Baden-Württemberg prüft
Uni-Ärzte: Einstellung nur bei Ja zu Schwangerschaftsabbrüchen?
Schwangere, die einen Abbruch vornehmen lassen möchten, müssen immer weitere Wege in Kauf nehmen. Jetzt prüft das Sozialministerium von Baden-Württemberg, ob Neueinstellungen von Ärzten an Unikliniken mit der Bereitschaft, eine Abruptio vorzunehmen, verknüpft werden können.
Veröffentlicht: | aktualisiert:Stuttgart. Das baden-württembergische Sozialministerium will prüfen, ob die Universitätskliniken des Landes verpflichtet werden können, die Neueinstellung von Ärzten von der Bereitschaft abhängig machen zu können, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen. Das sagte Staatssekretärin Bärbl Mielich (Grüne) der „Tageszeitung“.
Das Schwangerschaftskonfliktgesetz schreibe die Pflicht der Länder fest, ein ausreichendes Angebot entsprechender ambulanter und stationärer Einrichtungen sicherzustellen. „Wir haben da eine Verantwortung“, so Mielich.
Nur zehn Ärzte auf der Liste
Wie dicht das Netz an Einrichtungen sein soll, steht nicht im Gesetz. Die Bundesregierung sieht die Einschätzung, ob eine ausreichende Versorgung gegeben ist, ausdrücklich in der Verantwortung der Länder – so noch ihre Darstellung 2018 in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag.
Auf der Liste, die nach einer gesetzlichen Änderung im März 2019 unter anderem bei der Bundesärztekammer geführt werden muss, finden sich für Baden-Württemberg zehn Ärzte, die bereit sind, Abbrüche vorzunehmen. Offizielle Zahlen zur Versorgungssituation fehlen.
Pro Familia: 14 Kreise ohne Angebot
Nach einer Erhebung der Beratungsstelle Pro Familia gab es Ende 2018 61 niedergelassene Gynäkologen sowie elf Kliniken in Baden-Württemberg, die diese Leistung anbieten, darunter nur eine der vier Unikliniken. In 14 Städten oder Landkreisen sei gar kein medizinisches Angebot mehr vorhanden.
Ein Beispiel sei die Region Südbaden mit vier Stadt- und Landkreisen sowie rund 1,3 Millionen Einwohnern. Dort würden 95 Prozent der operativen Eingriffe in einem einzigen Zentrum vorgenommen.
Hinzu kommt nach Angaben von Pro Familia die Altersstruktur der Ärzteschaft: Rund ein Drittel der niedergelassenen Gynäkologen ist demnach über 60 Jahre alt. Jüngere Praxisnachfolger seien oft nicht bereit, das bisherige Angebot, Abbrüche vorzunehmen, aufrechtzuerhalten.
Die Landesärztekammer verweist auf die schwierigen Rahmenbedingungen angesichts der sinkenden Zahl von Ärzten, die Abtreibungen vornehmen: Dazu trügen auch „sogenannte ‚Lebensschützer‘ bei, die diese Ärztinnen und Ärzten und ihre Patientinnen nicht selten beschimpfen und bedrängen sowie deren Praxen belagern“ Teilweise trage auch dieser Umstand dazu bei, dass immer weniger Mediziner bereit sind, Schwangerschaftsabbrüche vorzunehmen, sagt Kammer-Sprecher Dr. Oliver Erens der „Ärzte Zeitung“.
Die Kammer begrüße alle Vorschläge, die zu einer besseren Versorgungssituation beitragen, betont Kammer-Präsident Dr. Wolfgang Miller. „Wir hören aber immer wieder, dass gerade jüngere Ärztinnen, die selber schwanger sind oder Kinder haben, sich aus der aktiven Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen herausnehmen, ganz unabhängig von der Indikation zum Abbruch. Sie müssen die Möglichkeit haben, hier für sich frei zu entscheiden“, so der Kammerchef.
Keine „krankenhausärztliche Versorgung“
Krankenhäuser, die nicht in der Trägerschaft des Landes stehen, können nach Darstellung von Mielich nicht dazu verpflichtet werden, diese Leistung anzubieten. Sie kündigte nach der Sommerpause Gespräche mit der Ärztekammer, der KV und der Landeskrankenhausgesellschaft an.
Nach einer Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags (WD 9 - 3000 - 087/19) sind nicht medizinisch indizierte Abbrüche – solche nach der Beratungsregelung des Schwangerschaftskonfliktgesetzes – nicht von der „herkömmlichen Zweckbestimmung eines Krankenhauses“ erfasst.
„Damit dürften Schwangerschaftsabbrüche überwiegend nicht unter die von den öffentlichen Krankenhäusern sicherzustellende krankenhausärztliche Versorgung fallen“, heißt es beim Wissenschaftlichen Dienst.
Eindeutig geklärt ist die Frage, inwieweit Ärzte, jenseits von Fällen einer nicht anders abwendbaren Gefahr schwerer Gesundheitsschäden oder des Todes, zur Mitwirkung an einem Abbruch verpflichtet werden können. Das Bundesverfassungsgericht hat 1993 das Weigerungsrecht von Ärzten als ein Baustein des durch das ärztliche Berufsrecht geprägten Persönlichkeitsrechts definiert (Urteil vom 28. Mai 1993, 2 BvF 2/90).
Dabei könne sich die Weigerung auf die Schwangere und auf den Arbeitgeber erstrecken, kommentiert der Wissenschaftliche Dienst.
Schwangere hat Anspruch auf ärztliche Hilfe
Allerdings, und hier kommt Mielichs Vorschlag ins Spiel, darf die Bereitschaft, eine Abruptio vorzunehmen, zur Einstellungsvoraussetzung gemacht werden. Das hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden (Urteil vom 13. Dezember 1991, 7 C 26/90).
Hintergrund ist die gesetzliche Verpflichtung, dass einer Schwangeren beim Abbruch ärztliche Hilfe zuteilwird. Deshalb könnten Frauen nicht allein an private Einrichtungen verwiesen werden.
Das Gericht erkannte in seinem Urteil das Vorgehen einer Gemeinde als rechtmäßig an, die Ausschreibung einer Chefarzt-Stelle mit der Verpflichtung zu verbinden, Abbrüche vorzunehmen.
Kammerchef Miller hält es für „schwierig“, Neueinstellungen an Unikliniken mit der Bereitschaft zu verknüpfen, eine Abruptio vorzunehmen. Es handele sich immer um eine „schwerwiegende Entscheidung“. Er erinnert dazu an Paragraf 14 der Ärztlichen Berufsordnung, wo es heißt: „Ärztinnen und Ärzte sind grundsätzlich verpflichtet, das ungeborene Leben zu erhalten. Der Schwangerschaftsabbruch unterliegt den gesetzlichen Bestimmungen. Ärztinnen und Ärzte können nicht gezwungen werden, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen.“ Die Regelung in der Berufsordnung, dies der Entscheidung des einzelnen Arztes anheimzustellen, „ist für uns unumstößlich“, stellte Miller klar.
Kontroverse Diskussionen
Mielichs Vorstoß hat kontroverse Reaktionen ausgelöst. Die Linken-Politikerin Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin ihrer Fraktion im Bundestag, begrüßte die Ankündigung aus Baden-Württemberg. Möhring hat im vergangenen Jahr das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes beauftragt.
Zwar könne es keine Verpflichtung von Ärzten geben, doch Klinikleitungen müssten „personalpolitisch dafür sorgen, dass sie Ärztinnen und Ärzte beschäftigen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen“, so Möhring.
Anders die Einschätzung des CDU-Gesundheitspolitikers Alexander Krauß. Ein Schwangerschaftsabbruch sei in Deutschland zwar straffrei, aber rechtswidrig. Hinter dem Vorstoß sieht er „die klare Absicht der Grünen, das Lebensrecht aushöhlen zu wollen“. Er begrüße es, dass es offenbar immer mehr junge Ärzte gebe, „die an Abtreibungen nicht mitwirken wollen“.