Datenschutz

Corona-App nun doch mit dezentralisierter Speicherung

Der Streit um die geplante Corona-Warn-App in Deutschland scheint entschieden. Die Bundesregierung bevorzugt nun doch eine dezentrale Speicherung der Daten - und macht damit auch den Weg frei, schnell die Smartphone-Schnittstellen von Apple und Google zu nutzen.

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In Entwicklung: Die Warnung vor SARS-CoV-2 per App.

In Entwicklung: Die Warnung vor SARS-CoV-2 per App.

© dmitrimaruta / stock.adobe.com

Berlin. Die Bundesregierung hat eine wichtige Richtungsentscheidung für ihre geplante Corona-Warn-App getroffen. Sie schwenkt auf eine dezentrale Speicherung der Nutzerdaten ein, wie Kanzleramtschef Helge Braun und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) am Sonntag bestätigten.

Bereits am Samstag war die Bundesregierung in der Diskussion um die Entwicklung einer Corona-Warn-App nach den Worten von Kanzleramtschef Helge Braun auf dezentralisierte Speicherung der Nutzerdaten eingeschwenkt. Im Gespräch mit dem ARD-Hauptstadtstudio hatte Braun am Samstagabend den Kurswechsel erkennen lassen. Man werde nunmehr „eine dezentralisierte Architektur vorantreiben, die die Kontakte nur auf den Geräten speichert und damit Vertrauen schafft“.

Zuletzt hatte das Bundesgesundheitsministerium erklärt, es bevorzuge eine zentrale Speicherung der Nutzerdaten. Das sei wichtig, um die Entwicklung der Epidemie besser verfolgen zu können, hieß es. Zu klären sei auch, wer dann über die Daten verfügen solle.

„Besser für den Datenschutz“

Die jetzt getroffene Lösung ist nach Einschätzung von Experten besser für den Datenschutz als ein zentraler Abgleich der Daten. Zudem wird damit der Weg frei, die Apps mit den Smartphone-Systemen von Apple und Google zu verknüpfen. Das dürfte die Apps effizienter und sicherer machen.

Die Corona-Apps sollen helfen, die Ansteckungen nachzuverfolgen, wenn Ausgehbeschränkungen gelockert werden. Sie sollen erfassen, welche Smartphones einander nahegekommen sind – und Nutzer warnen, wenn sich später herausstellt, dass sie sich neben infizierten Personen aufgehalten hatten.

Regierung setzt auf breite Akzeptanz der App

„Wir verfolgen als Bundesregierung bei der Entwicklung einer Tracing-App einen Ansatz, der auf Freiwilligkeit beruht, datenschutzkonform ist und ein hohes Maß an IT-Sicherheit gewährleistet“, betonten Braun und Spahn. Die Regierung habe das Ziel, dass angesichts der bereits erfolgenden Öffnungen nach den umfangreichen Kontaktbeschränkungen sehr bald die Tracing-App einsatzbereit sei und eine breite Akzeptanz finde.

Zuvor hatten das ARD-Hauptstadtstudio und die „Welt am Sonntag“ über die Entscheidung berichtet. Noch vor wenigen Tagen sah es danach aus, dass die Bundesregierung eher einen zentralisierten Ansatz bevorzugen könnte. „Bei einem zentralen Server müssen Sie demjenigen vertrauen, der ihn pflegt, also in diesem Fall dann möglicherweise einer staatlichen Stelle. Bei einem dezentralen System müssen Sie Apple und Google vertrauen, die das dann pflegen“, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag. Der zentralisierte Ansatz war zugleich von Forschern und IT-Experten kritisiert worden.

Einzelner nicht nachverfolgbar

Beim Konzept von Apple und Google soll die Entfernung zwischen den Nutzern anhand der Bluetooth-Signalstärke gemessen werden. Die Smartphones sollen zudem per Bluetooth Krypto-Schlüssel austauschen, die sich alle 10 bis 20 Minuten ändern. Damit soll man Begegnungen nachvollziehen können, ohne dass ein Einzelner nachverfolgbar wäre.

Ein Kernpunkt des Konzepts von Apple und Google ist, dass die Feststellung, ob man sich in der Nähe eines infizierten Nutzers aufhielt, ausschließlich auf den Smartphones erfolgen soll. Sie laden sich dafür mindestens einmal am Tag Listen von Krypto-Schlüsseln herunter, die infizierten Personen gehören. Dabei bleibt deren Identität für Apple, Google und die anderen App-Nutzer unbekannt.

Die Behörden können Grenzwerte für Signalstärke und die Zeit, die Geräte nebeneinander verbringen, festlegen. Das heißt: Google und Apple liefern die technischen Werkzeuge, aber die Gesundheitsbehörden entscheiden, wann sie von einer Ansteckungsgefahr ausgehen.

Schnittstellen in iOS13 und Android 6 geplant

Von Google kommt das dominierende Smartphone-System Android; Apple entwickelt die iOS-Software seiner iPhones. Damit sind die US-Konzerne als einzige in der Position, die nötigen Schnittstellen direkt in die Betriebssysteme einzubauen. Gleichzeitig kann es schwierig sein, andere Konzepte ohne ihre Kooperation umzusetzen. So forderte Frankreich von Apple, aus Datenschutzgründen eingeführte Einschränkungen für den Bluetooth-Betrieb im Hintergrund auszuhebeln, damit die von der Regierung bevorzugte Corona-App funktioniert.

Apple will die Schnittstellen im Mai zunächst für iPhones mit der System-Version iOS 13 verfügbar machen, bei Google ist es Android 6.

Optional: Datenübermittlung an das RKI

Die Nutzung der App durch möglichst große Teile der Bevölkerung sei die Grundlage ihres Erfolges, erklärten die beiden CDU-Politiker am Sonntag. „Um dieses Ziel zu erreichen, setzt die Bundesregierung auf eine dezentrale Softwarearchitektur, die die in Kürze zur Verfügung stehenden Programmierschnittstellen der wesentlichen Anbieter von mobilen Betriebssystemen nutzt und gleichzeitig die epidemiologische Qualitätssicherung bestmöglich integriert.“ In der App solle auch die Möglichkeit integriert werden, freiwillig in pseudonymisierter Form Daten zur epidemiologischen Forschung und Qualitätssicherung an das Robert Koch-Institut zu übermitteln.

Die Grünen begrüßten die Regierungsentscheidung. Fraktionsvize Konstantin von Notz sprach im „Handelsblatt“ von einem „Einlenken in der letzten Kurve“. FDP-Fraktionsvize Frank Sitta mahnte: „Das Bundesgesundheitsministerium ist nun dringendst aufgefordert, zeitnah das weitere Vorgehen und bestehende Risiken vollumfänglich transparent offenzulegen.“ (dpa)

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Kommentare
Carsten Windt 29.04.202006:56 Uhr

Wenn man die letzten beiden Tage als Update betrachtet, so kommen doch erhebliche Zweifel an dieser App und die Art der Implementierung. Man muss schon zwischen den Zeilen lesen: "In der App solle auch die Möglichkeit integriert werden, freiwillig in pseudonymisierter Form Daten zur epidemiologischen Forschung und Qualitätssicherung an das Robert Koch-Institut zu übermitteln." Mit anderen Worten: Ich kann zwar freiwillig Daten an das RKI übermitteln, aber dann gibt es offensichtlich auch eine unfreiwillige Ebene. Es werden also auch Daten ohne meine Zustimmung übermittelt.

Interessant ist die Frage nach Schnittstellen. Offensichtlich plant bzw. überlegt man, die App zwangsweise zu implementieren. (Verschwörungstheorie aus?), jedenfalls wird hier eine Backdoor installiert, die für andere staatliche und kriminelle Maßnahmen ein Einfallstor bilden.

Und natürlich muss die Frage erlaubt sein, was nach der "Pandemie" geschehen soll, wenn man schon eine schöne App für Bewegungsprofile hat.

Zum Schluss: irritiert hat mich die Aussage, dass bei "Android 6" die Änderung gelten soll. Es soll wohl heißen ab Android-6, denn die Nutzer sind längst bei den Varianten 9 und 10 angekommen. Android 6 entspricht doch Windows-XP, wenn man beim Vergleich bleibt

Dr. Peter Schimmelpfennig 27.04.202017:04 Uhr

Der Verdacht, dass hier andere Motivationen bestehen, die nichts mit der Coronapandemie zu tun haben drängt sich auf und sollte zumindest zur Skepsis führen.

Dr. Thomas Georg Schätzler 27.04.202011:18 Uhr

Realitätsfernes Wunschdenken von Smartphone-Enthusiasten bei immer noch erheblichen Funklöchern

Nicht nur der Chaos Comupter Clubs und andere Netzaktivisten, sondern auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) und die Bundesregierung mitsamt multimedialer Öffentlichkeit übersehen wesentliche technische Probleme bei dem Ansatz für eine Corona-App und dem damit verbundenen Hype.
Wir als Haus- und Familien-Ärztinnen und -Ärzte wissen um die Beschränktheit der Mittel und Möglichkeiten.

1. Nicht alle Bundesbürger von 0-100 Jahren verfügen über ein Smartphone.
2. Nicht alle haben ausnahmslos alle App's bzw. die spezielle Corona-App auch installiert.
3. Nicht alle haben ihre möglichen Bluetooth-Verbindungen App-konform installiert.
4. Nicht alle geben ihre Bewegungsprofile frei.
5. Nicht alle verstehen Datenschutz im Spannungsfeld zwischen individuellen, unveräußerlichen Freiheitsrechten und überwachungsstaatlichen Eingriffen.

Der Schutz der alten Bevölkerung, der Hochrisikogruppen und der besonders Gefährdeten ist bei einer Corona-App Teilnehmerquote von unter 50 Prozent nicht gegeben und auch bei 60 Prozent fragwürdig.

M.E. ist das blinder, populistischer Aktionismus: Die Bundesregierung müsste neben dem Schließen von Funklöchern schon jedem Bewohner vom Säugling bis zu Greis ein Smartphone schenken, um zumindest theoretisch eine epidemiologische Qualitätssicherung zu implementieren. “In der App solle auch die Möglichkeit integriert werden, freiwillig in pseudonymisierter Form Daten zur epidemiologischen Forschung und Qualitätssicherung an das Robert Koch-Institut zu übermitteln" ist realitätsfernes Wunschdenken von Smartphone-Enthusiasten.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

Dr. Wilfried Scharner antwortete am 27.04.202019:52 Uhr

Es gibt bei der Corona-App Ähnlichkeiten zur Telemedizin, z. B. der Telekardiologie. Man ist auf die Einsicht und Mitwirkung der Menschen/Patienten angewiesen. Auch hier gab und gibt es technische Probleme, trotzdem ist das Ganze erfolgreich. Auch hier war von Technik-Freaks und Handy-Enthusiasten die Rede.
Da diagnostische Methoden Grenzen und z. T. Nachteile haben ist es wichtig, den Nutzen herauszustellen.
Wenn aber die Bedenkenträger alle Probleme durchdeklinieren wird es im Gegensatz zur Telemedizin kein Erfolg.
Bei allem Verständnis für Datenschutz übersieht man, dass mit Facebook und Co. eine Unmenge persönlicher Daten in die Welt gepostet werden und vermutlich nicht auf deutschen Servern landen.
Weltweite Bemühungen zur Eindämmung der Pandemie mit Hilfe der neuen Möglichkeiten der Telekommunikation sind kein blinder, populistischer Aktionismus.

Carsten Windt 27.04.202007:40 Uhr

So. Von der pseudoanonymisierten App zur anonymen App.

Die pseudoanonymisierte App hatte natürlich keine Zukunft, denn das Ziel war ab einen bestimmten Zeitpunkt die Anonymität aufzuheben und Bewegungsprofile anzulegen. Was bei Ebola vielleicht noch vertretbar ist, dürfte für SARS-COV-2 vollkommen überzogen und weder mit Datenschutz noch mit dem Grundgesetz vereinbar sein.

Die dezentrale Lösung: Wo ist der Unterschied? Auch hier ist eine derartige Lösung nur sinnvoll, wenn sie letztlich nur pseudoanonym ist. Problem siehe oben.

Die Qualität der Aussagen ist wie der krankhafte Versuch nicht von einer Tracking-App zu reden, und dafür den Begriff Tracing-App zu verwenden. Dabei gibt es keinen Unterschied zwischen beiden Begriffen.
Obwohl der Begriff "to trace" im Bereich der Datentechnik fest angesiedelt ist. Und hier handelt es sich die genaue Nachverfolgung von Daten und ihren Wegen "eben doch der gläserne Bürger?).

Für die Praxis lautet also: Entweder ist die App absolut sinnlos oder rechtlich bedenklich.

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