Antibiose bei Otitis?
Wichtig ist der Blick aufs Trommelfell
In einer finnischen Studie profitierten Kinder mit akuter Otitis media und starker Trommelfellwölbung am meisten von einer Antibiotikabehandlung.
Veröffentlicht:TURKU. Antibiotika gelten als bewährte Therapieoption bei akuter Otitis media. Aktuelle Resistenzentwicklungen und häufiges Therapieversagen stellen deren routinemäßigen und möglicherweise unnötigen Einsatz allerdings infrage. Bei etwa jedem zweiten Kind heilt eine akute Otitis media (AOM) ohne Antibiotika problemlos aus.
Mit einer Sekundäranalyse einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie haben Paula Tähtinen von der finnischen Uniklinik Turku und Kollegen untersucht, welche Kinder am meisten von einer antimikrobiellen Behandlung profitieren und bei welchen Patienten zunächst eine engmaschige Beobachtung unter Schmerztherapie möglich ist (Pediatrics 2017; online 8. August).
Die analysierten Daten beziehen sich auf 319 Kinder zwischen 6 und 35 Monaten, die im Rahmen der Primärversorgung einer AOM über sieben Tage entweder Amoxicillin/Clavulansäure (40/5,7 mg/kg/Tag) oder Placebo erhalten hatten. Alle Kinder waren einmal gegen Haemophilus influenzae Typ b und 2,2 Prozent von ihnen gegen Pneumokokken geimpft. Bei 91,8 Prozent war ein pralles oder vorgewölbtes Trommelfell erkennbar, bei 76,5 Prozent eitriges Sekret und bei 9,7 Prozent fanden sich hämorrhagische Rötungen.
Wann Antibiotika versagen
Bei 31,7 Prozent aller Probanden kam es zu Therapieversagen, seltener bei älteren Kindern zwischen 24 und 35 Monaten als bei jüngeren (20 vs. 34,4 Prozent). Auch spitz zulaufende Tympanogramme (A- und C-Kurve) bei der Erstuntersuchung waren in der multivariaten Analyse ein Indiz für eine bessere Therapieantwort (Hazard Ratio für Therapieversagen: HR 0,53 bzw. 0,43).
In der Subgruppenanalyse zeigte sich bei Studienteilnehmern mit starker Vorwölbung des Trommelfells unter der antibiotikafreien Therapie ein nahezu doppelt so hohes Risiko für ein Therapieversagen wie bei Kindern mit moderater, geringer oder fehlender Trommelfellwölbung (HR 1,96). Dagegen war das Risiko von Kindern mit schwerem Krankheitsbild gegenüber einer schwächeren Ausprägung bei antibiotischer Behandlung nicht erhöht (HR 0,51).
Die größten Gruppenunterschiede im Hinblick auf das Therapieversagen zeigten sich bei den Kindern mit starker Trommelfellwölbung (nach Antibiotikatherapie 11,1 vs. 64,1 Prozent unter Placebo). Tähtinen und Kollegen errechneten daraus eine Number needed to treat (NNT) von 1,9. Es müssten also zwei Kinder antibiotisch behandelt werden, um bei einem Kind ein Therapieversagen zu verhindern.
Im Gegensatz der kürzlich publizierten Leitlinie der American Academy of Pediatrics (AAP) gehen Tähtinen und Kollegen aufgrund ihrer Studienergebnisse jetzt davon aus, dass Kinder auch ohne schwere Symptomatik und mit nur einem schmerzenden Ohr bei starker Trommelfellvorwölbung von einer antimikrobiellen Behandlung profitieren können. Andererseits, so die Autoren, sei die Tympanometrie hilfreich, um herauszufinden, welche Kinder zunächst auf eine antibiotische Therapie verzichten könnten.
Studienergebnisse in Kürze
» Bei Kindern mit starker Vorwölbung des Trommelfells zeigte sich unter antibiotikafreier Therapie ein fast doppelt so hohes Risiko für ein Therapieversagen wie bei Kindern mit moderater, geringer oder fehlender Trommelfellwölbung.
» Das Risiko von Kindern mit schwerem Krankheitsbild gegenüber einer schwächeren Ausprägung bei antibiotischer Behandlung was nicht erhöht.