Wahl in Hamburg
Frische Brise - wohl eher nicht
In Hamburg läuft es gut für Amtsinhaber Olaf Scholz. Sein Herausforderer, der Arzt und Ex-Gesundheitssenator Dietrich Wersich, bleibt blass. Kritik an der amtierenden Gesundheitssenatorin ist nur hinter vorgehaltener Hand zu hören.
Veröffentlicht:HAMBURG. Die Zeit der allein regierenden SPD in Hamburg läuft am Sonntag wohl ab.
Zumindest lassen die jüngsten Umfrageergebnisse darauf schließen, dass sich der Erste Bürgermeister Olaf Scholz nach einem Koalitionspartner umschauen muss - auch wenn die rund 1,3 Millionen Wahlberechtigten in der Hansestadt erneut den Sozialdemokraten die mit Abstand meisten Stimmen geben werden und die SPD wohl deutlich über 40 Prozent der Stimmen erhält.
Wersichs Schicksal ungewiss
Fest steht, dass in Hamburg erstmals auch 16- und 17-Jährige mitwählen dürfen und die nächste Legislaturperiode fünf Jahre dauern wird. Offen ist dagegen, mit wem "König Olaf", wie Scholz in Anlehnung an seine Regierungszeit ohne Koalitionspartner genannt wird, künftig regieren wird.
Eine Möglichkeit wäre die große Koalition mit der CDU, die unter ihrem Spitzenkandidaten Dietrich Wersich blass blieb und weiter an Boden verlor - nicht ausgeschlossen, dass die Christdemokraten unter 20 Prozent Stimmenanteil sinken.
Ob der Arzt und frühere Gesundheitssenator Wersich nach einem solchen Ergebnis noch an der CDU-Spitze bleiben wird, ist fraglich. Wersich hat sich als Herausforderer von Scholz bei den Hamburgern nicht profilieren können.
Bei einer Direktwahl des Bürgermeisters bekäme Scholz laut einer Umfrage von infratest dimap im Auftrag der ARD Zweidrittel der Stimmen - Wersich dagegen ganze elf Prozent.
Das liegt auch daran, dass Hamburg im Vergleich zu vielen anderen Bundesländern gut dasteht. Wie gut, zeigen die Wahlkampfthemen.
Aufreger sind nicht Finanzen, Fachkräftemangel, medizinische Versorgung oder soziale Benachteiligung, sondern die Busbeschleunigungsspuren. 259 Millionen Euro lässt sich die Hansestadt neue Haltestellen und Kreuzungen kosten.
Ziele sind eine kürzere Fahrtzeit, kürzere Takte und mehr Zuverlässigkeit.
Still ist es dagegen um die Gesundheitsversorgung in der Stadt. Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks hat das Thema Betreuung von Demenzpatienten besetzt und frühzeitig Konzepte erarbeiten lassen.
In ihrer Amtszeit als Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz der Länder konnte die stets bestens informierte und vorbereitete Prüfer-Storcks im vergangenen Jahr bundesweit Impulse setzen und damit einen insgesamt positiven Eindruck ihrer Legislaturperiode abrunden.
Kritik von den Akteuren im Gesundheitswesen war an der erfahrenen Gesundheitspolitikerin nur hinter vorgehaltener Hand zu hören, und die Opposition widmete sich lieber anderen Themen. Dabei ist Prüfer-Storcks längst nicht alles gelungen.
In der ambulanten Versorgung wollte sie nach Vorlage eines Morbiditätsatlasses eine kleinräumigere Bedarfsplanung durchsetzen. Die KV konnte mit Gutachten belegen, wie wohnortnah die ambulante Versorgung in der Hansestadt ist.
Ergebnis war ein Kompromiss, der wenig am Status quo änderte.
In der stationären Versorgung gab es nach Vorlage der Eckpunkte der Bund-Länder-Kommission, an denen Hamburg maßgeblich beteiligt war, Kritik. Die Krankenhausgesellschaft zeigte sich enttäuscht von den Ergebnissen und befürchtet mehr Bürokratie und Planwirtschaft.
Und erst kürzlich warnte die Gewerkschaft Verdi vor einem Personalmangel in den Hamburger Kliniken - angeblich fehlen mehr als 4000 Kräfte.
Prüfer-Storcks Hinweis auf eine Expertenkommission, die bis 2017 Vorschläge für ein neues Pflege-Finanzierungsgesetz erarbeiten soll, reichen der Gewerkschaft, aber auch der Krankenhausgesellschaft nicht aus.
Schlechter Start ist abgehakt
Vergessen ist Prüfer-Storcks schwieriger Start mitten in der Ehec-Krise. Vor fast vier Jahren verkündete die neue Senatorin, dass auf spanischen Gurken Ehec-Erreger festgestellt wurden und die Quelle Spanien sei.
Es war eine der seltenen Situationen, in denen die Senatorin falsch lag.
Spannung bezieht die Bürgerschaftswahl am Sonntag hauptsächlich aus der Frage, welche Parteien den Einzug in die Bürgerschaft schaffen. Neben den beiden großen Parteien sind die Grünen und die Linken laut Umfragen sicher im Parlament.
Die AfD und die FDP dagegen müssen zittern und lagen zuletzt beide knapp über fünf Prozent. Die größte Sympathie hätten die Hamburger neben einer SPD-Alleinregierung für eine rot-grüne Koalition (53 Prozent).
Andere Bündnisse - von der Großen (33 Prozent) bis zur sozial-liberalen Koalition (22 Prozent) - sehen die Hamburger weitaus kritischer.