheblicher Teil der Patienten greift dabei zu Kräutern und Nahrungsergänzung. Das birgt, neben direkten Nebenwirkungen, im Falle nötiger medikamentöser Therapie das Risiko von Interaktionen der beteiligten Substanzen.
Dr. Richard Lee von der Klinik der Case Western Reserve University in Cleveland hat versucht, den noch immer begrenzten Kenntnisstand zu solchen Interaktionen zu erweitern (Cancer 2021; online 1. Februar). Zusammen mit Kollegen befragte er Frauen mit Brustkrebs und Männer mit Prostatakarzinom im Alter zwischen 39 und 77 Jahren danach, welche Substanzen sie vor, während und nach ihrer Chemotherapie eingenommen hatten – wobei sowohl klassisch medizinisch verordnete als auch komplementär- oder alternativmedizinische Präparate gemeint waren.
Insgesamt beteiligten sich allerdings lediglich 67 Personen an der Befragung – 58 davon Brustkrebspatientinnen –, sodass die Ergebnisse als exploratorisch anzusehen sind und nur den Boden für künftige größere Untersuchungen bereiten können.
Hälfte der Interaktionen durch zusätzliche Alternativmedikation
Trotz der beschränkten Teilnehmerzahl sind die Resultate der Studie insofern erhellend, als insgesamt über die drei Phasen vor, während und nach der Chemotherapie stattliche 1747 potenzielle Medikationsinteraktionen festzustellen waren. Sie entsprachen 635 verschiedenen Typen. Betroffen waren 63 der 67 Patienten.
Mit 70 Prozent waren in den Großteil der Interaktionen verschriebene Medikamente involviert, doch an immerhin 56 Prozent von ihnen waren Kräuter oder Supplemente beteiligt. Solche Präparate nahmen 84 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu irgendeinem Zeitpunkt der Studie ein.
Das höchste Interaktionsrisiko bestand während der Chemotherapie. 90 Prozent der Patienten erlitten hier wenigstens eine pharmakologische Interaktion, nach der Chemotherapie sank das Risiko auf 73 Prozent. Vor der Therapie hatte es bei 52 Prozent gelegen.
Kommentar zu Supplementen und Chemotherapie
Komplementäres Risiko
Mehr als ein Drittel, 38 Prozent, der Interaktionen wurden als substanziell klassifiziert, weitere 54 Prozent als moderat. Der Gebrauch von Kräutern und Ergänzungsmitteln stieg bei den Patienten von 49 Prozent vor und 51 Prozent während der Chemotherapie auf 66 Prozent danach – und zugleich nahm die Prävalenz von damit verbundenen Interaktionen von 37 Prozent auf 46 Prozent und 60 Prozent zu. Patienten, die Kräuter und Supplemente verwendeten, liefen generell eine höhere Interaktionsgefahr als Patienten, die auf solche Zusätze verzichteten (92 Prozent vs. 70 Prozent).
Die fünf häufigsten ernsten Interaktionen
Am häufigsten zusätzlich eingenommen wurden Multivitaminpräparate, Kalzium, Vitamin D, Fischöl und Magnesium. Die fünf häufigsten ernsten Interaktionen zwischen Krebsmedikamenten und Kräutern beziehungsweise Nahrungszusätzen waren jene zwischen:
- Docetaxel und Vitamin C (verminderte Wirksamkeit durch das Antioxidans);
- Cyclophosphamid und Vitamin C (dito);
- Cyclophosphamid und Vitamin A (gesteigerte Lebertoxizität);
- Cyclophosphamid und Vitamin E (verminderte Wirksamkeit durch das Antioxidans);
- Docetaxel und Vitamin E (dito).
Nachlassende Wirkung durch die Einnahme von Vitamin C oder E war darüber hinaus für Doxorubicin und Paclitaxel gegeben. Als weiteres häufiges Problem verzeichneten Lee und seine Kollegen die Einnahme von Folsäure bei einer Behandlung mit Capecitabin; die Toxizität von Capecitabin wird dadurch gesteigert. Ob die Interaktionen klinische Folgen hatten, blieb indessen offen.