Forschung
Warum Schwangere stark von der Grippe-Impfung profitieren
Nur wenige Schwangere in Deutschland werden wie empfohlen gegen Grippe geimpft. Dabei ist bei einer Infektion das Komplikations-Risiko für Mutter und Kind deutlich erhöht. Studien im Tiermodell zeigen jetzt die Ursachen auf.
Veröffentlicht:
Viele Frauen sind skeptisch: Die Bedenken zur Impfung lassen sich aber durch Fakten entkräften.
© absolutimages / fotolia.com
NEU-ISENBURG. Eine Schwangerschaft ist für das Immunsystem eine Ausnahmesituation. Weil der Fötus zur Hälfte väterliche Antigene trägt, reagiert die Abwehr der Schwangeren mit gezielter Toleranz. Hierdurch werde sichergestellt, dass der Fötus nicht abgestoßen wird, berichtet der "Impfbrief online". Die heruntergeregelte Abwehr ist aber offenbar auch ein Grund für das hohe Komplikationsrisiko bei Schwangeren mit Influenza. Schwangeren Frauen wird daher die Grippe-Impfung empfohlen.
Die Abwehrkräfte in der Schwangerschaft haben jetzt Infektiologen um Géraldine Engels vom Leibniz Institut für Experimentelle Virologie in Hamburg im Tierversuch genauer untersucht. Danach haben trächtige Mäuse bei einer Infektion durch Influenza A (H1N1)pdm eine deutlich abgeschwächte antivirale Immunantwort. Die Influenza-Infektion verläuft bei den trächtigen Tieren zudem sehr viel schwerer als bei nicht-trächtigen (Cell Host Microbe. 2017; 21: 321).
Zudem haben die Forscher nachgewiesen, dass sich in den trächtigen Tieren neue, hochvirulente Influenzavirus-Varianten bilden können. So fanden sich in HA- und NS-Genen des Influenza-A (H1N1)pdm-Virus in schwangeren Mäusen Mutationen, die bei nichtschwangeren Mäusen nicht auftraten. "HA" steht für Hämagglutinin, ein Protein auf der Virusoberfläche, das Erythrozyten verklumpt. "NS" steht für Nichtstrukturelle Proteine (NS1 und nuclear export protein (NEP)). Auch bei der Pandemie 2009 sei die Mutation NS1 R211K in schwangeren Frauen häufiger nachgewiesen worden als in anderen an Influenza-A (H1N1)pdm Erkrankten. Dies sei ein Hinweis, dass das Mausmodell Entsprechungen im Menschen hat. Die Forscher schlagen zudem ihr Mausmodell vor, um die Pathogenität von Influenzavirus-Varianten für Schwangere einzuschätzen.
Große Studie zur Impfstoffsicherheit
Auf die Bedeutung der Grippe-Impfung bei Schwangeren weist Dr. Jan Leidel aus Köln hin: "Nach Studiendaten ist das Risiko einer influenzabedingten Hospitalisierung signifikant erhöht", so der ehemalige STIKO-Vorsitzende zur "Ärzte Zeitung". Dieses Risiko steigt nach seinen Angaben zum Ende der Schwangerschaft bis auf das bis zu Vierfache an. Zudem sei das für eine Influenza typische hohe Fieber ein wichtiger Grund für Fehlgeburten und Entwicklungsstörungen des Embryo oder Feten.
"Für die Sicherheit der Impfung sowohl für die Schwangere als auch für das ungeborene Kind gibt es zahlreiche Studien-Belege", betont Leidel und verweist auf Daten von Professor Christof Schaefer, Leiter des Pharmakovigilanz- und Beratungszentrums für Embryonaltoxikologie an der Charité in Berlin. "Dort wurden während der Pandemie 2009 mehrere tausend Schwangerschaftsverläufe ausgewertet. Dabei wurden keine Hinweise gefunden, dass die Schwangerschaft durch die Impfung negativ beeinflusst wird, und zwar weder bei einer Impfung in der Frühschwangerschaft noch im 2. oder 3. Trimenon", so Leidel. Die Untersuchungen schlossen sowohl die saisonalen Grippe-Impfstoffe als auch den Pandemieimpfstoff ein. Dabei seien keine erhöhten Fehlgeburtsraten noch vermehrte Schwangerschaftskomplikationen oder angeborene Schädigungen der Kinder festgestellt worden.