Kommentar zum GKV-Defizit
Acht Milliarden Euro im Handstreich
Der Bundesgesundheitsminister greift auf die Rücklagen von Kassen zurück, um das Finanzloch der GKV zu stopfen. Dieser Coup wird lange nachwirken.
Veröffentlicht:So schnell können acht Milliarden Euro weg sein. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) schüttet das voraussichtlich 16 Milliarden Euro tiefe Loch in der GKV dadurch zur Hälfte zu, dass er rigoros auf Krankenkassen mit hohen Finanzreserven zurückgreift. Darf er das? Das darf er!
Die gesetzlichen Kassen sind Teil der mittelbaren Staatsverwaltung. Sie sind rechtlich selbstständige und vom Staat weitgehend unabhängige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Doch sie sind an gesetzliche Vorgaben gebunden – und die ändert Spahn.
Schon lange sind die aus seiner Sicht überbordenden Reserven mancher Kassen dem Minister ein Dorn im Auge. Durch akribische Vorgaben hat er in den vergangenen Jahren versucht, einen Rücklagenabbau zu erzwingen. Nun dürfte er froh sein, dass er auf das noch vorhandene Tafelsilber reicher Kassen zugreifen kann.
Spahn sieht soziale Selbstverwaltung polit-pragmatisch: Sie hat in seinem Sinne zu funktionieren. Mal treibt er den Gemeinsamen Bundesausschuss öffentlichkeitswirksam zu schnelleren Entscheidungen, zuletzt wollte er im Faire Kassenwettbewerb-Gesetz die soziale Selbstverwaltung im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbands abschaffen.
Dabei kommt das Corona-Loch in der GKV dem Minister gut zupass – denn nur ein Teil des Defizits geht tatsächlich auf die Pandemie-Kosten zurück. Schon bevor das Virus nach Deutschland kam, mehrten sich die Warnungen vor einer Ausgabenwelle – angetrieben vor allem durch die vielen ausgabenträchtigen Gesetze aus dem BMG.
Der Acht-Milliarden-Handstreich wird sich ins kollektive Gedächtnis der Kassenmanager einbrennen. Auch dann noch, wenn die Pandemie zum Glück Vergangenheit sein wird.
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