Zahl traumatisierter Soldaten stark gestiegen
Der Einsatz in Afghanistan zehrt an der psychischen Gesundheit der Bundeswehrsoldaten: 729 kehrten 2010 mit einer Belastungsstörung zurück. Im Jahr zuvor waren es noch deutlich weniger.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Zahl der Soldaten, die mit einer psychischen Erkrankung aus dem Auslandseinsatz zurückkehrten, hat im Jahr 2010 einen neuen Höchststand erreicht.
Bei 729 Soldaten wurde 2010 eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert. Darunter sind 557 Soldaten, die zuvor im ISAF-Einsatz in Afghanistan waren.
333 Soldaten kehrten 2010 mit anderen psychischen Störungen von Auslandseinsätzen zurück. Das geht aus einer der "Ärzte Zeitung" vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag hervor.
Danach sieht das Verteidigungsministerium die psychologische Versorgung gut aufgestellt. Im Einsatz in Afghanistan könnten die Soldaten von drei Truppenpsychologen betreut werden, die allerdings für 4575 Soldaten zuständig sind.
Der deutliche Anstieg bei den PTBS-Erkrankungen "kam nicht unerwartet" schreibt der zuständige Parlamentarische Staatssekretär an die Grünen-Fraktion.
Auch Experten aus anderen Bundestagsfraktionen gingen von einer ähnlich hohen Zahl aus. Der Anstieg sei auch darauf zurückzuführen, dass sich mehr Soldaten mit der Krankheit untersuchen lassen.
Laut Regierung wurde die wehrmedizinische Forschung speziell zum Thema Belastungsstörung ausgebaut. Aus dem Bericht geht hervor, dass im Jahr 2010 für Forschungsprojekte zu posttraumatischen Belastungsstörungen insgesamt 684.000 Euro ausgegeben wurden.
Für das Jahr 2011 stehen dem Bereich "Wehrmedizinische Forschung" Gelder in Höhe von 4,5 Millionen Euro zur Verfügung. Aus diesem Topf werden "bedarfsgerecht auch Forschungsvorhaben zu PTBS" finanziert, heißt es.
Im Mai 2009 wurde damit begonnen, den Fachbereich "Psychische Gesundheit" innerhalb des Instituts für den Medizinischen Arbeits- und Umweltschutz der Bundeswehr in Berlin aufzustellen.
Seit 1996 zählt die Bundeswehr somit nun 2241 Fälle von PTBS-Erkankungen. Experten gehen vor allem in den Jahren vor 2008 von einer hohen Dunkelzifferquote aus.
Auch dazu gebe es nun ein Forschungsprojekt, so das Ministerium. Daraus werden erste Ergebnisse für diesen Mai erwartet.
Ebenso sei die "frühzeitige Identifizierung PTBS-Betroffener Führungsaufgabe der Vorgesetzten" heißt es im Verteidigungsministerium. Auch in den Untersuchungen nach einer Rückkehr aus dem Ausland und in Nachbereitungsseminaren werde auf PTBS-Symptome verstärkt geachtet.
Für die stationäre Versorgung stehen laut Regierung 115 Betten in den Bundeswehrkrankenhäusern zur Verfügung. Die Wartezeit für eine Behandlung liege bei vier bis sechs Wochen - dies sei vergleichbar mit zivilen Häusern. Angehörige betroffener Soldaten berichten allerdings immer wieder von deutlich längeren Wartezeiten.
Für die künftige Versorgung und Betreuung von Soldaten und deren Angehörigen plant die Bundesregierung einen Ausbau der eigenen Kapazitäten sowie die verstärkte Zusammenarbeit mit zivilen Stellen in "Fachkompetenzzentren".
Unter Traumatisierungen leiden allerdings nicht nur Soldaten: Die Ärzteorganisation IPPNW weist seit Monaten darauf hin, dass auch die Zivilbevölkerung in Afghanistan durch die immer heftigeren Kämpfe immer stärker unter Traumatisierungen leide.