Saarland
Missbrauch an der Uniklinik? Ausschuss steht ohne Akten da
Der mit großen Ankündigungen eingesetzte Untersuchungsausschuss im Saarländischen Landtag sollte Licht in die Missbrauchsvorwürfe an der Homburger Uniklinik bringen. Die Abgeordneten sind sauer – angeforderte Akten fehlen immer noch.
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Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Uniklinikum Homburg. Ein Untersuchungsausschuss bemüht sich, Missbrauchsvorwürfe zu klären.
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SAARBRÜCKEN. Im Saarland droht der parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Missbrauchsvorwürfe an der Homburger Uniklinik zur Farce zu werden.
Zwei Monate nach Einsetzung des Ausschusses stehen die Landtagsabgeordneten immer noch ohne Akten da. Die Abgeordneten wollen nun bei Justiz, Landesregierung und Uniklinik auf die Herausgabe der Unterlagen drängen.
Das wurde am Montag bei der ersten öffentlichen Sitzung des Untersuchungsausschusses im Saarländischen Landtag deutlich. Als einzige Zeugin war die Saarbrücker Rechtsanwältin Claudia Willger geladen, die den Skandal ins Rollen gebracht hatte. „Ich falle seit April von einer Ohnmacht in die nächste“, sagte die 58-Jährige. Immer mehr Eltern würden sich bei ihr melden. Inzwischen vertrete sie zwölf Kinder.
Linke erwägen Klage
Bei der Vernehmung Willgers hielten sich die Abgeordneten aber eher zurück. Stattdessen nahmen die Juristen der Uniklinik die Rechtsanwältin ins Kreuzverhör, wollten wissen, woher sie ihre Informationen habe, auf welche Aktenzeichen sie sich berufe. Da konnten die anwesenden Politiker nur staunen. „Da haben sie einen Informationsvorsprung“, räumte die Ausschussvorsitzende Dagmar Heib von der CDU ein. „Uns liegen diese Akten noch nicht vor.“
„Ich bin ratlos, ob wir mit den Befragungen weiterkommen, ohne auf die Akten zurückgreifen zu können“, meinte der SPD-Obmann im Ausschuss, Jürgen Rinner. „Wir haben gar nichts“, schimpfte der stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, Dennis Lander von den Linken. „Wenn das weiter so schleppend läuft, drohen wir mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht des Saarlandes“. Immerhin habe man schon in der ersten Sitzung am 24. September Akten von Uniklinik, Landesregierung, Staatsanwaltschaft und Jugendämtern angefordert. Gekommen sei bislang aber so gut wie gar nichts.
Der Ausschuss soll eigentlich die Vorgänge in der Homburger Kinder- und Jugendpsychiatrie aufklären. Dort soll ein inzwischen verstorbener Assistenzarzt in der „Ausscheidungsambulanz“ von 2010 bis 2014 viele medizinisch unnötige Untersuchungen im Anal- und Genitalbereich von Kindern vorgenommen haben.
24 Aktenordner gesichtet
Die Klinik spricht von 300 Patienten, die der Arzt behandelt hatte. Eine „Task Force“ kam nach der Durchsicht von 24 Aktenordnern zu dem Ergebnis, dass der beschuldigte Arzt während seiner Studienzeit in Homburg wohl keinen Missbrauch verübt hatte. Für Empörung hatte indes gesorgt, dass die Eltern jahrelang nicht informiert wurden.
Opfer-Anwältin Willger erläuterte dem Ausschuss, was das für die betroffenen Familien bedeutete. In einem Fall habe ein Kind eine für die Eltern unerklärliche Szene gemacht, als sie sich für eine Untersuchung beim Orthopäden ausziehen sollte. In einem anderen Fall hätten die Eltern gerätselt, warum ihr Kind unter Angststörungen leidet – mit dem Wissen über die Vorfälle in der Ambulanz hätten sie ihren Kindern eventuell helfen können.
Verjährungsfrist verstrichen
Auch die Staatsanwaltschaft hätte den Eltern nach Ansicht der Opfer-Anwältin sagen müssen, was passiert ist. „Weil die Eltern nicht informiert wurden, konnten sie auch keine juristischen Konsequenzen ziehen“, so Willger. Bitter: In einem Fall sei die Verjährungsfrist in diesem März abgelaufen.
Die Rechtsanwältin hatte Strafanzeige gegen Verantwortliche der Uniklinik und die damals zuständige Staatsanwältin gestellt. Doch alle Strafanzeigen wurden abgewiesen, nicht mal Ermittlungen wurden aufgenommen. Begründung: Kein Anfangsverdacht.
Während die Abgeordneten in Saarbrücken bislang noch nicht einmal die Akten haben, um die Vorgänge in der Homburger Kinder- und Jugendpsychiatrie zu untersuchen, sorgen neue Verdachtsfälle an der Homburger Uniklinik für Schlagzeilen – dieses Mal in der HNO-Klinik. Polizei und Staatsanwaltschaft rückten zur Durchsuchung in der Klinik an, beschlagnahmten Patientenakten und E-Mail-Verkehr.
Transparenz blieb aus
Auslöser war der Fall eines sechsjährigen Mädchens, bei dem 2012 bei einer Mandel-Operation eine blutende Wunde im Analbereich festgestellt worden war. Danach meldeten sich weitere Eltern. Die Uniklinik geht inzwischen offenbar nicht davon aus, dass es sich um Fälle sexuellen Missbrauchs handelte, sondern möglicherweise um Verletzungen etwa durch Zäpfchengabe oder eine Temperatursonde.
Doch trotz versprochener großer Transparenz: Informiert wurden Politiker und Öffentlichkeit zunächst nicht durch die Universitätsklinik, sondern durch betroffene Eltern.