Üble Nachrede?

Ärztezentrum: Bei der Gründung kann es zugehen wie bei "Dallas"

Neid und Missgunst haben schon manche Versuche torpediert, in der Provinz ein Ärztezentrum zu etablieren. Erfahrene Ärzte in Schleswig-Holstein berichten, wie man verhindert, dass Kirchturmdenken siegt.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Das Ärztehaus in Büsum im Juli 2015: Erstmals ist eine Gemeinde Träger von Arztsitzen und beschäftigt die dort tätigen Ärzte.

Das Ärztehaus in Büsum im Juli 2015: Erstmals ist eine Gemeinde Träger von Arztsitzen und beschäftigt die dort tätigen Ärzte.

© Dirk Schnack

FLINTBEK. Neid, Missgunst und Kleingeistigkeit – drei Charaktereigenschaften, die Hausarzt Wolfgang Schulz als Haupthindernis beim Versuch, ein Ärztezentrum für seine Region zu etablieren, ausgemacht hat.

Schulz ist selbst kommunalpolitisch aktiv, galt als Hauptmotivator für ein Ärztezentrum im Amt Arensharde bei Schleswig. Bis ihm Gerüchte und üble Nachreden irgendwann zu viel wurden und er ausstieg. Das vom Amt angeschobene Projekt wurde beendet.

Schulz und andere Kommunalpolitiker haben ihre Lehren aus dem gescheiterten Projekt im Norden gezogen. Auf einer Veranstaltung der KV Schleswig-Holstein (KVSH) in Flintbek, in der über kommunale Handlungsmöglichkeiten zum Erhalt der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum informiert wurde, nannte der Hausarzt folgende Punkte: Im kleinen Kreis beginnen, die richtigen Menschen zusammenbringen, Beharrlichkeit beim Werben um Ärzte und den Ärzten etwas anbieten.

Schulz‘ Erfahrungen wurden von den Kommunalvertretern interessiert aufgenommen. Viele von ihnen wissen, dass die Zeit drängt. 624 der landesweit 1900 Hausärzte sind 60 Jahre oder älter. 2016 gab es nach Angaben von Bianca Hartz von der KVSH aber nur 54 Facharztanerkennungen in Schleswig-Holstein für die Allgemeinmedizin. "Der Ersatzbedarf funktioniert nicht so richtig", verdeutlichte sie. Ihre Körperschaft beobachtet seit Jahren, dass insbesondere das Interesse unter jungen Ärzten für frei werdende Einzelpraxen auf dem Land nachlässt. Deshalb wird verstärkt der Kontakt zu den Kommunen gesucht.

Spätestens seit dem Erfolg des kommunal geführten Ärztezentrums Büsum sind die Bürgermeister im Norden aufgewacht. Nur: Eine Blaupause ist das Modell nicht für jede Region, auch lässt sich die Situation des von Tourismus geprägten Badeortes an der Nordsee nicht übertragen. Harald Stender, hausärztlicher Koordinator des Kreises Dithmarschen, beobachtet immer wieder Kardinalfehler in der Szene. Ein beliebter: Gemeinden verfallen in blinden Aktionismus, bauen ohne Kenntnisse und Kontakte im Gesundheitswesen ein Ärztehaus – und finden dennoch keine Ärzte.

"Es ist wichtig, dass Sie die Ärzte in ihr Konzept von Beginn an einbinden", appellierte Stender an die Politiker. Wie Schulz empfahl er ein Vorgehen Schritt für Schritt. Zunächst bilaterale Gespräche führen, dann im kleinen Kreis Konzepte vorbesprechen und dabei immer die Bedürfnisse der Ärzte berücksichtigen. Stender geht diese kleinen Schritte inzwischen landesweit gemeinsam mit der Ärztegenossenschaft Nord. Deutlich wurde, dass viele Kommunalpolitiker das Problem über Jahre verschlafen und keine Notwendigkeit gesehen haben, sich mit dem komplexen Thema zu beschäftigen. Heute stößt Stender zwar häufiger auf Einsicht, nicht aber auf Know-how: "Viele Kommunalpolitiker sind guten Willens, kennen aber nicht den Instrumentenkasten."

Auch auf die von Schulz genannten Charaktereigenschaften stößt Stender bei seinen Bemühungen. Vielerorts setzt man nach seinen Erfahrungen noch zu sehr auf die unrealistische Hoffnung, dass sich irgendwie ein Nachfolger für den in Kürze aufhörenden Hausarzt im Ort finden wird. Der Versuch, eine Lösung mit einem Ärztezentrum für die ganze Region zu finden, scheitert oft am Kirchturmsdenken der Gemeinden – jeder will das Zentrum im eigenen Ort.

Dass es auch anders geht, zeigten vor einigen Jahren die Dörfer Pahlen und Dörpling, die Allgemeinmediziner Dr. Reimar Vogt ein Angebot machten, das diesen zur Niederlassung bei ihnen bewog. Dieses Entgegenkommen – etwa in Form günstiger Miete und passgenauen Zuschnitts der Praxisräume – hatte Vogt damals überzeugt. Inzwischen ist ein zweiter Arzt in der Immobilie dabei.

Auch Schulz‘ Heimatort Silberstedt ist jetzt auf dem Weg zu einem kleinen Zentrum mit mehreren Ärzten. Wenn die umliegenden Einzelpraxen in einigen Jahren verwaist sind, könnte damit doch noch eine überregionale Lösung entstehen.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Ärztliche Versorgung: Entscheidungen verschlafen

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 22.09.201712:39 Uhr

Iimmer das gleiche Lied

Es gibt viele Ursachen für den Mangel an Hausärzten und eine Verteilung der Arztsitze, die nicht der Versorgungsnotwendigkeit entspricht. Eine der wesentlichen hat die KV SH unter der Ägide von R.W.Büchner vor Jahren zu beseitigen versucht, die notdienstliche Versorgung und die große Beanspruchung der Ärzte.
Wie man hört,klappt der Notdienst nicht ganz reibungslos. In der Stadt existieren diese Probleme nicht !
Schon zu Zeiten, als die Weiterbildung der Allgemeinmediziner noch nicht adäquat ausgestaltet worden war, hatten die meisten "Praktiker" ein kleines Spezialgebiet, das mit großere Liebe und Sorgfalt gepflegt wurde. Ich habe darin immer einen Hinweis gesehen, dass die Weiterbildungsordnung sich nur bedingt in der Berufsausübungsordnung abbilden lässt. Kurzum, der junge Arzt mit allgemeinmedizinischen Affinitäten empfindet seine Weiterbildung nicht als in der Weise "statusbildend" wie er sich das wünscht und wird daher Internist oder Facharzt eines anderen Gebietes.
Die Lösung dieses Problems - und das sollte auf Ebene eines Bundeslandes versucht werden - wäre der mindestens 7 Jahre weitergebildete Landarzt mit umfangreichen internistsichen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weiteren Fachgebieten. Seine Niederlassung sollte auf Landarztsitze beschränkt sein Selbstverständlich sollte dieser zu den höheren Einkommensklasssen zählen.
Was wir statt dessen in der Berufspolitik erleben, ist der Versuch Versorgungsbereiche undurchlässig abzustecken und den hausärztlichen gatekeeper zu installieren, damit der Stand vor Verarmungsangst geschützt wird.
Das wird nicht funktionieren, die älteren Kollegen mit einem guten berufspolitischen Erinnerungsvermögen sind Zeugen, dass die resultierenden Querelen Kräfte der Ärzteaschaft absorbiert haben, die man - gelinde ausgedrückt - hätte besser nutzen können.

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