Molekulare Grundlagen
Wie der MH Corona Explorer die Versorgung COVID-19-Kranker verbessern soll
Durch Computermodellierung und -Simulation kann aus bereits publizierten klinischen Daten zusätzliches Wissen generiert werden, das Einblicke in die molekularen Abläufe bei Krankheitsprozessen gibt. Auch COVID-19-Patienten könnten von Modellen ihrer Erkrankung profitieren. Der MH Corona Explorer liefert ein solches.
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Diagnostische und therapeutische Entscheidungen immer auf Basis aktueller Erkenntnisse treffen: „Dynamische Leitlinien“ können das möglich machen.
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Berlin / Heidelberg. Politiker, Mediziner, Wissenschaftler und Leitlinien-Experten setzen auf „dynamische Leitlinien“, um die Betreuung von SARS-CoV-2-Infizierten zu verbessern. In diesen „dynamischen Leitlinien“ sollen auch Erkenntnisse zu molekularen Grundlagen der Infektion und der Krankheitsprozesse berücksichtigt werden.
Das ist jetzt bei einem vom Bundesministerium für Gesundheit unterstützten Forum deutlich geworden, zu dem das Biotech-IT-Unternehmens Molecular Health eingeladen hatte. „Durch das präzise Verständnis der molekularen Grundlagen und Schlüsselprozesse der COVID-19-Erkrankung wird es möglich sein, die vielfältigen Symptome und Langzeitfolgen zeitnah und zielgenau behandeln zu können.
Dafür soll auch dieses Wissen in dynamische klinische Leitlinien einfließen und somit den Ärztinnen und Ärzten zur Verfügung gestellt werden“, seien sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Friedrich von Bohlen, CEO von Molecular Health, einig gewesen, heißt es in einer Mitteilung des Heidelberger Unternehmens.
Molekulares COVID-19-Krankheitsmodell
Einen Ansatz hierzu liefert das COVID-19-Krankheitsmodell des Unternehmens, das gemeinsam mit Forschern sowie Klinikern der Universität Zürich entwickelt worden sei: Der MH Corona Explorer ist eine browserbasierte Anwendung, über die ein molekulares COVID-19-Krankheitsmodell visualisiert und exploriert werden kann, das erstmals die Vielfalt an Symptomen und den Langzeitverlauf der Erkrankung auf der molekularen Ebene erklärbar macht. Dieses Modell basiert auf der Vernetzung, Prozessierung und Integration des weltweit publizierten Wissens.
„Acht Schlüsselmechanismen, die in verschiedenen Organen gestört werden können, erklären den systemischen Charakter der Erkrankung, von der Lungenschädigung über kardiovaskuläre Manifestationen bis hin zu Leitsymptomen wie Geruchs- und Geschmacksverlust. Ein weiterer Aspekt des Modells klärt auf, wie die Erkrankung sich von der akuten Virusinfektion entkoppeln und zum sogenannten Long-COVID-Syndrom führen kann“, wird Dr. Stephan Brock, CTO von Molecular Health, zitiert.
„Die unterschiedlichen Verläufe und Langzeitfolgen fügen sich jetzt zunehmend zu einem Gesamtbild zusammen“, resümiert Professor Simon Hoerstrup, Universität Zürich, in der Mitteilung. Computermodellierung und -simulation könnten maßgeblich dazu beitragen, in Zukunft schneller richtige Entscheidungen zu treffen – für COVID-19, aber auch für andere Krankheitsbilder. Hoerstrup wies auch auf die Chancen hin, Computermodellierung und -simulation für die Hypothesengenerierung für klinische Studien zu nutzen, oder für das Repurposing von Medikamenten.
„Bereicherung der digitalen Behandlungsleitlinien“
Mittlerweile arbeitet die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) mit 33 Fachgesellschaften an der Aktualisierung der Leitlinien zu COVID-19.
„Das stetig wachsende Wissen aus allen beteiligten Fachgesellschaften muss Ärztinnen und Ärzten schnell am Krankenbett zur Verfügung stehen. Deshalb brauchen wir digitale Behandlungsleitlinien. Wenn diese jetzt um die Erkenntnisse zu molekularen Hintergründen der Erkrankung bereichert werden können, könnte das die Behandlung von Patientinnen und Patienten dramatisch verbessern“, wird Professor Ina Kopp, Leiterin des AWMF-Institut für Medizinisches Wissensmanagement, zitiert.
BMG Abteilungsleiter Dr. Gottfried Ludewig begrüßte es zum Abschluss der Veranstaltung zudem, dass das Unternehmen hierzu in Kürze ein erstes Projekt zur Anwendung des MH Corona Explorers am COVID-Zentrum der Universitätsmedizin Essen starten wird.
Molecular Health entwickelt Software in den Bereichen in silico und Präzisionsmedizin. Damit sollen große Datenmengen in evidenzbasierte, medizinisch relevante Entscheidungshilfen umgewandelt werden, wie das Unternehmen mitteilt. Die Software-Lösungen würden dort eingesetzt, wo die präzisionsmedizinische Patientenversorgung oder eine effiziente Arzneimittelentwicklung zunehmend komplexe Dateninterpretationen erforderten. (eb)