Frühe Nutzenbewertung
Experten fordern Nachjustierung
Die frühe Nutzenbewertung von Arzneimitteln führt immer wieder zu Problemen. So zuletzt bei neuen Hepatitis-C-Präparaten. Der Verband forschender Arzneimittelhersteller setzt auf den Dialog zwischen Herstellern und Politik.
Veröffentlicht:FRANKFURT/MAIN. Die aktuelle Diskussion über neue Hepatitis-C-Präparate zeigt den Bedarf für eine politische Nachjustierung bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln.
Das Verfahren komme ins Schlingern bei "Arzneimitteln mit hohem Zusatznutzen, hohem Preis und hoher Patientenzahl". Davon geht Professor Bertram Häussler aus, Leiter des IGES-Instituts.
Bei der Handelsblatt-Tagung "Pharma 2015" in Frankfurt warnte er davor, "reflexhaft eine ethische Krise" der Forschungsfinanzierung neuer Medikamente auszurufen - wie in der Diskussion über das Hepatitis-C-Präparat Sofosbuvir.
Häussler verwies darauf, dass die Kosten für durchschnittlich 29 neue Arzneimittel pro Jahr sich in der Vergangenheit auf 2,4 Prozent der gesamten GKV-Arzneimittelausgaben addiert hätten.
Patientenorientierten Nutzen berücksichtigen
Zwar sei es richtig, bei der Preisgestaltung Forschungskosten zu berücksichtigen, sagte Professor Gerd Glaeske vom Zentrum für Sozialpolitik der Universität Bremen.
Glaeske bezeichnete es als eine "alte Hypothek der Festbetragsregelung", dass im AMNOG-Verfahren ein Arzneimittel mit dem anderen verglichen werde - dies verenge die Diskussion.
Denn die Kosten-Nutzen-Bewertung befinde sich bisher in einem "Dornröschenschlaf".
Der Wissenschaftler plädierte dafür, die frühe Nutzenbewertung stärker als "Stufenprozess" zu verstehen. So könnte besser differenziert werden, wann die Nutzenbewertung abschließende Ergebnisse generiert und wann zusätzliche Daten benötigt werden.
Glaeske bedauerte, dass der Bundesausschuss einen Hersteller nicht zwingen, sondern nur bitten kann, neue Studien vorzulegen.
Nicht nur darin mochte Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands forschender Arzneimittelhersteller, Glaeske nicht folgen. Der Gesetzgeber habe gewollt, dass neue Medikamente schnell in die Versorgung gelangen, erinnerte sie.
"Am unteren Ende" der Vergleichspreise
Patientenorientierung habe "nicht das Prä" bei den Verhandlungen über den Erstattungsbetrag, konstatierte Fischer.
Die einzige Referenz in dem Prozess seien die Jahreskosten der zweckmäßigen Vergleichstherapie. 38 Prozent der verhandelten Preise für neue Wirkstoffe lägen "am untersten Ende" der europäischen Vergleichspreise. "Das hat die Politik nicht gewollt."
Angesichts der bisherigen Erfahrungen mit dem GKV-Spitzenverband sieht Fischer eher Potenzial in Verträgen mit einzelnen Krankenkassen, um Aspekte der Versorgung stärker zu berücksichtigen.
Optimistisch äußerte sich Fischer hingegen mit Blick auf den Pharmadialog zwischen Herstellerverbänden und der Politik. Dort bestehe die Chance, gesundheits-, wissenschafts- und wirtschaftspolitische Fragen im Kontext zu diskutieren.
In der ersten Gesprächsrunde sei es darum gegangen, wie die starke Position Deutschlands in der klinischen Forschung - der Nummer zwei nach den USA - bewahrt und gefördert werden kann.
Die daran beteiligten Krankenhäuser bildeten zusammen mit anderen Einrichtungen ein "dichtes Forschungsnetz", das einen enormen Wissenstransfer zugunsten der Patientenversorgung erlaube - "das ist ein großes Pfund", resümierte Fischer.
Auf der Agenda der kommenden Runden des Pharmadialogs stünden Regulierungsfragen im Kontext des AMNOG. Fischer erhofft sich im Ergebnis auch hier "bessere Entscheidungsgrundlagen in der Politik". (fst)