US-Registerdaten
Weniger PSA-Screening, mehr metastasierte Prostatakarzinome
Nachdem sich die US Preventive Services Task Force (USPSTF) gegen ein allgemeines PSA-Screening ausgesprochen hat, ist in den USA die Inzidenz metastasierter Prostatakarzinome gestiegen.
Veröffentlicht:Das Wichtigste in Kürze
Frage: Wie hat sich die Inzidenz von mPCa nach der Empfehlung der USPSTF gegen ein PSA-Screening entwickelt?
Antwort: Bei Männern zwischen 45 und 74 war die Inzidenz in den Jahren davor stabil, bei Älteren leicht rückläufig. Nach der Änderung ist die Inzidenz in beiden Altersgruppen gestiegen, und zwar um 5,3 Prozent bzw. 6,5 Prozent pro Jahr.
Bedeutung: Die Zunahme von mPCa in den USA hängt vermutlich mit den geänderten Screening-Empfehlungen zusammen.
Einschränkung: Auswertung von SEER-Daten, die keine Angaben zu Screening und Diagnostik enthalten.
Los Angeles. Die US Preventive Services Task Force (USPSTF) hatte 2008 zunächst von einem PSA-Screening bei über 75-Jährigen abgeraten und dann 2012 die Negativempfehlung auch auf jüngere Männer ausgedehnt. Begründet wurde die Entscheidung mit den Risiken von Überdiagnostik und Übertherapie, die den Nutzen der krebsspezifischen Mortalitätsreduktion übertreffen würden.
Es besteht allerdings die Sorge, dass das Herunterfahren von Screening-Angeboten mit einem (Wieder-)Anstieg von metastasierten Prostatakarzinomen bezahlt wird. Eine Analyse der jüngsten SEER-Registerdaten untermauert diese Befürchtung: Bei insgesamt sinkender Inzidenz von Prostatakarzinomen (PCa) in den Jahren 2010 bis 2018 hat die Inzidenz von metastasierten PCa (mPCa) gleichzeitig zugenommen (JAMA Netw Open 2022; online 14. März).
mPCa-Inzidenz nach 2010 um 41 Prozent gestiegen
Die analysierten SEER-Register decken mehr als ein Viertel der US-amerikanischen Bevölkerung ab, in den Jahren 2004 bis 2018 wurden rund 836.000 PCa-Patienten neu erfasst, davon rund 47.000 mit Fernmetastasen. Bei Männern zwischen 45 und 74 war die altersadjustierte Inzidenz von mPCa in den Jahren 2004 bis 2010 stabil, gefolgt von einem Inzidenzanstieg um 41 Prozent in den Jahren danach. Rechnerisch erhöhte sich die mPCa-Rate zwischen 2010 und 2018 jedes Jahr um 5,3 Prozent.
Noch deutlicher waren die Unterschiede bei den über 75-Jährigen: Bei ihnen war die mPCa-Inzidenz zwischen 2004 und 2011 leicht rückläufig gewesen und stieg zwischen 2011 und 2018 um 43 Prozent an. Die jährlichen prozentualen Veränderungen betrugen -1,5 Prozent vor und +6,5 Prozent ab dem Jahr 2011.
Bei nicht hispanischen weißen Männern – jener Gruppe, die bei Screeninguntersuchungen besonders stark vertreten ist - machten sich die Auswirkungen der geänderten USPSTF-Empfehlungen am stärksten bemerkbar. Bei den unter bzw. über 75-Jährigen erhöhte sich die mPCa-Inzidenz nach 2010 im Schnitt um 7,5 Prozent bzw. 6,9 Prozent pro Jahr.
Die Zunahmen der mPCa-Inzidenz in der zweiten Phase blieben signifikant, wenn die zu erwartende Verzögerung zwischen geänderter Screening-Politik und der Ausbildung von PCa-Metastasen berücksichtigt wurde.
Mehrere Faktoren deuten auf Kausalzusammenhang
Auch wenn die Daten nur eine Koinzidenz zeigen und einen Kausalzusammenhang nicht belegen können, vermuten die Studienautoren um Professor Mihir Desai von der University of Southern California in Los Angeles, dass die nach 2008 und 2012 deutlich gesunkenen PSA-Screeningraten für den mPCa-Anstieg verantwortlich sind.
Veränderungen in der Biologie des Krebses oder in Umweltfaktoren würden deutlich langsamer zutage treten, und Verbesserungen in der Diagnostik von mPCa würden die Raten nicht so deutlich steigern. Für eine Kausalität spricht den Ärzten zufolge auch, dass der mPCa-Anstieg bei über 75-Jährigen früher als bei Jüngeren eingetreten war und dass weiße Männer besonders betroffen waren.
Laut Autoren „impliziert die steigende mPCa-Inzidenz nicht, dass die Screening-Praxis wieder geändert werden muss“. Es sei aber notwendig, die Entwicklung wachsam zu verfolgen, um zu sehen, ob sie sich weiter fortsetze und ob sie sich auch in der PCa-Mortalität niederschlage. Tatsächlich hat die USPSTF im Jahr 2018 ihre Empfehlungen nochmals modifiziert: Bei Männern über 70 spricht sie sich weiter gegen das Screening aus, bei 55- bis 69-Jährigen soll die Entscheidung darüber nach entsprechender Aufklärung individuell getroffen werden.