Dank Hospizgesetz

Das Sterben wird aus Tabuzone geholt

Das Hospiz- und Palliativgesetz steckt den Rahmen für die Versorgung schwerstkranker Patienten. Wie es nun umgesetzt werden kann, war Thema beim Aachener Hospizgespräch.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Die Versorgung von Schwerstkranken bleibt auch weiter eine große Herausforderung.

Die Versorgung von Schwerstkranken bleibt auch weiter eine große Herausforderung.

© Klaus Rose

STOLBERG. Experten aus Medizin und Pflege sehen in dem Anfang 2016 in Kraft getretenen Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) einen großen Fortschritt für die Versorgung schwerstkranker und sterbender Menschen.

"Mit der Einbeziehung der Palliativmedizin in die Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung hat die Regierung den richtigen Weg eingeschlagen", lobte Michael Wirtz, Vorstandsvorsitzender der Grünenthalstiftung für Palliativmedizin, beim 103. Aachener Hospizgespräch.

"Das Gesetz wertet die Palliativmedizin auf und holt das Sterben aus einer gesellschaftlichen Tabuzone."

Auch Dr. Birgit Weihrauch, ehemalige Vorsitzende des Deutschen Hospiz- und Palliativverbands, betonte, dass mit dem Gesetz wichtige neue Weichenstellungen für den weiteren Ausbau der Hospiz- und Palliativversorgung in Kraft getreten sind.

"Gut fünf Jahre nach Veröffentlichung der Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland ist die Bedeutung der Hospiz- und Palliativversorgung in der Gesellschaft angekommen."

Fülle von Angeboten

Jetzt gelte es, die vorgegeben Regularien mit Leben zu erfüllen, ergänzte Martina Kern, Leiterin der Palliativ-Ansprechstelle ALPHA-Rheinland.

Sie weist darauf hin, dass der Ausbau der palliativen Angebotslandschaft auch Gefahren berge. So sei es für Patienten und deren Angehörige oft schwierig, sich in der Versorgungslandschaft zurechtzufinden.

"Welches Angebot ist das richtige, wer weist den Weg durch die Fülle der Angebote, wer koordiniert die unterschiedlichen Anbieter?", fragte sie. Es sei eine große Aufgabe von Netzwerkarbeit, dies zu organisieren und individuelle Versorgungsmöglichkeiten zu schaffen.

Im Fokus des Hospizgesprächs stand die Pflege, die eine wesentliche Rolle in der Versorgung der Betroffenen spielt. Die Konferenzteilnehmer waren sich einig, dass vor allem in der Zusammenarbeit mit Ärzten noch viel Weiterentwicklungspotenzial bestehe.

"Probleme treten vor allem dann auf, wenn nicht ausreichend miteinander gesprochen wird, etwa, wenn das Pflegepersonal nicht richtig über die Beweggründe einer Verordnung informiert wird", sagte Michaela Thönnes vom Soziologischen Institut der Universität Zürich.

Für mehr Verständnis geworben

Oft helfe das Bewusstsein der Ärzte, dass sie nicht die einzigen Dienstleister seien, die der Pfleger oder die Pflegerin zu betreuen habe.

"Mediziner sollten wissen, dass das Pflegepersonal in einem Netz von Verpflichtungen gegenüber vielen Personen steckt und sich etwas bei der Arbeit denkt", sagte sie. "Pflegerinnen und Pfleger haben schließlich aufgrund ihrer Ausbildung ebenfalls Erfahrung."

Professor Roman Rolke vom Lehrstuhl für Palliativmedizin an der Uniklinik Aachen warb im Gegenzug für mehr Verständnis der Pflegemitarbeiter gegenüber den Medizinern. "Gerade junge Ärzte sind oft unsicher, wenn es wie im Palliativbereich darum geht, Therapien zu beenden", sagte er.

 Selbstkritisch fügte er hinzu: "Wir Ärzte sind in ein hierarchisches System hineinerzogen und haben keine besonders gute Fehlerkultur untereinander." Aus Angst vor Fehlern, gerade wenn kein erfahrener Arzt zur Seite steht, entstünden oft Unsicherheiten. "Das ist eine Herausforderung, an der wir arbeiten müssen."

Oft mit Vorwürfen konfrontiert

Dazu komme, dass Ärzte oft unter enormen Druck stehen und die Patienten wie am Fließband versorgen müssten. "Ich habe erlebt, dass Pflege auch anklagend sein kann.

Wird ein Arzt immer mit Vorwürfen konfrontiert, macht es wenig Spaß, in diesem Team zu arbeiten."

Eine weitere Herausforderung sieht Wirtz von der Grünenthalstiftung in der Ausbildung von mehr Ärzten mit palliativmedizinischer Spezialisierung.

"Von den rund 350.000 Ärzten in Deutschland haben zwischen 3500 und 4500 eine Zusatzqualifikation zum Palliativmediziner", sagte er.

Wenn die Versorgung in Deutschland weiter ausgebaut werden solle, müsse sich auch hier etwas ändern.

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