Arzneimittelpolitik

GKV-Replik auf vfa-Forderungen: „Kein Mehr an Kosten ohne ein Mehr an Nutzen“

Läuft die Nutzenbewertung aus dem Ruder, weil für Innovationen ohne Zusatznutzen regelmäßig Preise über den Kosten der wirtschaftlichsten Vergleichstherapie vereinbart werden? Der GKV-Spitzenverband würde in solchen Fällen gerne deutlichere Mengenrabatte erzielen. Was aber noch nicht so richtig funktioniert.

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Pillen auf einem Untergrund. Eine Pille ist farblich hervorgehoben.

Echte Innovation oder nicht besser als die Vergleichstherapie? Der Kassenverband kritisiert, dass der AMNOG-Grundsatz einer nutzenadjustierten Preisbildung zunehmend verwässert wird.

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Berlin. Auch 13 Jahre nach Einführung der frühen Nutzenbewertung für neue Pharmawirkstoffe durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) fehlt es nicht an Kritik und Vorschlägen zur Verfahrensmodifizierung. In einem „Zukunft AMNOG“ betitelten Positionspapier fordert aktuell etwa der Verband forschender Arzneimittelhersteller (vfa) mehr Flexibilität hinsichtlich Evidenznachweisen und Preisbildung.

Darauf hat jetzt der GKV-Spitzenverband geantwortet. Im Gespräch mit der Ärzte Zeitung weist Dr. Antje Haas, Leiterin der Fachabteilung „Arzneimittel“ das Ansinnen der Forschenden mit der Begründung zurück, die AMNOG-Systematik der Preisdifferenzierung nach therapeutischem Wert werde „dadurch noch weiter ausgehöhlt“.

Ursprünglich sei mit dem AMNOG intendiert gewesen, Innovationen ohne Zusatznutzen nicht erkennbar höher zu erstatten als die wirtschaftlichste Vergleichstherapie. Mit der Zeit sei dieses Prinzip mehr und mehr verwässert worden. Schiedsstellen- sowie Sozialgerichtsentscheidungen aber auch gesetzgeberische Anpassungen hätten bewirkt, dass heute rund zwei Drittel aller Wirkstoffe, die das Bewertungsverfahren „ohne Zusatznutzen“ absolviert haben, überzahlt seien. Haas: „Der ökonomisch richtige Preisdeckel auf die bisherige Standardtherapie wird bereits regelhaft überschritten.“

„Schnelle Maßnahmen erforderlich“

Dr. Antje Haas

Dr. Antje Haas, beim GKV-Spitzenverband verantwortlich für das Arzneimittel-Ressort.

© GKV-Spitzenverband / Tom Maelsa

In der zurückliegenden Dekade, so die Abteilungsleiterin weiter, hätten die GKV-Ausgaben für neue, patentgeschützte Arzneimittel im Schnitt um jährlich rund zwei Milliarden Euro zugelegt. Und mit dem Ende Oktober dieses Jahres in Kraft getretenen Medizinforschungsgesetz habe der Gesetzgeber bereits „ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur Förderung des Pharmastandorts Deutschland verabschiedet“.

Angesichts dessen aber auch mit Blick auf steigende Zusatzbeiträge (von durchschnittlich 1,7 Prozent auf 2,5 Prozent in 2025) seien „die Forderungen des vfa nach einer weiteren Flexibilisierung der Preisverhandlungen fehl am Platz“. Statt auf weitere Zugeständnisse zu drängen, müssten die forschenden Hersteller vielmehr auch einen Beitrag zur Stabilisierung der Kassenfinanzen leisten, um den „in Deutschland großzügigen Zugang zu neuen Arzneimitteln aufrecht zu halten“.

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Haas erinnert in diesem Zusammenhang an die langjährige Statistik des europäischen Pharmaverbandes EFPIA, wonach in keinem anderen europäischen Land neue Medikamente so zügig in den Markt und in die Erstattung gelangen. Aktuell seien „schnelle und effektive Maßnahmen erforderlich“, so Haas weiter. Etwa eine Erhöhung des Herstellerabschlags, die Absenkung der Mehrwertsteuer auf Arzneimittel oder insbesondere auch eine tiefgreifendere Anwendung der mengenbezogenen Preisstaffeln, wie sie mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vor zwei Jahren verpflichtend beschlossen wurde.

Mengenstaffel ohne Biss

Bislang habe diese Vorgabe an die Vereinbarung des Erstattungsbetrags (Paragraf 130a Abs. 1a SGB V) noch keine echte Wirkung entfaltet, berichtet Haas. So seien beispielsweise Preis-Mengen-Modelle von der Schiedsstelle lediglich auf den Mehrumsatz gegenüber dem Vorjahr ausgelegt worden. Mittlerweile vertrete zwar auch die Schiedsstelle die Auffassung, dass Rabatte auf die gesamte Umsatzentwicklung zu beziehen sind.

In der seinerzeitigen Gesetzesbegründung habe man der Mengenstaffel mit 50 bis 100 Millionen Euro jährlich aber nur vergleichsweise geringe Einsparungen zugeschrieben. Deshalb würden von der Schiedsstelle gegenwärtig nur geringe Nachlässe zugestanden, was dann auch auf die Verhandlungen ausstrahle, die nicht bis zur Schlichtung führen.

Das müsse sich ändern, so Haas. „Wir fordern eine gesetzliche Intensivierung der Preis-Mengen-Regelungen.“ Die forschenden Pharmafirmen lehnen dagegen Mengenrabatte ab, ihr Verband bezeichnet sie gar als „Ende der nutzenbasierten Preisbildung“. Was Haas ähnlich sieht – wenngleich in gegenläufiger Perspektive: „Bei konsequent nutzenadjustierter Preisdifferenzierung verlieren Mengenrabatte an Bedeutung. Doch bei dauerhafter Überzahlung der Produkte ohne Zusatznutzen brauchen wir sie. Kein Mehr an Kosten ohne ein Mehr an Nutzen.“

Einsparziel in weiter Ferne

Ausweislich der vom Bundesgesundheitsministerium kürzlich veröffentlichten 2. AMNOG-Evaluation wurden 2023 durch Mengenrabatte aus Erstattungsbetragsvereinbarungen lediglich 600.000 Euro Ausgabenersparnis realisiert. Unter Bezugnahme auf Angaben des GKV-Spitzenverbandes heißt es in dem Bericht weiter, dass bis August dieses Jahres insgesamt 114 Mal Mengenrabatte vereinbart worden seien, „von denen bislang zehn aktiviert wurden und somit zu einer Preisabsenkung geführt haben“. Daraus hätten sich bis Ende Juni Einsparungen von rund 7,0 Millionen Euro ergeben; für das Gesamtjahr werde mit 14 Millionen Euro gerechnet. Womit das vom Gesetzgeber avisierte Kostendämpfungsziel noch meilenweit verfehlt wird. (cw)

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