cfDNA-Bluttest auf Trisomie 21

Erst Fakten, dann Moral

In der Diskussion um Bluttests, die ein Down-Syndrom früh in der Schwangerschaft nachweisen, geht es oft um Ethik. Die Frage, was die Tests eigentlich leisten können, kommt dabei eher ein wenig kurz. Einer nüchternen Bewertung steht das im Weg.

Dr. Robert BublakVon Dr. Robert Bublak Veröffentlicht:
Blut in einem Röhrchen.

Blut in einem Röhrchen.

© Shawn Hempel / fotolia.com

BERLIN. Vor Kurzem haben Bundestagsabgeordnete aller Fraktionen ihr Unbehagen über die seit knapp drei Jahren verfügbaren vorgeburtlichen Bluttests auf Trisomie 21 geäußert, mit denen sich zellfreie fetale DNA (cfDNA) im Blut der Mutter nachweisen lässt.

Den Äußerungen vorangegangen waren eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu den Rahmenbedingungen solcher Tests und die Antwort darauf.

Die Politiker ziehen aus den Erläuterungen der Regierung den Schluss, es gebe Erkenntnisdefizite und mangelnde Beobachtungsmöglichkeiten der pränataldiagnostischen Praxis.

Ihre Sorge, der Test könne sich zu einem allgemeinen Screening auswachsen und zur systematischen Aussonderung von Embryonen mit Trisomie 21 führen, ist aber nicht nur im Parlament zu hören.

Die Furcht vor einer Eugenik durch die Hintertür geht um, seit der erste Test auf den deutschen Markt kam.

Auffällig an der besorgten Argumentation ist, was und wie viel dem cfDNA-Test in puncto Trisomie-Diagnose zugetraut wird; ganz so, als tauge er zum unfehlbaren Routinecheck.

Das mag auch daran liegen, dass der Test mit hohen Spezifitäts- und Sensitivitätsraten aufwarten kann: Sie lagen in Studien bei 99,9 und 100 Prozent (NEJM 2015; 372:1589-1597).

Dabei wird übersehen, dass der positive Vorhersagewert eines Tests - also die Wahrscheinlichkeit, mit der ein positives Ergebnis die tatsächlichen Verhältnisse widerspiegelt - auch von der Prävalenz des gesuchten Merkmals abhängt. Ist sie niedrig, schwächt dies die positive Vorhersagekraft.

Von 30 positiven Ergebnissen sind 20 korrekt

Die Prävalenz der Trisomie 21 wird für Deutschland auf 0,2 Prozent der Schwangerschaften veranschlagt. Von 10.000 untersuchten Embryos weisen demnach 20 eine Trisomie 21 auf, und ein Test auf cfDNA würde sie praktisch alle erkennen (Sensitivität 100 Prozent).

Die Rate falsch positiver Ergebnisse unter dem Test liegt zwar bei niedrigen 0,1 Prozent (Spezifität 99,9 Prozent), doch würden damit immerhin rund zehn der 9980 Embryonen ohne Trisomie 21 ebenfalls als Merkmalsträger eingestuft.

Fällt der Test also positiv aus - das ist in der Summe 30-mal der Fall -, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass tatsächlich eine Trisomie 21 vorliegt, bei 66,7 Prozent (positiver Vorhersagewert): Nur 20 von insgesamt 30 positiven Ergebnissen sind korrekt.

Einer von drei mit dem cfDNA-Test erzielten Trisomie-Nachweisen wäre also falsch - das scheint trotz hoher Sensitivität und Spezifität nicht allzu beeindruckend zu sein.

Beeindruckender ist der negative Vorhersagewert, also die Aussage darüber, ob ein negatives Ergebnis das Vorliegen einer Trisomie 21 ausschließt. Denn da es so gut wie keine fälschlich negativ ausfallenden Resultate gibt, liegt der negative Vorhersagewert bei 100 Prozent.

Auf negative Ergebnisse ist sicher Verlass

In den diversen Studien zum cfDNA-Test erreichten die Vorhersagewerte für positive Testresultate zwischen 45,5 und 80,9 Prozent. Falsch negative Ergebnisse gab es so gut wie nie.

Die große Stärke des cfDNA-Tests als mögliches Screening auf Trisomie 21 ist also nicht so sehr das Erkennen betroffener Embryos; zur alleinigen Grundlage für eine Trisomie-Diagnose taugt das Verfahren nicht.

Vielmehr sticht seine Fähigkeit hervor, eine Trisomie 21 auszuschließen. Auf negative Ergebnisse ist - im Gegensatz zu positiven - sicher Verlass.

Laut einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) an den Gemeinsamen Bundesausschuss vom vergangenen Sommer ist davon auszugehen, dass sich in Deutschland jährlich etwa 600.000 Schwangere einem Trisomie-Screening unterziehen würden.

Aufgrund der obigen Angaben würde damit bei praktisch allen betroffenen 1200 Feten mit cfDNA zutreffend eine Trisomie 21 erkannt. Zusätzlich würden von den circa 598.800 Kindern ohne Trisomie 21 rund 600 positiv getestet.

Die cfDNA-Testung schneidet damit deutlich besser ab als etwa das Ersttrimester-Screening (ETS), basierend auf dem Altersrisiko, der fetalen Nackentransparenz und den Serummarkern freies beta-hCG und PAPP-A (Pregnancy-Associated Plasma Protein A).

Denn beim ETS ist mit einer Falsch-positiv-Rate von 3,5 Prozent zu rechnen. Der positive Vorhersagewert liegt unter fünf Prozent.

Für Deutschland heißt das gemäß den DGGG-Daten, dass mit dem ETS bei über 20.000 gesunden Feten zu Unrecht ein Trisomie-21-Verdacht erhoben wird - das sind mehr als 30-mal so viele, wie nach einem cfDNA-Test zu erwarten wären. Zudem fällt das ETS bei 180 der 1200 Embryos mit Trisomie 21 fälschlich negativ aus.

Mag also sein, dass die Pränataldiagnostik ein grundsätzliches ethisches Problem darstellt.

Doch warum der cfDNA-Test moralisch bedenklicher sein sollte als das ETS, lässt sich aus den vorhandenen Erkenntnissen nicht recht verstehen.

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