„Die Schweriner Ärzte“

Corona-Mahnwache von Ärzten stößt bei Kollegen auf Vorbehalte

Eine Demonstration in Schwerin gegen die Corona-Politik der Regierung illustriert das Spannungsfeld, in dem Ärzte dabei agieren. Einer der Initiatoren rechtfertigt die Initiative, gibt aber auch Fehler zu.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Teilnehmer der Demonstration und Mahnwache am Sonntag in Schwerin.

Teilnehmer der Demonstration und Mahnwache am Sonntag in Schwerin.

© Jens Büttner / pda

Schwerin. Eine Gruppe von Ärzten hat am Sonntag eine Mahnwache gegen die Corona-Regeln initiiert. Andere Ärzte distanzierten sich, weil ein Flugblatt mit „Die Schweriner Ärzte“ unterzeichnet war. Zu den Unterzeichnern und Initiatoren zählt mit Dr. Andreas Kauffold auch ein Vorstandsmitglied der Landesärztekammer Mecklenburg-Vorpommern.

„Kauffold hat von seinem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch gemacht und ist nicht als autorisierter Vertreter der Ärztekammer aufgetreten“, betonte die Ärztekammer in einer Mitteilung. Der in Schwerin niedergelassene Chirurg Kauffold und zwei weitere Ärzte sowie eine Osteopathin hatten unter dem Motto „Corona-Panik frisst Grundgesetz“ zu der Mahnwache aufgerufen. Nach Medienberichten sollen 650 Menschen vor Ort gewesen sein.

Auf dem von den Initiatoren unterzeichneten Flugblatt wird gefordert:

  • „Sofortige Beendigung der schädlichen Corona-Maßnahmen
  • Abkehr vom profitorientierten Gesundheitswesen
  • Ärztliche Aufklärung statt Impfzwang
  • Obduktion jedes „Corona-Toten“
  • Etablierung eines interdisziplinären Expertengremiums für den epidemischen Katastrophenfall
  • Einsetzung eines außerparlamentarischen Untersuchungsausschusses und Bestrafung der Schuldigen“.

Ärzte gegen Verallgemeinerung

Weil das Flugblatt mit „Die Schweriner Ärzte“ unterzeichnet ist, wehren sich andere Ärzte aus Schwerin gegen die Verallgemeinerung. „Wir als Ärzte der Helios Kliniken Schwerin distanzieren uns von dieser Vereinnahmung. Diese Forderungen erfolgen ausdrücklich nicht im Namen der Ärzteschaft der Helios Kliniken Schwerin“, stellten die vier Ärzte aus dem Direktorium des Klinikums klar.

Nach Einschätzung Kauffolds waren allerdings „etliche Ärzte“ bei der Mahnwache am Sonntag dabei. Bei der vorigen Mahnwache am ersten Mai hatte er nach eigenen Angaben mindestens 40 Kollegen, darunter Klinikärzte und Niedergelassene, gezählt.

Auf Nachfrage der „Ärzte Zeitung“ räumte Kauffold ein, die gewählte Bezeichnung „Die Schweriner Ärzte“ sei eine „unglückliche Bezeichnung“ und die Kritik daran berechtigt. „Sie entstand dadurch, dass wir in der öffentlichen Resonanz auf die erste Mahnwache in den sozialen Netzwerken so tituliert worden sind“, sagte Kauffold. Er bezweifelt aber, dass alle Kollegen der Helios Kliniken ihre Initiative ablehnen.

Teilnehmer der Demonstration und Mahnwache am Sonntag in Schwerin.

Teilnehmer der Demonstration und Mahnwache am Sonntag in Schwerin.

© dpa

Zur Begründung der Initiative sagte Kauffold der „Ärzte Zeitung“: „Unserer Meinung nach basieren die drastischen Maßnahmen des Lockdowns mit ihren lange nicht konkret zu benennenden Folgen auf einer Fehleinschätzung der Politik, die es versäumt hat, kritische Meinungen von renommierten Fachleuten in ihre Abwägungen einzubeziehen.“

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Die Einschränkungen wären nach seiner Ansicht nur dann zu rechtfertigen gewesen, wenn die Politik das Fortdauern des Zustands laufend und transparent begründet hätte – im Wesentlichen sei dies die ständige Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Situation, was nach seiner Ansicht nicht erfolgte. Die Bezeichnung „Bestrafung der Verantwortlichen“ bezeichnete er im Nachgang als „eine etwas drastische Formulierung“. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen müsse aber von einem Untersuchungsausschuss und unabhängigen Experten untersucht und die Verantwortlichen identifiziert werden.

„Rationalität ist zu hinterfragen“

Die Kammer wies in einer Stellungnahme ihres Vize-Präsidenten Dr. Wilfried Schimanke daraufhin, dass die Maßnahmen des Lockdowns letztlich den erwünschten Effekt gezeigt hätten. Schimanke weiter: „Dabei ist es aber zu Einzelmaßnahmen gekommen, deren Rationalität und Angemessenheit hinterfragt werden darf.“ Diese Einschätzung will Schimanke aber nicht als grundsätzliche Kritik an den politischen Maßnahmen verstanden wissen. Fehler seien deshalb gemacht worden, weil gerade in der Frühphase der Pandemie eine unsichere Faktenlage bestanden habe. „Auch heute befinden wir uns immer noch in einer Lernphase und gewinnen täglich neue Erkenntnisse über das Virus und die Erkrankung. Dieser Erkenntnisgewinn ist noch lange nicht abgeschlossen.“

Engagement von Ärzten gegen die Corona-Politik

  • Sollte für Ärzte ein Gebot der Zurückhaltung gelten, da sie zu wissenschaftlich strittigen Fragen mit medizinischer Expertise auftreten?
  • Oder sollten Ärzte gerade ihre Expertise in die Waagschale werfen, um politischen Anliegen Nachdruck zu verleihen?
  • Welche Rolle sollten die Kammern spielen, wenn Ärzte sich bei Veranstaltungen mit hoch umstrittenen Thesen und Forderungen exponieren?

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Kommentare
Dipl.-Psych. Walter Andritzky 29.05.202008:06 Uhr

Ich kann diesen Kollegen nur gratulieren in einer Zeit in der die Redefreiheit in den sozialen Medien massiv zensiert wird und die übrigen Medien als Lautsprecher der Staatspropaganda gleichgeschaltet sind. Wieweit die aberwitzig überzogenen Massnahmen beigetragen haben ist im übrigen wissenschaftlich nicht erwiesen. Jede Grippewelle ebbt mal ab. Vor 2 J. Hat man ohne jeden Mucks 25 000 Folgetote in kauf genommen. Seltsam.

Anne C. Leber 25.05.202008:36 Uhr

Leserzuschrift von Margareta Schröder

Gerade Ärzte müssen ihre Expertise in die Waagschale werfen.
Patienten haben Anspruch darauf, dass man sich mit deren Fragen und Sorgen auseinandersetzt.
Das haben die „Schweriner Ärzte“ gemacht. Mit fundierten Daten und unter Quellenangaben. Anwesend waren sehr viele Mediziner.
Für mich ist das ein Zeichen der medizinisch sozialen Kompetenzen und ein Zeichen der Stärke.
Man könnte den Eindruck gewinnen, dass die „ärztlichen Kollegen“, die sich öffentlich distanziert haben, nichts riskieren wollen.

Margareta Schröder

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