Interview
Erster Ansprechpartner muss der Hausarzt sein
Wer sollte in der ambulanten Versorgung erster Ansprechpartner sein? "Der Allgemeinarzt", sagt Hausärzteverbandschef Ulrich Weigeldt. Er fordert eine klare Abkehr von der "organisierten Verantwortungslosigkeit" im Kollektivvertrag.
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Der Hausarzt: Erster Ansprechpartner der ambulanten Versorgung.
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Ärzte Zeitung: Herr Weigeldt, die Diskussion um die künftige Rolle des Hausarztes als Gatekeeper ist voll entbrannt. Wie definieren Sie Grundversorger?
Ulrich Weigeldt: Was mit "Grundversorgung" gemeint sein soll, ist aus meiner Sicht bisher überhaupt nicht klar, von daher würde ich bei dem Begriff "Primärversorgung" bleiben. Diese zeichnet sich durch einen ganzheitlichen Ansatz aus, bei dem zum Beispiel auch Beschwerden aus ganz unterschiedlichen Bereichen ins Verhältnis zueinander gesetzt werden. 80 Prozent aller Fälle werden in der Hausarztpraxis abgeklärt. Die Hausärzte sind die einzigen, die das in ihrer Weiterbildung gelernt haben.

Dr. Ulrich Weigeldt.
© Georg J. Lopata
Sind dafür die Schultern der Allgemeinärzte breit genug? Aktuelle Zahlen aus dem Bundesarztregister zeigen, dass die Zahl freier Hausarztsitze wieder gestiegen ist.
Es ist ja ganz klar, dass wir weitere Maßnahmen in die Wege leiten müssen, um mehr Medizinstudierende für den Hausarztberuf zu gewinnen, denn der Bedarf steigt immer weiter. Einiges wie der Masterplan Medizinstudium 2020 wurde ja bereits angegangen. Es wäre hilfreich, wenn da endlich alle an einem Strang ziehen würden. Die Antwort auf diese Herausforderung darf aber auf keinen Fall sein, die Qualität der Versorgung runterzuschrauben! Das schwebt anscheinend jedoch einigen vor.
Internistenchef Dr. Hans Spies interpretiert den Begriff Grundversorger weiter, fordert eine Anpassung an die Versorgungsrealität und sieht auch Gynäkologen, Pädiater, Augenärzte, HNO-Ärzte, Orthopäden und Internisten ohne Schwerpunkt als Primärversorger. Warum ist das falsch?
Das ist nicht nur falsch, sondern gefährlich! Vielleicht sollte man darüber nachdenken, was es für die Qualität der Versorgung bedeuten würde, wenn Orthopäden oder HNO-Ärzte, die dafür nicht weitergebildet sind, hausärztliche Aufgaben übernehmen! Soll das dann nach dem Prinzip "learning by doing" funktionieren? Die Leidtragenden wären die Patienten! Offen gesagt bin ich über solche Fantastereien einigermaßen schockiert.
Dr. Hofmeister, Hausarztvorstand in der KBV, stimmt dem BDI bezüglich der Erst-Inanspruchnahme zum Teil zu, sieht aber bei komplexen Patientenproblemen den Hausarzt als Steuerer. Teilen Sie die Auffassung?
Was wir brauchen, ist ein freiwilliges Primärarztsystem, bei dem der Hausarzt konsequent der erste Ansprechpartner ist. Wir setzen das mit der Hausarztzentrierten Versorgung bereits für knapp 4,5 Millionen Patienten um. Das verbessert nachweislich die Qualität der Versorgung. In der kollektivvertraglichen Versorgung gilt immer noch das Prinzip der "organisierten Verantwortungslosigkeit". Irgendwelche Modelle, bei denen mal der Hausarzt, mal ein Gebietsarzt der erste Ansprechpartner ist, sind zum Scheitern verurteilt.
Ulrich Weigeldt
» Aktuelle Position: Chef des Hausärzteverbande (seit 2007)
» Ausbildung: Facharzt für Allgemeinmedizin (seit 1983)
» Berufspolit. Engagement: in verschiedenen Funktionen ab 1986
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