Modellrechnung
RKI: Impfkampagne hat Zehntausende Todesfälle verhindert
Das Corona-Impftempo in Deutschland stagniert, in der Politik wird vor einem Bund-Länder-Treffen über mögliche Nachteile für Ungeimpfte debattiert. Wie wichtig eine Impfung ist, zeigen Modellrechnungen des Robert Koch-Instituts.
Veröffentlicht:Berlin. Impfungen gegen das Coronavirus haben nach einer Analyse des Robert Koch-Instituts (RKI) eine hohe Wirksamkeit und können Zehntausende Leben retten. Laut einer Modellrechnung sind durch die Impfkampagne im Verlauf der dritten Corona-Welle geschätzt 38.300 Todesfälle verhindert worden.
Für die mathematische Modellierung wurden Effekte der Impfung gegen COVID-19 auf den Pandemieverlauf in Deutschland im Zeitraum Januar bis Juli 2021 quantifiziert. Es wurde modelliert, wie der Verlauf der dritten Welle gewesen wäre, hätte die Impfkampagne nicht stattgefunden.
In Altersgruppe ab 60 erwartende Fälle besonders reduziert
Aus den Analysen ergibt sich, dass die Impfkampagne bisher geschätzt 706.000 Meldefälle, 76.600 stationäre und etwa 19.600 intensivmedizinische Fälle sowie mehr als 38.300 Sterbefälle verhindert hat, wie das RKI in seiner aktuellen Ausgabe des „Epidemiologischen Bulletins“ berichtet (Epid Bull 2021; 35; online 6. August).
Insbesondere in der Altersgruppe von Menschen im Alter ab 60 Jahre sei die Zahl der zu erwartenden Fälle für jeden der genannten Endpunkte um mehr als 40 Prozent reduziert. „Diese hohe Effektivität der COVID-19-Impfkampagne verdeutlicht eindrucksvoll, dass Impfungen den Weg aus der Pandemie ebnen“, schreibt das RKI.
Derzeit stehe Deutschland am Anfang einer vierten Welle. Um deren Ausmaß so gering wie möglich zu halten, sei es nötig, den Anteil der geimpften Bevölkerung schnellstmöglich zu erhöhen.
Chronik der Entwicklung und Ereignisse
Alles zur Corona-Impfung
Spahn: „Eine persönliche Entscheidung, die alle betrifft“
Mehr als 45 Millionen Menschen in Deutschland sind mittlerweile vollständig gegen das Coronavirus geimpft – 54,5 Prozent, wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Samstag auf Twitter schrieb. Insgesamt 51,8 Millionen Menschen oder 62,3 Prozent haben mindestens eine erste Impfung bekommen.
Allerdings stagniert das Impftempo. Seit dem Samstag der Vorwoche wuchs die gemeldete Zahl der Erstgeimpften nur um rund 600.000 weitere Menschen. „Impfen ist eine persönliche Entscheidung - aber auch eine, die uns alle als Gemeinschaft betrifft“, twitterte Spahn. Jeder und jede Einzelne entscheide darüber, wie gut alle durch Herbst und Winter kämen.
Unterdessen hält vor den Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten der Länder am Dienstag die Kontroverse über mögliche Nachteile für Ungeimpfte bei einer vierten Corona-Welle an. Politiker von SPD und Linke wandten sich gegen eine Ungleichbehandlung von Geimpften und Genesenen einerseits und Ungeimpften andererseits.
Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, hält dies hingegen für richtig. Die Politik müsse alles unternehmen, um Ungeimpfte zur Impfung zu bringen. „Da nützen aber keine Prämien, Freibier oder kostenlose Bratwürste, sondern nur Rechte für Geimpfte“, sagte er der „Rheinischen Post“ (Samstag). In den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag) forderte er eine Testpflicht für alle Reiserückkehrer, auch Geimpfte und Genesene.
Dreyer fordert „Expertenteam auf Bundesebene“
Das Bundesgesundheitsministerium hatte vor einigen Tagen in einem Bericht Vorschläge unterbreitet, um eine weitere Corona-Welle flach zu halten. Vor allem mögliche Beschränkungen für Ungeimpfte sorgen für Diskussionen. Das Ministerium schlug auch ein Ende der kostenlosen Schnelltests für Mitte Oktober vor. Seit über einem Monat steigt die Zahl der täglichen Neuinfektionen an.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) forderte als Lehre aus der Pandemie „ein großes interdisziplinär zusammengesetztes und anerkanntes offizielles Expertenteam auf Bundesebene“. Dieses solle Bund und Länder beraten, sagte Dreyer der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. „Die Corona-Krisenstäbe der Landesregierungen und der Bundesregierung müssen von Anfang an besser verzahnt werden.“
Mit Blick auf die teils sehr langen Sitzungen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin sagte Dreyer: „Man braucht sehr viel früher ein Bund-Länder-Gremium, das im Sinne eines Pandemie-Krisenstabes zusammenarbeitet.“ So könne schneller reagiert werden, Lösungen und Maßnahmen wären besser vorgearbeitet für die Schalten der Länderchefs und -chefinnen mit der Kanzlerin. (dpa/mal)