Zehn Empfehlungen
Fachgesellschaft DIVI: Kinderbesuche auf Klinik-Intensivstationen sind sinnvoll
Sollen Kinder Familienmitglieder auf Intensivstation oder in der Notaufnahme besuchen? Die Frage wird unter Ärzten, Pflegekräften und Eltern kontrovers diskutiert. Die DIVI hat zehn Handlungsempfehlungen für Stationsteams erarbeitet.
Veröffentlicht:Berlin. Am kommenden Montag (17. Juni) findet der „Tag der Intensivmedizin“ statt. Ziel des Aktionstags ist es, Arbeit und Alltag auf den Intensivstationen der Krankenhäuser stärker ins öffentliche Bewusstsein zu tragen. In Corona-Zeiten standen ICU nahezu täglich im Fokus – mit dem Schwinden der COVID-19-Pandemie Ende 2022 ist das Scheinwerferlicht weitgehend erloschen.
Ein Thema beschäftigt Ärztinnen, Ärzte, Pflegefachkräfte wie Eltern gleichermaßen und wird in deren Reihen seit Jahren lebhaft diskutiert: Sollen Kinder und Jugendliche Papa oder Mama, Oma oder Opa oder Freunde auf der Intensivstation oder in der Notaufnahme besuchen? Oder überfordert dies das Kind - all die Kabel und Schläuche, das Bangen um Leben und Tod!?
Nach Einschätzung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) ergeben Kinderbesuche auf Intensivstationen durchaus einen Sinn: Die Besuche könnten sowohl dem Kind als auch dem Patienten helfen, heißt es in einem Leitfaden, den die Fachgesellschaft bereits 2022 rund um das Thema veröffentlicht hat.
„Kinder können Besuche sehr wohl verarbeiten“
Die in zehn Punkte gegliederten Empfehlungen tragen die Überschrift: „Kinder als Angehörige und Besuchende auf Intensivstationen, pädiatrischen Intensivstationen und in Notaufnahmen“. Erarbeitet wurden die Empfehlungen von einem Expertenteam aus Österreich, Deutschland und der Schweiz. „Kinder können Besuche sehr wohl verarbeiten“, betonen die Fachleute.
Die 10 Empfehlungen im Überblick
Die DIVI-Empfehlungen zum Besuch von Kindern auf der Intensivstation:
- Den Besuch von Kindern im interprofessionellen Team planen
- Elterliche Kompetenzen stärken
- Kindgerechte Information sicherstellen
- Den Besuch von Kindern vorbereiten, begleiten und nachbereiten
- Psychosoziale Unterstützung anbieten
- In palliativen Situationen besonders begleiten
- In Notfallsituationen eine kindgerechte Begleitung ermöglichen
- Führung – den richtigen Rahmen für Kinderbesuche schaffen
- Qualitäts- und Risikomanagement einbinden
- Den Kinderbesuch und Angehörigengespräche dokumentieren
Allerdings müssten die Kinder vorab altersgerecht informiert werden, was sie erwartet. Kinder stellten auch kein erhöhtes Infektionsrisiko dar, wenn die geltenden Hygieneanforderungen eingehalten würden. Auch gelte, dass der fehlende Kontakt zu einem schwerkranken Familienmitglied bei jungen Menschen Ängste und Schuldgefühle auslösen könne.
Freilich: Es gebe immer Fälle, in denen über die Frage „Besuch auf Intensiv – ja oder nein?“ individuell zu entscheiden sei.
„Kultur der familienorientierten Versorgung“ schaffen
Die Empfehlungen, schreiben die Experten weiter, verfolgten auch das Ziel, eine Hilfestellung für Krankenhäuser zu schaffen, um einheitliche Regelungen für Intensivstationen zu entwickeln. Das sei gerade mit Blick auf Deutschland dringend angezeigt.
„Die Besuchsregelungen auf den Intensivstationen im deutschsprachigen Raum sind sehr heterogen, willkürlich und werden durch die Haltung des Intensivpersonals bestimmt – und das nicht erst seit der Pandemie“, schreibt die Arbeitsgruppe „ICU Kids“ unter der Leitung von Maria Brauchle, Dr. Teresa Deffner und Dr. Peter Nydahl.
Klinikleitungen seien aufgefordert, diese Haltung gemeinsam mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu reflektieren und eine „Kultur der familienorientierten Versorgung zu entwickeln“. (hom/dpa)