US-Sterbehilfedrama
29-Jährige wünscht sich einen "Tod mit Würde"
Die für den 1. November angekündigte Selbsttötung der unheilbar kranken US-Amerikanerin Brittany Maynard hat weltweit eine Debatte ausgelöst.
Veröffentlicht:WASHINGTON. Ein Einzelschicksal hat in den Vereinigten Staaten die Debatte um Suizidhilfe neu entflammt: Brittany Maynard, eine 29-jährige, an Gehirnkrebs erkrankte Kalifornierin, ging Anfang Oktober mit ihrer Entscheidung an die Öffentlichkeit, sich mit Hilfe von ärztlich bereitgestellten Medikamenten das Leben zu nehmen.
Maynard war erst seit gut einem Jahr verheiratet, als sie Anfang 2014 erfuhr, dass sie an einem unheilbaren Hirntumor litt. Nach einer Operation gaben die Ärzte ihr zunächst eine Lebenserwartung von mehreren Jahren. Doch im April wurde festgestellt, dass der Tumor rapide nachgewachsen war. Die verheerende Prognose: Sie werde binnen sechs Monate sterben - unter zunehmendem Leiden.
Nach intensiver Recherche über ihre Optionen entschied sich Maynard für den legalisierten Suizid. Dafür musste sie allerdings nach Oregon umziehen, einen der fünf Bundesstaaten, in dem die ärztliche Beihilfe zur Selbsttötung erlaubt ist. Seit der Legalisierung 1997 haben in Oregon etwa 750 Menschen vom "Death with Dignity"-Gesetz Gebrauch gemacht.
Die Rolle der Ärzte
Die Rolle der Ärzte beschränkt sich in Oregon darauf, den Patienten erstens für unheilbar krank zu erklären und ihm eine Lebenserwartung von höchstens sechs Monaten zu bescheinigen. Zwei Ärzte müssen unabhängig voneinander zu diesem Schluss gelangen. Zweitens muss der Patient für mental kompetent erklärt werden.
Sind diese Kriterien erfüllt, kann der Arzt eine letale Medikamentendosis verschreiben, die der Patient dann selbstständig einnimmt.
Maynard trägt die Dose mit den tödlichen Pillen schon eine zeitlang mit sich. "Eine immense Erleichterung" habe sie verspürt, seit ihr die Medizin übergeben worden sei, sagte sie Mitte Oktober zu CNN.com. Sie legte sich sogar öffentlich auf einen Termin fest: Am 1. November werde sie wahrscheinlich freiwillig aus dem Leben scheiden.
Maynards Entscheidung, ihren unweigerlichen Tod vorwegzunehmen und zudem als freiwilliges Aushängeschild für die Sterberechtsbewegung "Compassion and Choices" zu fungieren, hat zu einer intensiven öffentlichen Debatte geführt. Ihr emotionales Video, in dem sie ihre Geschichte schildert und für einen landesweiten Zugang zum medizinisch unterstützten Suizid plädiert, war bis Anfang der Woche fast acht Millionen mal abgerufen worden.
Sie zierte die Titelseite des Klatschmagazins "People". "Kontroverse der Woche" nannte die Zeitschrift "The Week" am letzten Freitag die heftige Debatte.
Die Argumente auf beiden Seiten der emotional geführten Diskussion sind nicht neu: Gegner der Suizidhilfe sprechen von potenziellem Missbrauch, von der Gefahr einer Gesellschaft, in der natürliches, eventuell leidvolles Sterben als "unwürdig" betrachtet wird. Sie befürchten zunehmenden Druck auf Alte und Schwerkranke, dem Lebensende "nachzuhelfen".
Die Meinungen gehen weit auseinander
Was zuerst aussehe wie ein Recht (zu sterben), so Michael Gerson von der "Washington Post", gleiche "mehr und mehr einer (von außen aufgedrückten) Erwartung". Maggie Karner, eine ebenfalls unheilbar kranke Hirntumorpatientin, wies in "The Federalist.com" darauf hin, dass ein Sterben in natürlicher Länge auch für die pflegenden Verwandten eine "reiche, spirituell tiefe Lernerfahrung in Mitgefühl, Selbstlosigkeit und menschlicher Sterblichkeit" sei.
Auf der anderen Seite des Meinungsgrabens stehen die, die es für ein wichtiges Recht halten, das Lebensende in der eigenen Hand zu halten, vor allem wenn schweres Leiden bevorsteht. Gesetze wie das in Oregon schlössen Missbrauch aus, sagte zum Beispiel Thaddeus Pope, Direktor des Health Law Institutes an der Hamline-Universität, in der "New York Times Times".
Die Mehrheit der Öffentlichkeit scheint ihm Recht zu geben. 70 Prozent der amerikanischen Erwachsenen befürworten laut einer Gallup-Umfrage das Recht, "das Leben eines (todkranken) Patienten mit schmerzfreien Mitteln zu beenden". Allerdings ist es wichtig, welche Worte die Meinungsforscher einsetzen: Nur 51 Prozent unterstützen ein solches Sterberecht, wenn gefragt wurde, ob erlaubt sein sollte, dass ein Arzt einem Patienten helfe, "Selbstmord zu begehen".
Der Fall Maynard hat der Diskussion eine neue Dimension verliehen. Seit die eloquente junge Frau an die Öffentlichkeit getreten ist, hat der Kampf um ein "Sterben mit Würde" ein Gesicht gewonnen, mit dem sich Millionen identifizieren. Das könnte die öffentliche Meinung zugunsten der legalisierten Suizidhilfe verschieben.