"Pille danach"
Ärzte warnen vor Beratungsdefizit in Apotheken
Nach der Entscheidung der Europäischen Kommission, die "Pille danach" von der Rezeptpflicht auszunehmen, verlagert sich die politische Diskussion auf die Umsetzung. Frauenärzte äußern Bedenken.
Veröffentlicht:BERLIN. Die Pille danach soll künftig rezeptfrei abgegeben werden. Der Beschluss der Europäischen Kommission, dem das Gesundheitsministerium in Deutschland baldmöglichst folgen will, stößt jedoch bei Ärzten auf Ablehnung.
Frauenärzte und Fortpflanzungsmediziner halten eine medizinisch kompetente und vertrauliche Beratung in der Apotheke in den meisten Fällen für unmöglich. 99 Prozent der gynäkologischen Praxen verordnen Mittel zur Notfall-Verhütung.
Das geht aus am Montag vorgelegten Zahlen von IMS Health hervor.
Falls Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Frauenärzte auffordere, gemeinsam mit den Apothekern eine Beratungslösung zu erarbeiten, würden sich die angesprochenen Verbände nicht verweigern, betonte der Präsident des Berufsverbands der Frauenärzte (BVF) Dr. Christian Albring.
Dazu zählen auch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie (DGGG) und die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie und Fortpflanzungsmedizin (DGGEF).
Zeitpunkt steht noch nicht fest
Die Europäische Kommission hatte in der vergangenen Woche aufgrund einer Empfehlung der Europäischen Arzneimittelbehörde EMA die Rezeptpflicht für das Präparat ellaone® mit dem Wirkstoff Ulipristalacetat europaweit aufgehoben.
In der Folge hat das deutsche Gesundheitsministerium angekündigt, auch das Präparat PiDaNa® (Wirkstoff Levonorgestrel) von der Rezeptpflicht zu befreien, um Rechtsgleichheit herzustellen.
PiDaNa® ist in den meisten Ländern der EU bereits heute rezeptfrei zu erhalten.
Eine unbürokratische Lösung strebt das Ministerium auch in der Erstattungsfrage an.
So soll die gesetzliche Krankenversicherung jungen Frauen unter 20 Jahren die Kosten für die Notfall-Verhütung auch nach einer Freigabe erstatten, sagte eine Sprecherin des Ministeriums am Montag der "Ärzte Zeitung".
Wann die Wirkstoffe in Deutschland rezeptfrei zu erhalten sein werden, steht noch nicht fest.
Laut Koalitionskreisen müsse vor der Freigabe von Levonorgestrel die Arzneimittelverschreibungsverordnung geändert werden, für Ulipristalacetat aufgrund der europäischen Beschlusslage möglicherweise nicht.
Abgeordnete beider Regierungsfraktionen dringen darauf, an dieser Stelle Rechtssicherheit für Apotheker herzustellen.
Die Entscheidung auf europäischer Ebene beendet eine in Deutschland geführte politische Debatte über das Für und Wider einer Freigabe der Pille danach ohne vorherige Beratung durch einen Arzt.
CDU für Beratung beim Arzt
Die Union hatte die Beratung beim Arzt favorisiert. Vertreterinnen der SPD, aber auch der Oppositionsparteien Linke und Grüne hatten sich dagegen vehement für eine Freigabe ausgesprochen.
Vertreter der drei Fachverbände halten eine Beratung in der Apotheke für höchst problematisch.
Fragen, ob die Einnahme der Pille danach überhaupt notwendig sei, welches der Präparate auf dem Markt im Falle des Falles besser geeignet sei, welche Nebenwirkungen zu erwarten seien und wie im weiteren Zyklus verhütet werden müsse, damit es nach der Verschiebung des Eisprungs später nicht doch wieder zu einer unerwünschten Schwangerschaft komme, könnten dort schwerlich ausreichend beantwortet werden.
"Hinzu kommen die Beratung hinsichtlich sexuell übertragbarer Krankheiten und im Einzelfall weitere diagnostische und therapeutische Maßnahmen", haben Vertreter der Verbände mitgeteilt.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Nachfrage nach der Pille danach mehr als verdoppelt. Nach einer aktuellen Analyse von IMS Health gaben 2004 die Apotheken 236.100 Packungen ab, 2014 waren es 488.100 Packungen.
Beide in Frage kommenden Wirkstoffe waren in etwa zu gleichen Teilen vertreten.
Eine regelhafte Nutzung dieser Methode lässt sich demnach nicht feststellen. Im Schnitt nutzten die Frauen die "Pille danach"-Option jeweils nur einmal im Jahr.